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Kapitel 10

Ronaldo vs. Rooney

Die Weltmeisterschaft 2006

„Was man über mich und meinen Mannschaftskameraden und Freund Rooney gesagt hat, ist unglaublich.“

Er kennt die Bilder von der WM 1966, als Eusébios Portugiesen im Halbfinale gegen Bobby Charltons Engländer aus dem Turnier flogen, die dann am Ende den Weltmeistertitel holten. Doch seine erste Erinnerung an eine Weltmeisterschaft ist das Turnier von 1994 in den Vereinigten Staaten. „Ich war neun Jahre alt und habe das Finale mit meiner Familie auf Madeira geguckt. Alle waren für Brasilien. Trotzdem hat sich das Bild, wie Roberto Baggio den entscheidenden Elfmeter verschossen hat, für immer in mein Gedächtnis eingebrannt.“ Unvergessen ist auch die WM 2002, als Portugal nach einer Niederlage gegen Südkorea nicht über die Gruppenphase hinauskam.

Vier Jahre später guckt sich Cristiano die WM nicht mehr im Fernsehen an. Stattdessen fährt er nach Deutschland und spielt selber mit. Er ist nun 21 Jahre alt, und Fußballfans aus der ganzen Welt haben ihn gemeinsam mit Lionel Messi und Ecuadors Luis Antonio Valencia auf die Liste der sechs Kandidaten gesetzt, von denen einer die Auszeichnung als bester Nachwuchsspieler der WM erhalten soll. Die drei übrigen Kandidaten sind von der FIFA benannt. Es handelt sich um Spaniens Cesc Fàbregas, den Schweizer Tranquillo Barnetta und Lukas Podolski. Für die Liste wurden nur Spieler nominiert, die nach dem 31. Dezember 1984 geboren wurden. Der Sieger soll anhand der Kriterien Spielstil, Ausstrahlung, Fairness und Fußballleidenschaft ermittelt werden.

Cristianos dritte Saison bei United war heftig gewesen, sowohl auf als auch neben dem Platz. Er hat eine Wette mit Ferguson verloren, nachdem er angekündigt hatte, mindestens 15 Tore zu schießen, aber nur zwölf erzielte. Dennoch hat sich Ronaldo deutlich verbessert, obgleich United auch im zweiten Jahr in Folge hinter José Mourinhos FC Chelsea zurückblieb. In der Champions League kam man nach einer Niederlage gegen Benfica Lissabon nicht über die Gruppenphase hinaus und musste sich als Gruppenvierter im Dezember bereits komplett von der europäischen Bühne verabschieden.

Die einzige Trophäe, die der Vitrine von United hinzugefügt werden konnte, war nach einem 4:0-Sieg im Finale gegen Wigan Athletic der Carling Cup, der englische Ligapokal. Das dritte Tor hatte dabei Ronaldo erzielt. Darüber hinaus wurde er von der FIFPro, dem internationalen Verband der Profifußballer, mit dem erstmals vergebenen Fan-Preis für den besten Nachwuchsspieler ausgezeichnet. Sein Mannschaftskollege Wayne Rooney bekam den offiziellen Preis als Nachwuchsspieler des Jahres. Die beiden sollen in Deutschland noch für Schlagzeilen sorgen, sowohl positive als auch negative. Portugals Trainer Luiz Felipe Scolari glaubt ebenso an ihn, wie ganz Portugal an die Mannschaft glaubt. Das tut auch Ronaldo. „Ich denke, dass wir eine hervorragende Truppe, klasse Spieler und einen klasse Trainer haben“, sagt er. „Für mich persönlich hoffe ich, dass ich bei der WM besser sein werde als bei der EM.“

Portugals Gruppe D mit Angola, Mexiko und dem Iran scheint ziemlich leicht zu sein. Die Portugiesen gewinnen alle drei Spiele: 1:0 gegen die ehemalige Kolonie Angola, 2:0 gegen den Iran und 2:1 gegen Mexiko. Das zweite Tor gegen den Iran ist ein von Cristiano verwandelter Strafstoß. Mit neun Punkten zieht Portugal als Gruppenerster ins Achtelfinale ein. Es ist das erste Mal seit der WM 1966 in England, dass die Portugiesen die Gruppenphase überstehen.

Am 25. Juni 2006 trifft Portugal in Nürnberg in einer Neuauflage des EM-Halbfinales 2004 auf die Niederlande. Scolari wird später von einem historischen Sieg sprechen, der laut Kapitän Luís Figo das Ergebnis von „mannschaftlicher Geschlossenheit, Charakterstärke und der Unterstützung der gesamten Nation“ ist. Leider bleibt einem die Partie besonders wegen ihrer zweiten Halbzeit in Erinnerung, die hauptsächlich aus Nickligkeiten, Verwarnungen und Unsportlichkeiten bestand. Hollands Giovanni van Bronckhorst und Khalid Boulahrouz fliegen vom Platz, ebenso Portugals Deco und Costinha, die beide im Viertelfinale aussetzen müssen. Schiedsrichter Walentin Iwanow aus Russland stellt einen neuen FIFA-Rekord auf und verteilt 16 Gelbe Karten, davon vier Gelb-Rote. Portugal kommt dank eines Treffers von Maniche in der 22. Minute, der die Torjägerqualitäten des Mittelfeldmannes noch einmal unterstreicht, eine Runde weiter.

Ronaldo muss seinen Platz in der 33. Minute nach einem überharten Einsteigen von Boulahrouz unter Zornestränen für Simão räumen. Er kann sein Bein kaum noch bewegen, und sein Einsatz im Viertelfinale gegen England steht bis zur letzten Minute auf der Kippe. Den will er aber auf keinen Fall verpassen – immerhin träfe er da ja auf einige seiner Mannschaftskollegen von Manchester United. Außerdem hofft er ganz fest, sich auf dem Flügel mit Gary Neville duellieren zu können.

Am 1. Juli um 17 Uhr werden in Gelsenkirchen die Mannschaftsaufstellungen verkündet. Ronaldo ist wieder auf dem Damm und wird mit der 17 auf dem Rücken auflaufen. England hat sich im Achtelfinale mühsam mit 1:0 gegen Ecuador durchgesetzt. Der schwedische Trainer der Three Lions, Sven-Göran Eriksson, hat großen Respekt vor dem Gegner und dessen Coach. Immerhin sorgte Luiz Felipe Scolari als Brasiliens Nationaltrainer für Englands Ausscheiden bei der WM 2002 in Japan und Südkorea. Nach seinem Wechsel zu den Portugiesen hat seine Mannschaft England dann auch bei der EM 2004 aus dem Turnier geworfen.

Die Partie beginnt. Auf den Rängen übertönen die 45.000 englischen Fans die 5.000 anwesenden Portugiesen. „Stand up for the Englanders“, „Steht auf für die Engländer“, skandieren sie. Doch England zeigt sich blass und liefert ein enttäuschendes Spiel ab. Auch die Führungsspieler Frank Lampard, Steven Gerrard und Wayne Rooney können daran nichts ändern. Portugal dagegen kontrolliert in der eigenen Hälfte den Ball, kann jedoch jenseits der Mittellinie nichts ausrichten. Man bekommt keinen Schwung ins Spiel und hat Probleme mit der Spieleröffnung. Deco wird schmerzlich vermisst, und es zeichnet sich ab, dass weder Pauleta noch Hélder Postiga ein Tor schießen werden. Die Knipser knipsen nicht.

Cristiano zeigt auf dem Flügel, was er kann. Langsam, aber sicher zermürbt er Gary Neville. Gerrard und Lampard müssen dem linken Außenverteidiger immer wieder zu Hilfe eilen. Sobald Cristiano allerdings in die Mitte zieht, verlöschen sein Feuer und seine Dynamik.

Schlimmer noch: In der 62. Minute kommt es zu einem Vorfall, der noch Monate später für hitzige Debatten sorgen wird. Ricardo Carvalho hat Wayne Rooney an der kurzen Leine und lässt ihn zu keiner Zeit entkommen. Frustriert versucht Englands Nachwuchshoffnung, sich durch das Netz der portugiesischen Verteidiger zu tanken und zwischen Carvalho und Petit durchzubrechen. Nach kurzem Kampf bleibt Carvalho auf dem Boden liegen, Rooney tritt unabsichtlich auf ihn drauf und erwischt ihn mit den Stollen in der „kritischen Zone“. Auf das Foul folgt augenblicklich eine Rudelbildung englischer und portugiesischer Spieler. Cristiano trifft als Erster am Ort des Geschehens ein und stürzt sich auf den Schiedsrichter. Rooney schubst ihn daraufhin weg und sagt wohl etwas wie: „Halt dich da raus!“ Englands Owen Hargreaves versucht, die beiden auseinanderzuhalten, während auf Portugals Seite Maniche die Gemüter beruhigen will.

Der Vorfall hat sich direkt vor der Nase von Schiedsrichter Horacio Elizondo ereignet. Die Portugiesen fordern nun einen Platzverweis für Rooney. Der Schiri zögert kurz und zückt dann die Rote Karte. Englands Nummer 9, Cristianos Sturmkollege bei Man United, tritt den Weg in die Kabine an. Die englischen Spieler sind wütend über die aus ihrer Sicht unfaire Entscheidung und skandieren „Cheat, cheat, cheat!“, „Schwindler, Schwindler, Schwindler!“, in Richtung Carvalhos, der auf der Trage vom Platz befördert wird. In den folgenden Monaten wird die Auseinandersetzung zwischen Cristiano und Rooney immer wieder Thema in den britischen Medien sein. Doch dazu später mehr, jetzt erst einmal zurück zum Spiel.

Eriksson reagiert auf den Platzverweis und entscheidet sich, Joe Cole durch Peter Crouch zu ersetzen. England schafft es auch mit zehn gegen elf, das Ergebnis zu halten. Man zieht sich weit zurück und spielt lange Bälle auf den über zwei Meter großen Mannschaftskameraden, der die Kugel behaupten soll, bis Verstärkung nach vorne geeilt ist. Scolari hingegen bringt Simão für die linke Seite und schickt Cristiano ins Angriffszentrum. Dort sieht er allerdings kein Land, weshalb ihn der Trainer wieder zurück auf den Flügel beordert.

Englands Mannen überstehen den Ansturm der Portugiesen, und nach 90 Minuten steht es weiterhin 0:0. Portugal hat aus der Überzahl keinen Vorteil ziehen können, zumal Erikssons Jungs durch Konter immer wieder für Gefahr sorgten. In der Verlängerung brennt es zwar vor Robinsons Tor, aber die Portugiesen agieren zu planlos und lassen jede Kreativität vermissen. England hält sich irgendwie über Wasser, und es geht ins Elfmeterschießen.

Ricardo, Torhüter von Sporting Lissabon und Held der EM 2004, nachdem er dort zwei englische Elfmeter abgewehrt hatte, steht ganz ruhig und konzentriert auf der Torlinie. Die Spannung, die sich auf dem Platz aufgebaut hat, scheint an ihm vorbeizugehen. Nun tritt Frank Lampard an, um den ersten Elfmeter für England zu schießen. Ricardo kann halten. Nachdem er den zweiten von Hargreaves passieren lassen musste, kann er den dritten von Gerrard wiederum abwehren. Als nächster Engländer ist Jamie Carragher an der Reihe. Er legt sich den Ball auf den Punkt, geht weg, dreht sich schnell um und schießt, ohne allerdings den Pfiff des Schiedsrichters abzuwarten. Elizindo schickt ihn für einen zweiten Versuch zurück. Dieses Mal wartet Ricardo bis zur letzten Sekunde, taucht dann ab und lenkt den Ball an die Latte, von wo er ins Nirgendwo fliegt.

Damit steht es 2:1 für Portugal, und nun ist es an Cristiano, sein Land ins Halbfinale zu schießen. Der Junge von Madeira wirkt nervös. Die Kamera zoomt nahe heran, um zu zeigen, wie er die Lippen schürzt und eine Grimasse schneidet. Er tritt ein wenig auf den Elfmeterpunkt, um ihn einzuebnen, küsst den Ball und legt ihn sich sorgfältig zurecht. Er wählt einen kurzen Anlauf, verzögert kurz und schießt.

Toooooooor! Ronaldo legt den Kopf zurück und schreit gen Himmel, während Fans und Mannschaft ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Er zeigt nach oben und widmet das Tor seinem Vater. „Ich war mir ganz sicher und habe mit voller Kraft draufgehalten“, sagt er hinterher. England muss genau wie schon 2004 die Heimreise antreten. Damals hatte Beckham verschossen. Dieses Mal hat er verletzt zugeschaut.

Am 5. Juli trifft Portugal in München auf die Franzosen um Zinedine Zidane, die zur allgemeinen Überraschung Titelfavorit Brasilien mit Superstar Ronaldinho aus dem Rennen geworfen haben. Portugal legt einen guten Start hin und kann die Franzosen dank einer glänzenden Leistung von Figo, Cristiano Ronaldo und Deco immer wieder in Bedrängnis bringen. Doch in der 33. Minute zieht Thierry Henry in den Strafraum, wo Ricardo Carvalho stolpert und ihn zu Fall bringt. Der uruguayische Schiedsrichter Jorge Larrionda zeigt auf den Punkt, woran auch der Unmut aus Scolaris Lager nichts ändert.

Kapitän Zinedine Zidane, genannt Zizou, trabt zum Elfmeterpunkt. Frankreichs Nummer 10 wählt einen kurzen Anlauf und schießt platziert ins Eck. Ricardo ahnt die Ecke, ist aber machtlos. Damit steht es 1:0, und das wird bis zum Schlusspfiff auch so bleiben. Patrick Vieira und Claude Makélélé sorgen dafür, dass ihre Abwehr nicht durchbrochen wird. Die Portugiesen lassen den Ball zirkulieren und versuchen alles, um vor das Tor zu kommen. Figo und Cristiano bearbeiten die Flügel, aber jeder Ansturm scheitert an der französischen Verteidigungsmauer. Die größte Herausforderung für Fabien Barthez stellt ein Freistoß von Cristiano dar, der direkt auf ihn zufliegt. Frankreichs Torwart versucht, den Ball festzuhalten, kann ihn aber nur abklatschen. Figo hat noch die Chance zum Kopfball, zielt aber knapp neben das Tor.

Nach dem Schlusspfiff weint Cristiano wie schon nach dem Endspiel der EM 2004, während Zizou seinen ehemaligen Kollegen von Real Madrid, Luís Figo, tröstet. Dies ist Figos letztes großes Turnier, das Spiel um Platz drei wird sein letztes im portugiesischen Trikot sein. Zum zweiten Mal haben die Franzosen den Portugiesen ein Endspiel vor der Nase weggeschnappt. Bei der EM 2000 war ihnen dies dank eines Tores von Henry sowie durch einen von Zidane verwandelten Strafstoß in der Verlängerung gelungen.

Frankreich zieht also ins Finale gegen Italien in Berlin ein, das mit Zidanes Kopfstoß und dem vierten WM-Titel für Italien enden wird. Am 8. Juli verliert Portugal im Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadion das Spiel um den dritten Platz mit 1:3 gegen Deutschland. Für Scolaris Mannen ist die Weltmeisterschaft vorbei.

Aber noch einmal zurück zur 62. Minute des Spiels Portugal gegen England, zur Szene, die zum Sturm der Entrüstung im Mutterland des Fußballs führte. Englands Fans und Medien sind fest davon überzeugt, dass Ronaldo Schiri Horacio Elizondo überredet hat, Rooney die Rote Karte zu zeigen. Schlussendlich geben sie ihm die Schuld an Englands Niederlage. Es heißt außerdem, dass er im Wissen um den Charakter seines Mannschaftskollegen alles dafür getan hat, damit bei diesem die Sicherungen durchbrannten.

Cristiano interessiert herzlich wenig, was da alles spekuliert wird. „Ich bin kein Schiedsrichter, und ich habe auch nicht die Macht, einen Spieler vom Platz zu werfen. Ich habe nichts damit zu tun, dass der Schiri Rot gegeben hat“, hält er dagegen. Auch Schiedsrichter Elizondo hält die Sache für überbewertet und erklärt gegenüber der Times: „Die Leute können [über Ronaldo] sagen, was sie wollen. Aber er hatte überhaupt keinen Einfluss. Ich achte ganz allgemein nicht sonderlich auf solche Sachen, weil ich mir während eines Spiels keine Gedanken über die Verantwortung mache, die auf meinen Schultern liegt. Für mich war das eine Tätlichkeit und damit eine klare Rote Karte.“

Auch Ricardo Carvalhos Kommentar gegenüber den Medien hilft nicht viel: „Wenn einer verliert, muss es immer einen Sündenbock geben. Ich glaube nicht, dass Ronaldo den Schiri beeinflusst hat.“ Ebenso wenig nützt Rooneys eigene Bewertung: „Ich bin nicht sauer auf Cristiano, sondern nur enttäuscht. Er hätte sich da nun mal nicht einzumischen brauchen.“

Die britische Revolverpresse dagegen diskutiert die Sache bis ins kleinste Detail, und jedes Blatt hat seine ganz eigene Version. Die Sun etwa schreibt, dass Rooney damit gedroht habe, seinen Mannschaftskollegen „in zwei Teile zu brechen“, wenn er ihn das nächste Mal sehe. Sie behauptet außerdem, dass United ihn nach seinem „beschämenden“ Verhalten bei der WM loswerden wolle. Die Nachricht entbehrt zwar jeglicher Grundlage, aber Cristiano hat offensichtlich seine Schwierigkeiten damit. Es heißt, dass Sir Alex ihn anzurufen versucht habe, aber nur seine alte Telefonnummer besitze.

Jeder meint, zu der Debatte beitragen zu müssen. Englands ehemaliger Angreifer Alan Shearer erklärt im Fernsehen, Rooney werde Cristiano bestimmt eine verpassen, sobald dieser beim Training von Man United auftaucht. Liverpools Kapitän Steven Gerrard fragt: „Wie konnte er einem Mannschaftskameraden so etwas antun? Das ist kaum zu fassen. Hätte einer von meinen Mitspielern das gemacht, würde ich kein Wort mehr mit ihm reden.“ Unterdessen sagt Tottenhams Trainer Martin Jol, dass „Cristiano Ronaldo bei allem das größte Unheil angerichtet hat, weil er Einfluss auf den Schiedsrichter nehmen wollte. Wo bleibt da der Sportsgeist?“ Die Reaktion der englischen Fans ist heftig: Sie haben nicht die Absicht, ihm irgendetwas nachzusehen. „Ich will Ronaldo nie wieder bei United sehen“, „Er ist eine Schande für den Sport“ und „Man verrät doch einen Freund nicht auf solche Weise“ sind nur eine Auswahl der im Internet kursierenden Kommentare.

Ronaldo startet unverzüglich eine Gegenoffensive und erklärt, dass es zwischen ihm und Rooney keine Probleme gäbe. „Letztendlich haben wir SMS ausgetauscht und die Sache unter uns geklärt. Er hat mir noch alles Gute für die WM gewünscht und gemeint, dass wir eine super Mannschaft hätten und weit kommen würden, wenn wir so weiterspielen. Er war mir nicht böse und hat mir außerdem gesagt, dass ich ignorieren sollte, was die englische Presse dazu sagt, die wollten nur Chaos erzeugen, aber das kennen wir ja schon.“ Und dann fügt er noch hinzu: „Was man über mich und meinen Mannschaftskameraden und Freund Rooney gesagt hat, ist unglaublich.“

Das ist aber noch keineswegs das Ende der Geschichte, obwohl Ronaldo verspricht, seinen Mannschaftskollegen anzurufen und die Sache auszuräumen. Bei den Fans, den Medien und allen Beobachtern hat sich das Bild festgebrannt, wie Ronaldo, als Rooney vom Platz fliegt, in Richtung der portugiesischen Bank zwinkert, als wolle er sagen, „Ziel erreicht, er ist raus.“ Da nützt es auch nichts, dass er sein Zwinkern in Richtung Scolari damit erklärt, dass er die Anweisung für einen Positionswechsel verstanden hatte.

Die Medien fühlen sich vielmehr persönlich beleidigt und starten eine Kampagne gegen Ronaldo. Am 3. Juni zeigt die Titelseite der Sun ein Bild von Ronaldos Kopf auf einer Dartscheibe. Sein zwinkerndes Auge befindet sich genau über dem Bullseye. „Give Ron on the eye“, „Gebt Ron ein paar aufs Auge“, heißt es in der Schlagzeile. Im Artikel steht dazu: „Nun hat jeder England-Fan die Chance, es dem größten Zwinkerer der Welt heimzuzahlen. Auf unserer menschlichen Dartscheibe sehen Sie Cristiano Ronaldo, die portugiesische Schwuchtel. Manchester Uniteds Mittelfeldspieler wurde erwischt, wie er seinen Mitspielern zuzwinkerte, nachdem er aktiv mitgeholfen hatte, Englands und Uniteds Star Wayne Rooney vom Platz zu befördern. Wir haben aus Ronaldos Zwinkern das Bullseye gemacht. Hängen Sie es im Büro auf und geben Sie dem oberschlauen Señor ein paar aufs Auge.“ Das braucht man nicht weiter zu kommentieren.

Das Theater will einfach nicht aufhören und zieht sich bis in den August. Alex Ferguson und Uniteds Vorstandschef David Gill fliegen an die Algarve zum Golfhotel Vale do Lobo, um mit Cristiano zu reden. Dieser gibt zu verstehen, dass er nicht zurück nach England will, sondern nach Spanien, entweder zu Barça oder zu Real. Er hat nicht das Gefühl, dass der Verein ihn während der ganzen Tortur rückhaltlos unterstützt hat, und erläutert Sir Alex seine Bedenken: Er fürchtet sich vor der Presse und den möglichen Reaktionen gegnerischer Fans, sollte er wieder auf englischem Boden spielen.

Sir Alex macht ihm klar, dass Man United mit derartigen Situationen umzugehen weiß. Man hatte es ja auch schon mit Leuten zu tun, die Fotos von Beckham vor Londoner Pubs verbrannt haben, nachdem der englische Kapitän wegen seines Nachtretens gegen Argentiniens Mittelfeldspieler Diego „El Cholo“ Simeone bei der WM 1998 vom Platz geflogen war. Und er verdeutlicht Cristiano, dass die englischen Fans heftiger bellen als beißen. Man würde ihn zwar im Stadion ausbuhen, aber das wäre es dann auch schon. Außerdem erzählen Ferguson und Gill, dass sie bereits ein neues Haus auf dem Vereinsgelände für ihn besorgt haben, wo sein Privatleben vollständig vor der Außenwelt geschützt sei. Am Ende überzeugen sie ihn dann doch noch, nach Manchester zurückzukommen und sich der Situation zu stellen.

In Macclesfield, wo United die Saisonvorbereitung absolviert, schließen Cristiano und Wayne Rooney dann Frieden. Der Boss hat von ihnen gefordert, sich eine Dreiviertelstunde unter vier Augen auszusprechen. Portugals Stürmer meidet sämtliche Medien, indem er durch einen Nebeneingang kommt und auch wieder verschwindet. Später wird er sein Schweigen in einem Interview mit dem Magazin FourFourTwo doch noch brechen. „Wir haben bei der Weltmeisterschaft in gegnerischen Mannschaften gespielt“, sagt er. „Es gibt kein Problem. Wir haben keine persönlichen Differenzen. Bei der WM waren wir Rivalen, aber das ist nun Vergangenheit. Das Leben geht weiter.“ Aber tut es das wirklich?

Ronaldo

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