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KAPITEL 3

„Ein Sinnbild des Deutschen aus Bayern“

Edmund Stoiber über Schweinsteiger

Edmund Stoiber ist nicht nur Bayerns ehemaliger Ministerpräsident (1993 bis 2007), sondern auch dem FC Bayern als Mitglied des Aufsichtsrats und als Vorsitzender des Verwaltungsrats eng verbunden. Wie Bastian Schweinsteiger ist Stoiber in Oberaudorf geboren und aufgewachsen. „Herkunft verbindet“, sagt er im Interview über seinen Lieblingsspieler, der ihm nicht nur fußballerisch imponiert.

Herr Dr. Stoiber, wer ist denn nun der berühmteste Sohn Oberaudorfs, Bastian Schweinsteiger oder Sie?

Stoiber: Der berühmteste Sohn Oberaudorfs ist natürlich Bastian Schweinsteiger! Er ist eine Ikone des Fußballs, des Sports allgemein. Er hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, damit gehört er in die Reihe der ganz Großen. Ich habe als Politiker, CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident sicher auch einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht, aber berühmter als Schweinsteiger? Nein, das würde ich niemals behaupten. Und ich bin auch nicht neidisch deshalb. Wissen Sie, Schweinsteiger ist ja in Oberaudorf ein Markenname, nicht nur durch Bastian, sondern auch durch den Vater, das Geschäft, den Bruder. Beide Söhne haben eine außerordentliche Fürsorge durch die Eltern bekommen und sind von Kindesbeinen an enorm gefördert worden.

Sie wohnen seit Jahrzehnten in Wolfratshausen vor den Toren Münchens. Welchen Bezug haben Sie noch zu Oberaudorf?

Stoiber: Meine Schwester lebt in Ebbs, das ist ganz in der Nähe. Ich komme jedes Jahr ein-, zweimal nach Oberaudorf. Und wenn ich dort bin, dann fahre ich immer da vorbei, wo ich geboren worden bin, wo ich zur Schule gegangen bin. Dieses Heimatgefühl sitzt ganz tief drin. Bastian und ich sind aus zwei unterschiedlichen Generationen, trotzdem verbindet uns die Herkunft. Wir sind beide überzeugt: Oberaudorf ist die Perle des Inntals und eine der schönsten bayerischen Gemeinden überhaupt.

Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Schweinsteiger?

Stoiber: Wir kennen uns gut, bei gemeinsamen Terminen mit dem FC Bayern gab es immer einen Austausch, da ist schon ein spezieller Draht da. Ein Beispiel?

Gerne.

Stoiber: Ich habe den Bastian unmittelbar nach dem Endspiel in Rio von daheim in Wolfratshausen aus angerufen und ihm gratuliert – nicht nur zum Weltmeistertitel, sondern weil ich großen Respekt davor hatte, dass er sich in der Stunde seines größten Erfolgs zu seinem Freund Uli Hoeneß und dessen Verdiensten um den deutschen Fußball bekannt hat. Das drückt sehr viel aus. Der Bastian hat ja gewusst, wenn er das jetzt sagt, dann stimmen ihm nicht alle Fans am Fernseher zu. Das zeigt den Mut und die Menschlichkeit, dass er seinen Förderer nicht vergisst, wenn der in einer prekären Situation ist [Anm. d. Autors: Hoeneß saß damals wegen seines Steuervergehens in Haft].

Was imponiert Ihnen an Schweinsteiger?

Stoiber: Er hat sich immer entwickelt, ist nie stehengeblieben. Er ist aus dem Schweini der WM 2006 herausgewachsen und zum international hoch geschätzten Herrn Schweinsteiger geworden. Für mich ist er durchaus ein Sinnbild des Deutschen aus Bayern. Rein fußballerisch hat mich natürlich begeistert, dass er Spiele nicht nur lesen konnte und ihnen seinen Stempel aufgedrückt hat, sondern dass er sie mit seiner Torgefährlichkeit oft auch entschieden hat. Der Bastian ist mit Sicherheit ein Ankerspieler in der Geschichte des FC Bayern. Wenn man eine Reihe aufmacht mit Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller, Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß und Lothar Matthäus – da gehört er zusammen mit Philipp Lahm rein.

Was hätten Sie als ehemaliger Fußballer gerne von ihm gehabt?

Stoiber: Also ich war genauso leidenschaftlich, allerdings beschränkt auf B- und A-Klasse [lacht]. Klar bewundert man als ehemaliger Hobbyfußballer die technische Brillanz und diese enorme physische Präsenz. Bastian hatte die Bereitschaft, als Techniker auch das Körperliche anzunehmen, er hat auch mal Aktionen auf eigene Faust gestartet, was heute allgemein ja ein bisschen verschüttgegangen ist. Und seine Natürlichkeit darf man nicht vergessen. Er war ein Gesicht der Weltmeisterschaft 2006, die das Image Deutschlands sehr zum Positiven hin verändert hat. Das lockere Deutschland, der Enthusiasmus, die Leichtigkeit – das bleibt für immer auch verbunden mit dem Namen Bastian Schweinsteiger.

Schweinsteiger und Lahm mussten erst die ganz großen Titel gewinnen, um allgemein anerkannt zu werden, ihre Führungsqualitäten wurden oft infrage gestellt. Wie haben Sie diese Diskussionen verfolgt?

Stoiber: Mit Unverständnis. Die Zeiten ändern sich, die hierarchischen Strukturen ändern sich. Nach der Jahrtausendwende hat sich da einiges getan, auch mit Spielern wie Manuel Neuer oder Thomas Müller. Der Generation Schweinsteiger/Lahm hat der ganz große Erfolg lange gefehlt, aber sie haben mit dem Champions-League-Sieg in Wembley und mit dem Weltmeistertitel in Brasilien alles widerlegt. Und das hat mich sehr gefreut, auch weil diese ganzen Diskussionen damit als substanzlos enttarnt waren.

Das Champions-League-Finale 2012 gegen den FC Chelsea war wohl der bitterste Tag in Schweinsteigers Karriere. Wie haben Sie’s als Zuschauer im Stadion erlebt?

Stoiber: Oh mei, da blicke ich nicht gerne zurück. Wir hatten das Spiel ja eigentlich schon gewonnen, kassieren den Ausgleich in letzter Minute durch Drogba, müssen in die Verlängerung, Robben verschießt einen Elfmeter. Und dann dieses Elfmeterschießen. Als Bastians Schuss an den Pfosten gegangen ist und das Spiel mit dem nächsten Elfmeter für Chelsea entschieden war, da hat man an seiner Reaktion gesehen, wie tief ihn das getroffen hat. So ein Finale dahoam hast du einmal im Leben. Aber auch an seinem Umgang mit dieser Niederlage ist Bastian gewachsen, das hat ihn groß gemacht. So wie der Champions-League-Sieg 2001 eine Folge der Niederlage von 1999 gegen Manchester United war, so war Wembley 2013 eine Reaktion auf Chelsea. Die Kraft für das Triple ist aus dem Schmerz gekommen. Dass du dann in England gegen einen deutschen Herausforderer gewinnst, das war einer der wichtigsten Siege für den FC Bayern überhaupt.

Nehmerqualitäten sind ja nicht nur im Spitzenfußball, sondern auch in der Spitzenpolitik unverzichtbar. Lassen sich die beiden Felder vergleichen?

Stoiber: Auf jeden Fall! Die öffentliche Aufmerksamkeit verbindet uns. Man erlebt als Fußballer allerdings nur selten diese extremen persönlichen Anfeindungen. In der Politik gehts um Interessen, da wird emotional heftig gerungen, und jeder kleine Fehler wird in den Medien seziert.

Umso angenehmer muss es beim politischen Aschermittwoch der CSU in Passau sein, am Rednerpult zu stehen und die Ovationen entgegenzunehmen. Hinkt der Vergleich mit der Südkurve bei Bayern-Heimspielen?

Stoiber: Nein, der hinkt nicht, aber man darf sich nicht täuschen lassen. Es gibt da, wie so oft im Leben, zwei Seiten zu berücksichtigen. Du hast in Passau natürlich überwiegend absolut überzeugte Anhänger der CSU, aber die Leute erwarten bei der Rede auch etwas Besonderes von dir. Und genauso ist es bei Bayern-Heimspielen. Die sind auch eine Herausforderung – gegen jeden Gegner. Die Leute wollen was geboten bekommen, sie ziehen Vergleiche mit den Höhepunkten der Vergangenheit. Wenn die ersten drei Steilpässe nicht ankommen, wird schnell gegrummelt.

Welche politische Figur kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an Schweinsteiger denken?

Stoiber: Von seiner Leidenschaftlichkeit und Bajuwarität her würde ich ihn zu den großen Persönlichkeiten im Nachkriegsbayern zählen. Vergleiche will ich nicht ziehen, denn sie hinken zwangsläufig. Aber jeder kann sich denken, wen ich meine.

Als Franz Josef Strauß starb, war Schweinsteiger gerade mal vier Jahre alt. Können Sie sagen, wie ausgeprägt sein politisches Interesse ist? Außer einer gewissen Nähe zu Angela Merkel ist wenig überliefert.

Stoiber: Bastian ist politisch interessiert, das kann ich sagen. Aber er ist auch gut beraten, sich nicht öffentlich zu äußern. Da gibt es unglückliche Beispiele aus der Vergangenheit, die immer wieder aus den Archiven gezogen wurden. Der junge Franz Beckenbauer war über Willy Brandt irritiert, Mehmet Scholl hat die Grünen angegriffen. Das prägt sich ein. Wenn man so eine exponierte Position in der Öffentlichkeit hat wie Schweinsteiger, dann hält man sich klugerweise lieber zurück.

Können Sie sich vorstellen, dass Schweinsteiger nach seinem Vertragsende in Chicago in eine Position beim FC Bayern zurückkehren wird?

Stoiber: Bastian ist ein Herzstück des FC Bayern, er wird immer mit diesem Verein verbunden bleiben. Und für alle Großen stand und steht die Tür hier immer offen. Vielleicht bringt die Zukunft ja wieder eine Nähe – ob im Management oder woanders, das weiß ich nicht, das weiß der Bastian vermutlich selber noch nicht. Das Besondere am FC Bayern ist ja, dass wir mit Beckenbauer, Hoeneß und Rummenigge herausragende Spielerpersönlichkeiten an der Spitze des Vereins hatten und haben. Das gibt es nirgendwo sonst in Deutschland in dieser Kontinuität. Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger oder auch Thomas Müller könnten diese Tradition eines Tages fortschreiben.

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