Читать книгу Ich kann nichts dagegen tun - Lucie Persposti - Страница 8
7. Kapitel
ОглавлениеLucys Sicht
Mit jeder Minute werden meine Kopfschmerzen stärker. Ich steige aus dem Bus aus und muss noch gute fünf Minuten nach Hause laufen. Jeder Schritt ist eine Qual. Nicht mal mehr die Musik kann mich bei Laune halten. Und dieser Typ hat mir nicht geantwortet, obwohl er die Nachricht gelesen hat. Arschloch! Oder er ist beleidigt, was eigentlich verständlich wäre.
Zuhause erwartet mich schon meine Mutter und sie fragt mich, wie es war. Ich antworte nur knapp mit meinem „gut“, gehe ins Zimmer, stelle meine Tasche ab und werfe mein Handy aufs Bett. Dann gehe ich ins Bad um mir eine heisse Dusche zu gönnen. Das wird mir bestimmt helfen! Ich lasse mir ausreichend Zeit, obwohl ich eigentlich noch ziemlich viel tun müsste. Nächste Woche schreiben wir eine wichtige Arbeit in Biologie, morgen müsste ich ein kurzes Referat halten mit Fiona und dann sind da noch die vielen Hausaufgaben. Klar müsste ich etwas tun und mich beeilen, aber meine Noten sind sonst immer ziemlich gut und ich gebe mir auch meistens Mühe, deshalb darf ich auch einmal einen Hänger haben.
Nach einer guten halben Stunde verlasse ich das Badezimmer in ein Handtuch gewickelt und begebe mich in die Küche. Hunger habe ich immer noch nicht, aber eine Tasse Kaffee kann jetzt bestimmt nicht schaden.
Mit der Tasse Kaffee setzte ich mich dann ins Bett und nehme mein Handy. 3 Nachrichten aus 3 Chats. Eigentlich will ich ja schlafen, aber dann werde ich trotzdem neugierig.
Niki hat mir geschrieben und mich gefragt, ob ich gut nach Hause gekommen bin. Ich bejahe und bedanke mich nochmal, dass ich bei ihr übernachten durfte. Bei der zweiten Nachricht beginnt mein Herz automatisch schneller zu schlagen. Sie ist von Tobi.
Lulu, kann es sein, dass du gestern auch auf dem Festival warst?
Oh mein Gott! Hat er mich etwa gesehen? Eigentlich wollte ich ihm ja zuerst schreiben, aber ich finde es sogar noch besser, wenn er den ersten Schritt macht.
Ja, ich war da. Hast du mich etwa gesehen?
Ich will ihm nicht unbedingt auf die Nase binden, dass ich ihn auch gesehen habe. Sonst fragt er bestimmt noch, warum ich ihn dann nicht angesprochen habe und das wäre dann irgendwie peinlich. Obwohl sich auch die Frage stellt, warum er mich nicht angesprochen hat, wenn er mich ja gesehen hat. Vielleicht ergeht es ihm ja genauso wie mir.
Dann widme ich mich der dritten Nachricht. Sie ist von diesem Typ.
Du erinnerst dich nicht daran, wie ich heisse? Ist ja auch nicht schlimm, du warst ein bisschen angetrunken und ich habe meine Nummer ja auch unter „Batman“ eingespeichert. Ich bin Chris.
Sauer ist er also nicht, da bin ich schon erleichtert! Chris. Schnell speichere ich seine Nummer so ein und schreibe zurück.
Danke. Tut mir leid, normalerweise kann ich mir Dinge gut merken. Und was machst du so?
„Was machst du so?“ Ist das mein Ernst?! Das klingt echt bescheuert. Aber ich kann es nun mal nicht mehr ändern. Ich blamiere mich ja die ganze Zeit vor diesem Chris. Eine peinliche Situation nach der anderen. Ich frage mich langsam echt, warum er eigentlich mit mir schreibt. Ich bin eine totale Katastrophe!
Ich bin ziemlich überrascht als er mir innerhalb weniger Minuten antwortet:
Ich chille mit den Jungs im Hotelzimmer. Sag mal, kannst du mir mal ein Bild von dir schicken? Auf deinem Profilbild siehst du richtig nice aus!
Was soll das jetzt? Ich merke, wie mir die Hitze in den Kopf steigt. Er hat mir tatsächlich ein Kompliment gemacht! Es gibt nur ein ganz kleines Problem, denn ich hasse es, Selfies oder Fotos zu machen. Ich sehe darauf einfach immer scheisse aus, deshalb habe ich nur ganz wenige Fotos von mir, mit denen ich ganz zufrieden bin. Ich stöbere in meiner Galerie und werde zum Glück nach kurzer Zeit fündig. Das Foto ist zwar schon ein paar Wochen alt, aber es ist das Beste, was ich von mir habe, abgesehen von meinem Profilbild. Anschliessend frage ich ihn noch:
Kannst du mir auch ein Foto von dir schicken? Du bist ja nicht mal auf deinem Profilbild drauf!
Er scheint mir so, als würde eine Ewigkeit vergehen, bis er zurückschreibt, obwohl es nur wenige Minuten sind, die er mich warten lässt. Ich hasse das! Wenn die andere Person jeweils nicht gleich zurück schreibt, habe ich immer das Gefühl, dass ich immer etwas falsch gemacht habe oder zu langweilig bin.
Tolles Foto! Aber in echt bist du noch hübscher!
Dann schickt er mir ein Foto von sich. Ich habe gar keine Zeit, mich über das Kompliment zu freuen, denn das Foto lässt mich erstarren. Dass es mir gestern nicht aufgefallen ist! Wenn ich mich nicht täusche, ist es der Typ, der mich am Freitag im Tram in Zürich angesprochen hat. Wusste er gestern, dass ich dieses Mädchen bin? Hat er mich wieder erkannt? Und was zur Hölle macht er in der Schweiz? Er ist mit seinen Jungs im Hotel. Aber warum? Nur um ans Festival zu gehen? Also so toll ist dieses Festival nicht. Es gibt Festivals die viel grösser und besser sind!
Chris scheint wohl bemerkt zu haben, dass ich nicht sofort zurück schreibe, denn er fragt sofort nach:
Was ist? Hab ich was Falsches geschrieben? Oder bin ich so hässlich?
Nein, also hässlich ist er nicht. Und er hat nichts falsch gemacht. Ich bin hier diejenige, die total verpeilt ist, obwohl es sonst gar nicht meine Art ist. Was ist nur los mit mir? Kann ich mich ihm gegenüber nicht einmal normal verhalten?!
Kann es sein, dass wir uns am Freitag in Zürich im Tram schon einmal begegnet sind?
Die Antwort kommt schon nach wenigen Augenblicken:
Ja, das kann gut sein, du Blitzmerkerin! Ich frage mich schon die längste Zeit, ob es dir irgendwann auffällt.
Pff, was denkt sich dieser Typ eigentlich?! Chris hätte es mir auch einfach sagen können! Langsam zweifle ich echt daran, ob ich ihm vertrauen kann oder eben nicht. Vielleicht ist er einfach nur ein Aufreisser.
Hast du mich dann gestern gleich wiedererkannt? Und spielst du immer solche Spiele mit Minderjährigen?
Ich öffne die Youtube-App, denn ich will unbedingt mal die Acts auschecken, die gestern aufgetreten sind. Ich beginne mal mit Müslüm. Seine Musik bereitet einfach nur gute Laune und ich muss feststellen, dass seine Musikvideos einfach nur witzig sind. Zum Totlachen. Schon vor ein paar Jahren habe ich einmal von ihm gehört und mir das Video zu „Süpervitamin“ angeschaut, aber jetzt sind noch einige dazu gekommen, die mindestens genauso witzig sind. Gerade als ich mir dann ein Video von Lo&Leduc anschaue, schreibt mir Chris zurück.
Wie schon gesagt, ich bin kein Frauenheld und ich wünschte, ich könnte es dir irgendwie beweisen. Erst als ich mich gestern schon zu euch gesetzt habe, wusste ich wieder wer du bist. Und dann hab ich beschlossen nichts zu sagen, weil ich es witzig fand, darauf zu warten, bis du mich wieder erkennst. Aber keine Angst, ich hätte es dir bald gesagt, wenn du nicht selbst darauf gekommen wärst.
Wow, ein ziemlich langer Text für einen Typen. Hm, irgendwie glaube ich ihm schon. Aber trotzdem, ganz umgestimmt bin ich noch nicht. Aber das hält mich nicht davon ab, ihn besser kennenzulernen.
Kein Problem, vergessen wir die Sache. Was machst du eigentlich in der Schweiz? Ich glaube kaum, dass du hier bist, um Ferien zu machen.
Dann widme ich mich wieder Lo&Leduc. Dafür dass sie Schweizer sind, machen sie coole Musik. Ich bin nämlich nicht der grösste Fan von Schweizerdeutsch und Schweizer Musik. Das meiste finde ich einfach nur lächerlich. Und schon wieder eine neue Nachricht von Chris.
Eigentlich wollten sich meine Jungs mal Zürich anschauen und ein paar Festivals besuchen. Morgen geht es aber wieder zurück nach Deutschland.
Wieso sollte man sich Zürich anschauen wollen, wenn man in Deutschland lebt? Nicht dass ich Deutschland liebe, aber sie haben bestimmt coolere Städte und bessere Festivals. Aber egal.
Wie hat dir die Schweiz so gefallen?
Die Antwort kommt gleich:
Ist ganz nett hier. Alle Menschen sind super freundlich. Aber Deutschland ist halt besser! Wir gehen nochmal raus. Ich schreib dir aber später wieder, ja?
Jaja, das finden auch nur Deutsche! Das einzige positive an Deutschland wie ich finde: dm und dass alles so günstig ist. Das war’s aber auch schon. Ich schreibe ein kurzes „viel Spass“ zurück und schaue mir das Video zu „Hippiebus“ von Dodo an. Dieser Song macht auch echt Stimmung! Als nächstes checke ich Cro ab. Klar kenne ich die Songs wie „Easy“ oder „Whatever“ schon, aber ich habe mich nie so richtig mit Cro beschäftigt. Ich muss echt zugeben, dass er coole Musik macht. Besonders „Traum“ hat es mir angetan. Es macht so richtig gute Laune!
Ich werde langsam richtig schläfrig und die Kopfschmerzen sind langsam fast unerträglich. Das hat mir gerade noch gefehlt! Dabei ist es erst kurz nach sieben. Und ich habe immer noch nichts für die Schule getan. Gegessen habe ich auch noch nichts, aber ich habe weder Hunger, noch Lust etwas zu essen. Mir wird schon fast übel, wenn ich nur an Essen denke. Das ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich krank werde. Auf das könnte ich aber gut verzichten!
Aber ich kann nichts dagegen tun. Mit der Hoffnung, dass es morgen besser ist, mache ich mich bettfertig. Als ich dann im Bett liege ist es irgendwie viel zu früh um schlafen zu gehen. Ich gehe auf Spotify und spiele meine Lieblingsplaylist ab, zu der heute noch einige neue Songs vom Festival dazu gestossen sind.
Irgendwann, zwischen Cro und Marit Larsen, muss ich eingeschlafen sein.