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Einerlei, ob sich jemand Schriftsteller oder Historiker nennt, und gleichgültig, welche Mittel und Instrumente er bei der Ausübung seiner Tätigkeit benutzt, ob sie nun Quellenkritik oder erlebte Rede heißen, die Vergangenheit ist niemandem zugänglich. Aus dieser Verschlossenheit definiert sie sich. Sie ist das, was war, in Abgrenzung dessen, was ist und was sein wird. Diese allgemeine, alltägliche Erfahrung verdeckt nur eine grundsätzlichere Tatsache: Was sich uns durch das Wissen tatsächlich nicht erschließt, ist die Wirklichkeit als solche, gerade auch jene, die sich in der Gegenwart vollzieht. Dies beweist der Umstand, dass sich die Vergangenheit auch dann nicht erschlösse, wenn wir sie auf die gleiche Weise erfahren könnten wie die Gegenwart. Sie wäre nur eine weitere Gegenwart und die Gleichzeitigkeit unzähliger Ereignisse, deren Zusammenhänge uns zum überwiegenden Teil verborgen blieben. Und weiter: Selbst wenn sich sämtliche dieser Ursachen einem bestimmten Bewusstsein erschlössen, könnte ich sie nicht darstellen, denn das wäre gleichbedeutend mit einem totalen Abbild der Wirklichkeit, das dann, per definitionem, von dieser Wirklichkeit ununterscheidbar wäre. Ein absurder Gedanke, gleichwohl wurde und wird dieses totale Abbild versucht. Es gibt eine beinahe kindliche Sehnsucht, eine Vorstellung, dass man sich der Vergangenheit nähern könne, indem man den Aufwand und die Zahl der dargestellten Ereignisse erhöht. Hollywood erliegt ihr immer wieder. Aber nur, weil man Kriegsschiffe in den Ärmelkanal bringt und mit Tausenden von Komparsen den 6. Juni 1944 darstellt, versteht man den D-Day nicht besser. Aber die Entwicklung der technologischen Illusionsmöglichkeiten hat zu einem Verlust dieser lapidaren Einsicht geführt.

Die Krone der Schöpfung

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