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Kapitel 7

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München-Giesing, 28. Mai 2019, nachmittags

Carlo ist Experte, was Manipulation angeht, und er ist ein guter Lehrmeister. Ich habe genug von ihm gelernt, um zu wissen, welch leichtes Spiel er mit dem jungen Tosh hatte, welch leichtes Spiel er immer noch mit mir hat. Was seine Methoden aber nicht weniger wirkungsvoll macht.

Nach Möglichkeit beginnt man damit, die Hierarchien zu klären. Was mir gestern wohl gelungen ist. Mayra dürfte inzwischen klar sein, wer am längeren Hebel sitzt.

Punkt zwei, finde etwas über dein Opfer heraus. Was treibt sie an, was will sie erreichen? Wen liebt sie abgöttisch? Was fürchtet sie? Was hat sie getan, von dem niemand je erfahren soll?

Ich habe Georg angewiesen, tiefer zu graben, und sollte eigentlich mittlerweile in der Lage sein, einige dieser Fragen zu beantworten. Doch bisher hat er höchst widersprüchliche Informationen geliefert. Nach außen hin kann Mayra die perfekte Vita präsentieren: Aus einfachen Verhältnissen stammend hat sie beharrlich ihr Ziel verfolgt und ist nun Anwältin in einer angesehenen Kanzlei in einem sehr lukrativen Bereich der Juristerei.

So weit, so gut. Eine wohlanständige Anwältin auf dem Weg nach oben. Aber was hat sie geritten, eine Nutte aus einer Gewahrsamszelle herauszuholen? Zumal Georg nicht die geringsten Anzeichen dafür gefunden hat, dass sie jemals zuvor den Drang verspürt hat, einem gefallenen Mädchen aus der Patsche zu helfen. Zudem konnte er auch keine persönliche Verbindung zwischen Mayra und Minnie finden. Wieso sollte sie also ausgerechnet für sie tätig werden?

Was mir allerdings sehr gefällt, ist, dass Mayra den perfekten Partner für ihr perfektes Leben noch nicht gefunden hat. So ein überkorrekter Spießer würde doch gut passen, der es ihr jeden Samstag unter der Bettdecke besorgt. Stattdessen dieser Account bei LonelyHearts. Ich freue mich schon darauf, ihre Chatverläufe zu lesen, während sie nur wenige Meter entfernt an den Verträgen arbeitet. Wovon sie allerdings gar nichts hält, wie sie mir unmissverständlich erklärt.

»Herr Silvers, das entspricht absolut nicht den üblichen Gepflogenheiten. Normalerweise werden alle Schriftsätze in unserer Kanzlei erarbeitet.«

Ach, Schätzchen, das hatten wir doch schon. Wenn ich deinen Arsch hier in diesem Büro haben will, dann bleibt er genau da. Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück und verschränke die Hände hinter meinem Kopf. »Signorina Jennings«, sage ich sanft. »Keine Verträge von Alpha Salvage werden diese Büroräume verlassen, solange sie nicht unterschriftsreif sind.«

»Na, dann wollen wir mal hoffen, dass nicht die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür steht, die sieht so was in der Regel nämlich anders.«

Es gefällt mir, dass sie sich bemüht, nicht klein beizugeben. Welcher Jäger schätzt es schon, wenn das Wild sich ihm freiwillig vor die Füße wirft? »Ich beschäftige eine Anwältin für Wirtschaftsstrafrecht, außerdem habe ich mir nichts zuschulden kommen lassen. Da gehe ich doch davon aus, dass Sie derartige Unannehmlichkeiten zu verhindern wissen.«

»Für meine Arbeit benötige ich außerdem diverse Nachschlagewerke, die in der Kanzlei selbstverständlich zur Verfügung stehen«, erklärt sie starrsinnig.

Gelassen schiebe ich ihr einen Block und einen Kuli hin.

»Dann notieren Sie die Bücher, die Sie benötigen, einer meiner Mitarbeiter wird sie besorgen.«

»Herr Silvers, das ist teure Fachliteratur, die es nicht in der Buchhandlung um die Ecke gibt.«

»Gut. Meine Angestellten mögen Herausforderungen, und sie sind es nicht gewohnt, mich zu enttäuschen.« Ich tippe ungeduldig auf den Block. »Was ist nun, brauchen Sie die Bücher, oder sind Sie einfach ein Trotzkopf, der mir das Leben schwer machen will?«

Sie zuckt nicht einmal mit der Wimper. Mit welchen Gesten man seinem Gegenüber mehr über seine Gefühlslage verrät, als man möchte, kann man in Seminaren lernen. Es auch tatsächlich nicht zu tun, erfordert hingegen sehr viel Übung. In Gedanken füge ich »Wann hat sie das gelernt und wieso?« zu meinem Fragenkatalog hinzu.

Eifrig füllt sie das Blatt, und ich nutze die Gelegenheit, um sie ausgiebig zu betrachten. Wie schon gestern finde ich sie einfach zum Anbeißen. Sie trägt heute ein pastellfarbenes Kostüm, sehr dezent, die Bluse bis zum obersten Knopf geschlossen. Doch ihre Weiblichkeit wird durch diesen Verzicht auf Offenherzigkeit nur noch betont. Ihre Haare sind mal wieder zu einem ordentlichen Knoten gedreht, und in ihren Ohrläppchen stecken winzige Perlenohrringe. Alles in allem ein Bild der Wohlanständigkeit, wie sie da so auf dem Besucherstuhl vor meinem Schreibtisch sitzt, die wunderbaren Schenkel fest geschlossen. Ich beobachte, wie sich ihr Busen bei jedem Atemzug hebt und senkt, während sie vermutlich alle juristischen Werke notiert, die ihr überhaupt in den Sinn kommen.

Scheinbar ist es mir doch gelungen, ein wenig an dieser glatten Oberfläche zu kratzen, stelle ich amüsiert fest. Sonst würde sie wahrscheinlich daran denken, dass ja nicht ich mich mit dieser Liste herumärgern muss, sondern mein Personal. Diese hübsche Gelegenheit, ihr beizubringen, dass sie sich in Zukunft ihre Widerspenstigkeit lieber spart, kann ich mir unmöglich entgehen lassen.

»Sehr gut«, sage ich, als sie mir den Block endlich wieder zurückgibt. »Nachdem wir uns auf den Arbeitsplatz einigen konnten, gehe ich davon aus, dass wir nun zügig ihr Aufgabengebiet besprechen können.« Ich lasse ihr gar keine Zeit zum Antworten, sondern fahre direkt fort: »Wie ich bereits sagte, streben wir Geschäftsbeziehungen mit Bio Gieseke an, die über die übliche Beratertätigkeit weit hinausgehen …«

Sie lauscht aufmerksam, und eine kluge Rückfrage zeigt mir, dass sie durchaus geeignet für diesen Job ist, obwohl das umfangreiche Vertragswerk in Wahrheit nur dazu dienen soll, das eigentliche Geschäft mit Gieseke zu verschleiern. Ich drücke diskret den Knopf der Gegensprechanlage, und nur wenige Momente später steht meine Sekretärin neben meinem Schreibtisch.

»Heute noch, Liliane!«, flechte ich in meine Ausführungen ein und reiche ihr Mayras Liste.

Die erkennt ihren Fehler im selben Moment, während ich ungerührt weiter darüber spreche, welche Streitfälle ich in dem Vertragswerk geregelt haben möchte.

Tja, herzlich willkommen in meiner Welt, Süße! Fair Play war gestern.

Tosh - La Famiglia

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