Читать книгу Manka, das Mammut - Lothar Streblow - Страница 6
Sommerliche Tage
ОглавлениеDie Nacht war sternenklar und voller Geräusche. Gegen Abend hatte die Mammutherde eine Gegend erreicht, wo die flache Tundra in eine hügelige Taigalandschaft überging. Der im Sommer sehr feuchte Dauerfrostboden der Tundra, der nur oberflächlich abtaute und das Wasser nicht versickern ließ, lag ein Stück hinter ihnen.
Hier zwischen den schütter stehenden Erlen, Fichten, Birken und Weiden war der Boden trockener, die Pflanzendecke vielfältiger. Und Mammuts legten sich nicht gern zum Schlafen auf feuchten Untergrund.
Manka lag eng angeschmiegt zwischen ihrer Mutter, ihrem vier Jahre älteren Bruder Ranko und der hilfsbereiten Tante auf einem weichen Graspolster. Nach dem anstrengenden Tag schlief sie tief und fest, wohlig geborgen zwischen wärmenden Leibern. Sie hörte weder das laute Schnarchen der Herde noch das dumpfe Kollern ihrer Bäuche. Und sie sah auch nicht, wie in kurzen Abständen immer wieder ein paar der Großen aufstanden und einige der im Stehen dösenden Wachen ablösten, die sich dann niederlegten.
Erst als die rötliche Morgensonne über die fernen Höhenzüge stieg und Mankas Mutter sich erhob, erwachte Manka. Sie vermißte die Wärme. Auch ihr Bruder Ranko war schon aufgestanden. Geschickt drückte er mit dem Rüssel einige Birkenzweige nieder, um an die Blätter zu kommen. Fast die gesamte Herde stand schon auf den Beinen und suchte zwischen Gras und Gesträuch nach Nahrung. Ein neuer Tag hatte begonnen. Und das erste, was Manka spürte, war Hunger.
Noch ein wenig schläfrig, blinzelte Manka unter ihren langen Wimpern in die Sonne. Über ihrem Kopf summte ein Mückenschwarm. Als sie gähnend ihren kleinen Rüssel anhob, spürte sie, wie ein anderer Rüssel ihr zärtlich über den Körper tastete. Ihre Mutter hatte auf Mankas Erwachen gewartet und half ihr vorsichtig beim Aufstehen.
Das konnte Manka schon fast allein. Sie war nur noch etwas taumelig vom Schlaf. Und kaum stand sie aufrecht, suchte sie eifrig nach ihrer Morgenmilch. Geduldig ließ ihre Mutter sie trinken, bis sie satt war. Nur, das dauerte eine Weile. Erst dann fühlte Manka sich zufrieden.
Jetzt begann auch ihre Mutter ihre Morgenmahlzeit. Wie alle Elefanten futterten auch die Mammuts einer Herde immer gemeinsam, abgestuft nach der Rangordnung. Die Ranghöchsten besetzten die ergiebigsten Stellen. Und nur langsam bewegten sich die einzelnen Tiere weiter, wenn sie einen Fleck abgegrast hatten.
Neugierig beobachtete Manka das Treiben der Großen. Ihr Bruder riß gerade einige Birkenzweige ab, zerkleinerte sie sorgfältig und schob sie sich mit dem Rüssel in den Mund. Ihre Mutter hielt sich mehr an das üppig wuchernde Gras, bündelte es mit ihrem Rüssel und klopfte die anhaftende Erde an ihren Säulenbeinen ab, bevor sie es gemächlich zwischen ihren Mahlzähnen zerkaute.
Das interessierte Manka. Sie drängte sich an ihre Mutter und betrachtete neugierig ihre halbgeöffneten Kiefer, die seltsam breiig-grüne Masse.
Davon etwas abhaben wollte sie noch nicht. Sie war ja noch ein Milchkind und satt von ihrer Morgenmilch.
Zutraulich tappte sie zu ihrem Bruder, der sich ausgiebig an einem Birkenstamm scheuerte. Ihm juckte das Fell. Ranko war mit seinen vier Jahren nur knapp einen halben Meter größer als sie selbst, hatte aber schon kleine Stoßzähne. In seinem zottigen Fell hafteten Grashalme und Blätter. Und er begrüßte seine kleine Schwester mit einem Quietschlaut.
In diesem Augenblick ertönte rasch näher kommendes Stampfen. Im Eilschritt rannte ein anderer junger Mammutbulle auf die beiden zu. Manka erschrak. Doch der junge Bulle wollte gar nichts von ihr, er wollte mit dem gleichaltrigen Ranko raufen. Und Ranko reagierte sofort.
Kampfbereit hob er seinen zotteligen Kopf und schwang seinen Rüssel über die Stirn. Mit abgestellten Ohren näherten sich die beiden. Doch bevor sie mit ihren Rüsselansätzen aufeinanderstießen, fühlte Manka sich von einem viel größeren Rüssel vom Kampfplatz gezogen.
Es war ihre Mutter, die sie vor dem Ungestüm der beiden Raufbolde bewahren wollte. Aufatmend lief Manka neben ihr her, blickte aber zwischendurch immer wieder zurück. Dabei sah sie, wie die beiden jungen Bullen ihre Rüssel um den Kopf des anderen schlangen und mit durchgestemmten Beinen den Gegner zurückzudrängen versuchten. Das sah ziemlich gefährlich aus, war aber nur Spiel. Und Manka war sehr froh, als sie mit ihrer Mutter auf eine Gruppe großer Kühe traf, die zwei andere Mammutbabys umringten.
Die beiden Kleinen schnupperten aufgeregt. Und auch Manka schnupperte neugierig. Die beiden waren nur wenige Tage vor Manka geboren worden, also Babys wie sie. Ihre Mütter hatten die drei Kleinen zusammengeführt, um gemeinsam einen Kindergarten von Mammutbabys zu bilden. Sie sollten zusammen in der Herde aufwachsen und miteinander spielen. So ließen sie sich auch leichter beaufsichtigen.
In dieser Gesellschaft fühlte Manka sich wohler als bei den älteren Jungbullen. Und beschützt von den Großen, wanderten sie dicht beieinander in den Morgen.