Читать книгу Die Krone der Schöpfung - Lukas Bärfuss - Страница 7
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ОглавлениеIn der ersten Ausgabe von »Historische Urteilskraft«, dem Magazin des Deutschen Historischen Museums Berlin, setzt Daniel Kehlmann in einem Text mit dem Titel »Geschichten erzählen, Geschichte erzählen«[6] seine Arbeit als Schriftsteller der Arbeit eines Historikers gegenüber und zieht eine deutliche Grenze. Während der Historiker herausfinden solle und wolle, was geschehen sei, würde er, der Dichter, lügen und erfinden. Trotzdem sei auch er auf der Suche nach der Wahrheit. Die entscheidende Frage, die Kehlmann selbst stellt, aber nicht beantwortet, lautet: Gibt es verschiedene Wahrheiten, wovon eine nur dem Lügner, also dem Schriftsteller, zugänglich ist? Weil Kehlmann einer Antwort ausweicht, stellen sich plötzlich weitere Fragen: Warum, zum Beispiel, verspürt der Schriftsteller die Notwendigkeit, diese Unterscheidung zu treffen? Will er die Reputation der Geschichtswissenschaft retten, indem er das Feld der einen Disziplin, die Fakten, von jenem der anderen, die Fiktion, sauber trennt? Oder sucht er für sich selbst, als Schriftsteller, einen Raum, wo er seine Literatur vor weltanschaulichen Anwürfen in Sicherheit bringen kann? Aber die Probleme des einen Gewerbes können ebenfalls und gleichzeitig die Probleme des anderen darstellen, und es müsste mittlerweile deutlich sein, dass die ideologischen Kämpfe im Nachgang der Postmoderne nicht befriedet werden können, wenn wir einfach die Felder der Disziplinen abstecken und hoffen, dass niemand die Grenzen verletzt und Konterbande betreibt.