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Kapitel 2

Abelhinha – die kleine Biene

Die Kindheit auf Madeira

„Auf der einen Seite hatte ich eine glückliche Kindheit. Auf der anderen Seite war sie nicht normal, weil ich mit zwölf Jahren meine Familie verlassen habe und nach Lissabon gezogen bin.“

Die Drei-Zimmer-Sozialwohnung, in der Cristiano aufwuchs, gibt es nicht mehr. Im Jahr 2007 hat man das Gebäude, das im Viertel Santo António in Madeiras Hauptstadt Funchal in der Quinta do Falcão 27A lag, abgerissen, um keine Probleme mit Hausbesetzern zu bekommen. Die Familie Aveiro war zu diesem Zeitpunkt schon lange fortgezogen. Cristianos Mutter Dolores lebt mittlerweile in einem großen weißen Haus mit Blick auf den Atlantik, das am anderen Ende von Funchal in São Gonçalo steht – ein wundervolles Zuhause, das ihr Sohn ihr gekauft hat und das sich ganz in der Nähe der Domizile seines Bruders Hugo und seiner Schwester Cátia befindet.

Die früher einmal sehr ärmliche Quinta do Falcão mit ihrer am Berghang gelegenen Ansammlung von Sozialwohnungen hat sich in den vergangenen Jahren dank einiger Investitionen der Europäischen Union sehr verändert. Neue Gebäudekomplexe sind aus dem Boden geschossen. Das Gebiet ist nun auch für die portugiesische Mittelklasse annehmbar geworden, in deren Reihen sich immer breiteres Entsetzen über die Häuserpreise entlang der Küstenlinie breitgemacht hat.

Am Ende der schmalen, kleinen Straße, an der das Haus des Fußballers einmal gestanden hat, gibt es heute nur noch etwas überwuchertes Buschland, einen Kleinfeld-Fußballplatz und eine Kneipe. Trotzdem pilgern Fans hierher, und die Taxis bieten ihnen für ein paar Euros eine Tour zu seinem Geburtsort, den Orten seiner Kindheit, seiner Schule, den Ort, an dem er anfangs Fußball gespielt hat … Er hat es sogar geschafft, so illustre Besucher Madeiras wie Winston Churchill, Kaiserin Elisabeth „Sissi“ von Österreich, Kaiser Karl I. von Österreich, den Literaten George Bernard Shaw, den Dichter Rainer Maria Rilke, Christoph Kolumbus und Napoleon in den Schatten zu stellen.

Madeira ist eine Inselgruppe im Atlantik, die sich ungefähr 860 Kilometer von Lissabon entfernt befindet und zu der zwei bewohnte Inseln gehören – Madeira und Porto Santo. Hinzu kommen drei kleinere, unbewohnte Inseln. Von Reiseführern als „Garten des Atlantiks“ gepriesen, sitzt die Insel Madeira auf einem 57 Kilometer langen und 22 Kilometer breiten vulkanischen Felsen, der vom Meeresboden bis zu dem 1.862 Meter hohen Gipfel des Pico Ruivo aufsteigt, der höchsten Erhebung. Die Hauptstadt Funchal hat 110.000 Einwohner.

Hier wird Cristiano am 5. Februar 1985, einem Dienstag, um 10:20 Uhr vormittags in der Klinik Cruz de Carvalho geboren. Er misst bei der Geburt 52 Zentimeter und wiegt knapp neun Pfund. Er ist das vierte Kind von Maria Dolores dos Santos und José Dinis Aveiro und der jüngste Bruder von Hugo, Elma und Cátia. Die Schwangerschaft war nicht geplant gewesen, gerade einmal 18 Monate liegen zwischen ihm und Cátia. Nun muss noch ein Name für ihn gefunden werden. „Meine Schwester, die in einem Waisenhaus arbeitete, schlug vor, dass wir ihn Cristiano nennen“, erinnert sich Dolores. „Ich dachte, dass das eine gute Wahl sei. Und mein Mann und ich mochten beide den Namen Ronaldo, nach Ronald Reagan. Meine Schwester wählte also Cristiano und wir Ronaldo.“

Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro wird in der Kirche Santo António getauft – an einem Tag, der zufälligerweise durch den Fußball geprägt wird. In seiner Freizeit nämlich hilft sein Vater José Dinis als Zeugwart des Amateur-Fußballvereins CF Andorinho in Santo António aus. Er bittet den Mannschaftskapitän Fernão Barros Sousa darum, Patenonkel des gerade geborenen Babys zu werden. Die Zeremonie ist für sechs Uhr abends angesetzt, doch zuvor findet um vier Uhr noch ein Spiel statt – Andorinha spielt gegen Ribeiras Bravas.

Priester António Rodríguez Rebola wird allmählich nervös. Er hat die anderen Kinder bereits getauft, und noch immer ist weder vom Vater noch vom Patenonkel etwas zu sehen. Dolores und die Patentante in spe laufen ihm in der Kirche hinterher, mit dem Baby im Schlepptau, und versuchen, den Geistlichen zu beruhigen. Schließlich kommen mit einer halben Stunde Verspätung auch Fernão und Dinis, und die Zeremonie kann endlich beginnen.

Die ersten Bilder im Familienalbum zeigen Cristiano als Baby, wie er mit großen Augen direkt in die Kamera starrt. Er ist in ein kleines, blauweißes Gewand und weiße Schühchen gekleidet, trägt an beiden Handgelenken goldene Armreifen und außerdem einen goldenen Ring sowie eine lange Kette mit einem Kruzifix um den Hals. Mit zunehmendem Alter ist auf den Fotos zu erkennen, wie sich sein Haar in einen kleinen Lockenschopf verwandelt und sein Lächeln nach dem Verlust der Schneidezähne etwas lückenhaft wird.

Dinis ist als Gärtner beim Rathaus angestellt, während Dolores hart als Köchin arbeitet, um ihren eigenen Kindern ebenfalls Essen auf den Tisch stellen zu können. Wie Tausende Portugiesen ist auch sie im Alter von 20 Jahren nach Frankreich gegangen, wo sie drei Monate lang Häuser geputzt hat. Ihr Mann wollte eigentlich nachkommen, doch als sich das zerschlug, ging sie zurück nach Madeira. Da hatten sie bereits zwei Kinder.

Das Leben ist nicht leicht für die Familie Aveiro – es ist für jeden schwierig, der weit entfernt von der Luxushotel-Industrie an der Küste wohnt. Es ist ein kleines Zuhause für eine sechsköpfige Familie, und wann immer es einen Regenschauer gibt, tropft es im Haus an Dutzenden Stellen hinein. Dolores besorgt sich Ziegel und Mörtel aus dem Rathaus, um das Problem in den Griff zu bekommen. Cristiano blickt dennoch auf eine glückliche Kindheit zurück. Im Alter von zwei oder drei Jahren entdeckt er beim Spielen auf dem Hof seinen besten Freund – den Fußball. „Einmal schenkte ich ihm an Weihnachten ein ferngesteuertes Auto und dachte, dass er damit gut ausgelastet sein würde“, erinnert sich sein Patenonkel Fernão Sousa. „Aber er spielte lieber mit einem Fußball. Er schlief mit dem Ball, und er ging nie von seiner Seite. Er war immer unter seinem Arm – wo immer er auch hinging, er kam mit.“

Cristiano kommt in eine Kinderkrippe des Externato de São João da Ribeira, einer von Franziskanernonnen geführten Schule. Mit sechs Jahren geht er auf die örtliche Grundschule. Als weiterführende Schule besucht er die Schule Gonçalves Zarco, die besser bekannt ist als Barreiros-Schule wegen ihrer Nähe zum Barreiros-Stadion, in dem die bekannte portugiesische Mannschaft von CS Marítimo Funchal spielt. Cristiano ist kein eifriger Schüler. Er schlägt sich nicht allzu schlecht, aber er ist auch nicht gerade ein Bücherwurm – er ist froh, wenn er irgendwie versetzt wird.

Eine seiner ehemaligen Klassenlehrerinnen, Maria dos Santos, hat ihren ehemaligen Schüler als „artig“, „witzig“ und als „einen guten Freund seiner Klassenkameraden“ in Erinnerung. Fragt man sie nach seiner Lieblingsfreizeitbeschäftigung, so sagt sie: „Von dem Tag an, als er durch die Tür kam, war Fußball sein Lieblingssport. Er hat sich auch an anderen Aktivitäten beteiligt, Lieder gelernt und seine Arbeit erledigt, aber er hatte gerne Zeit für sich selbst, Zeit für den Fußball. Wenn gerade kein Ball in der Nähe war – und oft war keiner da –, dann konnte er sich einen aus Socken machen. Er fand immer einen Weg, auf dem Schulhof Fußball zu spielen. Ich habe keine Ahnung, wie er das hinbekommen hat.“

Fußball auf dem Schulhof und Fußball auf der Straße also. „Wenn er von der Schule nach Hause kam, habe ich ihm immer gesagt, dass er auf sein Zimmer gehen und seine Hausaufgaben machen soll“, sagt Dolores. „Er hat mir dann immer erzählt, dass er keine aufbekommen habe. Also ging ich wieder und fing mit dem Kochen an, und er versuchte sein Glück. Er kletterte aus dem Fenster, schnappte sich einen Joghurt oder ein Stück Obst und rannte mit dem Ball unter dem Arm davon. Er war dann draußen und spielte bis halb zehn Uhr abends.“

Als wenn das nicht genug wäre, fängt er auch an, den Unterricht zu schwänzen, um hinauszugehen und zu spielen. „Seine Lehrer meinten zu mir, dass ich ihn bestrafen müsse, aber das habe ich nie getan. Er musste ja so viel wie möglich üben, um ein Fußballstar zu werden.“ Auch ihr Sohn bestätigte später einmal: „Ich habe immer Fußball mit meinen Freunden gespielt. Damit habe ich meine Zeit verbracht.“

Er spielt auf der Straße, weil es in der Nachbarschaft keinen Fußballplatz gibt. Eine Straße, die Quinta do Falcão, erweist sich als besondere Herausforderung, wenn Busse, Autos und Motorräder hindurch wollen. Man muss jedes Mal die Steine wegnehmen, die die Torpfosten markieren, und mit dem Wiederbeginn des Spiels warten, bis der Verkehr durchgefahren ist. Die ausgetragenen Partien sind heiß umkämpfte Schlachten zwischen bestimmten Hausgemeinschaften oder Kinderbanden. Es sind Spiele, die niemals aufhören. Eine Atempause gibt es nur, wenn der Ball in einem der Gärten der Nachbarn landet – und wenn es der Garten vom alten Senhor Agostinho ist, droht er jedes Mal damit, ein Loch in den Ball zu stechen und Dolores und den anderen Müttern zu sagen, dass sie ihre Kinder besser im Zaum halten sollen.

Und dann ist da noch eine Senke, in der Cristiano über Stunden alleine den Ball gegen die Mauer schießt. Die Senke und die Straße sind seine ersten Trainingsplätze. Genau hier, zwischen Bürgersteig, Asphalt und Autos und beim Spiel gegen jüngere wie ältere Kinder, lernt Ronaldo jene Tricks und Techniken, die ihn groß werden lassen und zu seinem unverkennbaren Stil werden sollen. „Er ist immer den ganzen Tag draußen auf der Straße unterwegs gewesen und hat echte Tricks mit dem Ball gemacht. Es war, als wenn er an seinem Fuß klebte“, erinnert sich Adelino Andrade, der in der Nähe der Familie Aveiro wohnte. „Was Fußball angeht, war er wirklich begabt“, meint auch Cristianos Schwester Elma. „Aber wir haben uns nie träumen lassen, dass er mal dort hinkommen würde, wo er heute ist.“

Im Alter von sechs Jahren unternimmt Cristiano seinen ersten Ausflug in die Welt des Fußballs. Sein Cousin Nuno spielt für Andorinha, und Cristiano war bereits häufiger gemeinsam mit seinem Vater auf der Anlage. Nuno lädt ihn ein, vorbeizukommen und ihn spielen zu sehen, und fragt ihn, ob er sich nicht einer der Mannschaften anschließen wolle. Cristiano trainiert mit und beschließt, seine Chance zu nutzen. Dolores und Dinis freuen sich über die Entscheidung ihres jüngsten Sohnes – sie haben Fußball immer gerne gemocht. Dinis und sein älterer Sohn Hugo sind Fans von Benfica, während Dolores Luís Figo und Sporting Lissabon verehrt.

In der Saison 1994/95 bekommt der neunjährige Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro vom Fußballverband von Funchal seinen ersten Spielerpass mit der Nummer 17.182. Er trägt nun das hellblaue Trikot von Andorinha. Andorinha ist ein örtlicher Verein mit einer langen Geschichte. Er wurde am 6. Mai 1925 gegründet. Der Name Andorinha ist der portugiesische Begriff für Schwalbe und geht der Legende nach auf den fantastischen Schuss eines bestimmten Spielers zurück, dem dann der Flug einer Schwalbe folgte.

Der Grundschullehrer Francisco Afonso, der Cristianos Schwester Cátia unterrichtete, war 25 Jahre lang Trainer in den Jugendligen Madeiras. Er war auch Ronaldos erster Trainer und hat nie vergessen, wie er ihn im Alter von sieben Jahren zum ersten Mal bei Andorinha auf dem Platz sah. „Fußball war das, wofür Cristiano lebte“, sagt er. „Er war schnell, er war technisch brillant, und er spielte mit seinem linken und seinem rechten Fuß gleich gut. Er war dünn, dafür aber einen Kopf größer als die anderen Kinder in seinem Alter. Ganz ohne Frage war er extrem talentiert – er hatte ein natürliches Talent, das in den Genen lag. Er jagte immer dem Ball nach und wollte derjenige sein, der das Spiel entschied. Er war sehr konzentriert und hat unabhängig davon, wo auf dem Platz er sich befand, gleich hart gearbeitet. Und wann immer er nicht spielen konnte oder ein Spiel verpasste, war er am Boden zerstört.“

Vereinspräsident Rui Santos erzählt eine nette Anekdote von einem Spiel während der Saison 1993/94. Andorinha trat gegen Camacha an, das damals zu den stärksten Teams auf der Insel gehörte. Zur Halbzeit lag Andorinha 2:0 hinten, und „Ronaldo war so verzweifelt, dass er wie ein Kind schluchzte, dem man das Lieblingsspielzeug weggenommen hatte. In der zweiten Hälfte kam er aufs Feld und schoss zwei Tore, mit denen er die Mannschaft zu einem 3:2-Sieg führte. Er konnte es definitiv nicht ab, zu verlieren. Er wollte jedes Mal gewinnen, und wenn sie verloren, dann hat er geweint.“

„Deshalb wurde er auch Heulsuse genannt“, erklärt Dolores. Er brach leicht in Tränen aus oder wurde wütend – wenn ihm ein Mannschaftskamerad den Ball nicht zuspielte, wenn er oder jemand anderes das Tor nicht traf oder einen Pass nicht bekam oder wenn die Mannschaft nicht so spielte, wie er wollte. Der andere Spitzname, den er bekam, war Abelinha, die ‚kleine Biene‘, weil er wie eine geschäftige Biene immer kreuz und quer über den Platz lief. In Madrid sollte Cristiano viele Jahre später seinen Yorkshireterrier auf den gleichen Namen taufen.

„Ein Fußballspieler wie Ronaldo kommt nicht jeden Tag daher“, fügt Rui Santos hinzu. „Und wenn er es plötzlich tut, dann wird einem klar, dass er ein Superstar ist – anders als all die anderen Kinder, die man hat spielen sehen.“ Doch leider gehörte Andorinha zu den schwächsten Teams in der Liga, und wenn sie sich Größen wie Marítimo, Camara de Lobos oder Machino gegenübersahen, wurden die Spiele zu einer Art Stahlbad. Ronaldo wollte eigentlich nicht hin, weil er schon wusste, dass sie verlieren würden. Doch dann kam sein Vater nach Hause, munterte ihn auf und überzeugte ihn schließlich, Dress und Schuhe anzuziehen und zur Mannschaft auf dem Feld zu stoßen. Nur die Schwachen geben auf, pflegte er zu sagen – und das war eine Lektion, die der kleine Ronaldo niemals vergessen würde.

Innerhalb weniger Jahre ist sein Name auf der gesamten Insel bekannt. Die beiden großen Vereine der Insel, Nacional de Madeira und Marítimo Funchal, fangen an, sich für die kleine Biene zu interessieren. Die Geschichten über das Kind, das weiß, wie man mit dem Ball umgeht, erreichen auch die Ohren von Cristianos Patenonkel Fernão Sousa. Er trainiert eine Nachwuchsmannschaft von Nacional de Madeira. „Ich war hocherfreut, als ich mitbekam, dass man da über meinen Patensohn redete“, sagt er. „Ich wusste, dass er Fußball spielte, aber ich hatte keine Ahnung, dass er so gut war. Er war den anderen um Meilen voraus. Er ging wundervoll mit dem Ball um und hatte mit Sicherheit eine glänzende Zukunft vor sich. Mir war sofort klar, dass dieses Kind ein Geschenk des Himmels für seine Familie sein konnte.“ Ohne auch nur ein bisschen zu zögern, will er ihn zu Nacional holen. „Ich sprach mit seiner Mutter. Ich erklärte ihr, dass es das Beste für ihn sein würde, und wir kamen dann auch zu einer Einigung mit Andorinha.“

Doch es ist nicht ganz so einfach, wie Sousa es darstellt. Dinis sähe es lieber, wenn sein Sohn zu Marítimo ginge. Die geschichtsträchtige, ehemalige Spielstätte „Almirante Reis“ liegt ganz in der Nähe des Hauses der Familie. Außerdem hat der Junge grün-rotes Blut – sein Herz schlägt für Marítimo. Man kann sich nicht einigen, und deshalb arrangiert Rui Santos eine Zusammenkunft mit beiden Vereinen, um sich über mögliche Offerten auszutauschen. Doch der Trainer der Nachwuchsmannschaft von Marítimo erscheint nicht zu dem Treffen mit dem Präsidenten von Andorinha. So kommt es, dass Cristiano zu Nacional wechselt, im Tausch gegen 20 Bälle und zwei Sätze Spielkleidung für den Nachwuchs.

Finanziell ist der Transfer keine große Sache, aber Andorinha wird als der erste Verein des späteren Weltfußballers in die Geschichte eingehen und später Subventionen von der Stadtverwaltung erhalten. Mittlerweile ist das alte Spielfeld durch einen Kunstrasenplatz ersetzt worden, inklusive Flutlicht. Außerdem hat der Deal mit Nacional einen Platz in den Geschichtsbüchern Madeiras – genau wie in Madrid Raúls Wechsel aus der Jugend von Atlético zu Real, der angeblich einzig und allein deshalb erfolgte, weil die Rot-Weißen dem Jungen nicht die Busfahrkarte für den Weg zum Training bezahlen wollten.

Cristiano ist gerade einmal zehn Jahre alt, als er zu Nacional kommt – und seine Mutter macht sich mehr als nur ein paar Sorgen. „Mein Mann hat ihn immer darin bestärkt, mit älteren Jungs zu spielen. Ich hatte Angst, dass er sich weh tut oder sich ein Bein bricht, aber Dinis hat immer gesagt: ‚Kein Stress, die kriegen ihn ja gar nicht. Er ist zu schnell.‘“

Dass er nur Haut und Knochen ist, entgeht auch den Trainern von Nacional nicht. Schleunigst empfehlen sie, dass er mehr essen soll, um etwas kräftiger zu werden. Doch wenn es um die Bewertung seiner Qualifikationen geht, gibt es für sie keinen Zweifel. „Wir haben sofort gesehen, dass er fantastisch ist“, sagt António Mendoça. Er war Cristianos Coach während seiner zwei Spielzeiten bei Nacional. „Seine Fähigkeiten waren schon hochgradig entwickelt: Tempo, Dribbling, Schusstechnik, blitzschneller Abschluss. Der Straßenfußball hatte ihm beigebracht, wie man Tritten entgeht, dem Gegner ausweicht und sich mit Jungs auseinandersetzt, die viel größer waren als er. Er hatte auch seinen Charakter gestärkt – er war verdammt mutig.“

Nun ist es an Mendoça und den anderen Trainern, ihm zu vermitteln, dass Fußball ein Mannschaftssport ist. Ronaldo bringt es fertig, sich den Ball in der eigenen Hälfte zu holen und sich in Richtung Tor aufzumachen – ohne irgendjemanden in seiner Mannschaft anzuspielen. Seine Gegner machen ihm nichts aus. Niederlagen sind keine Option: Er will alles gewinnen. Er weint und wird wütend auf seine Mannschaftskameraden, wenn etwas schiefläuft. „Sie haben es hingenommen, weil er ja immer so viele Tore geschossen hat“, sagt Mendoça. „Wir haben alle unsere Spiele immer 9:0 oder 10:0 gewonnen.“ Trotzdem sind sein Eigensinn und Stolz ein Problem. Er benimmt sich gegenüber den anderen, als wäre er etwas Besseres. Außerdem ist es schwierig, ihm Ratschläge zu erteilen – das geht nur unter vier Augen und niemals vor dem ganzen Team.

In der Saison 1995/96 gewinnt Cristiano mit Nacional seine erste Regionalmeisterschaft in der Liga der Zehn- bis Zwölfjährigen. Allmählich werden Vereine wie der FC Porto und Boavista Porto, also die großen Klubs vom portugiesischen Festland, auf ihn aufmerksam. Fernão Sousa ist der Meinung, dass es an der Zeit sei, den Sprung zu wagen. Zum zweiten Mal nimmt er Kontakt zu jemandem auf, der die Zukunft des Jungen verändern wird, nämlich João Marques Freitas, dem stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt und gleichzeitigen Repräsentanten von Sporting Lissabon in Funchal. Der berichtet daraufhin den Grün-Weißen von dem unglaublichen Jungen aus der Quinta do Falcão. Sporting schickt jemanden hinüber, um mit der Familie zu reden. Es dauert nicht lang, und Ronaldo verabschiedet sich von seiner Kindheit, seiner Familie, seinen Freunden und seiner Insel. Für ihn ist es nun an der Zeit, den Weg auf das Festland anzutreten.

Ronaldo

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