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Beginn des Ständekampfes

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Ein erster Aufstand der Plebs, die sog. erste secessio plebis, wurde durch die jüngere Annalistik ins Jahr 494 v. Chr. datiert (Liv. 2,32 f.; Dion. Hal. 6,45–90). Als Tarquinius Superbus im Vorjahr gestorben war, begannen die Patrizier, die Plebejer ungerecht zu behandeln (Liv. 2,21,5 f.). Unter diesen waren einige wegen ihrer Schulden in Schuldknechtschaft geraten, mussten aber trotzdem militärische Einsätze für die Abwehr der Nachbarvölker leisten. Die Plebejer erwogen daher, den Kriegsdienst zu verweigern und forderten, das Schuldrecht abzuschwächen. Als die Volsker, Sabiner und Aequer wieder ins römische Gebiet einzufallen drohten, stellten die Patrizier zwar Verbesserungen in Aussicht, die aber nicht zum Tragen kamen. Da die Plebejer nun erneut aus der Stadt ausmarschieren sollten, zogen sie bewaffnet auf den Mons Sacer, womit sie in den militärischen Ausstand traten (Liv. 2,32,1–4).

Menenius Agrippa gelang es schließlich, die Plebejer durch die Geschichte vom Magen und den Gliedern umzustimmen: Er verglich den von den Gliedern empfangenden Magen mit einem Patrizier, der zwar Nahrung von den Plebejern erhalte, diese den Zulieferern aber auch gleichmäßig zurückgebe (Liv. 2,32,8–12; Dion. Hal. 6,86). Dabei handelt es sich um eine griechische Parabel, die allerdings erst für das 4. Jh. v. Chr. überliefert ist (Xen. mem. 2,3,18; Polyaen. 3,9,2). Im Falle von Menenius Agrippa, dessen Ahnen Plebejer gewesen sein sollen (Liv. 2,32,8), erscheint sie fragwürdig. Der gelehrte Auftritt eines Aufsteigers dürfte erst nach dem Ausgleich der Stände (287 v. Chr.) erfunden worden sein und passt am ehesten in die Zeit der Gracchen, als man auf der Suche nach der Eintracht (concordia) im Staate war.16

Um eine Einigung zu erreichen und die Plebejer zum Abzug zu bewegen, gestanden die Patrizier diesen eigene, sakrosankte Beamten zu, welche Schutz gegen Übergriffe der Konsuln bieten sollten (Liv. 2,33,1–3). Mit den Volkstribunen erhielt der Ständekampf zugleich eine politische Komponente, da die Plebs ihre eigenen Vertreter erwählte (tribuni plebis), die in einem nächsten Schritt eine weitere Beteiligung an den öffentlichen Einrichtungen anstrebten und späterhin auch die Freiheit des Volkes symbolisierten. Künftig ging es nicht mehr nur um existenzielle Probleme von Plebejern, die unter Schulden und Getreidemangel litten. Führende Vertreter der Plebs strebten letztlich sowohl im Privatrecht als auch im öffentlichen und sakralen Recht eine Gleichstellung mit den Patriziern an.

Demgegenüber schildert der Bericht des Livius die Plebs durchgängig als anonyme und bedrängte bäuerliche Masse und erwähnt namentlich nur gerade den Centurio M. Laetorius (Liv. 2,27,6) sowie Sicinius, der zur Abspaltung angestiftet hatte (Liv. 2,32,2. 33,2. 34,10). Ihr prominentester patrizischer Gegner war Cn. Marcius Coriolanus, der die volskische Stadt Corioli erobert hatte (Liv. 2,33,5–9). Diesen sollen die Plebejer ins Exil getrieben haben, da er kein verbilligtes Getreide abgeben und das Volkstribunat gleich wieder abschaffen wollte (Liv. 2,34,8–12). Als er sich dann mit den Volskern gegen Rom wandte, drohte ihm seine Mutter mit Selbstmord, sodass er von der Stadt abließ und als tragische Figur von seinen Kumpanen umgebracht wurde (Liv. 2,40; Dion. Hal. 8,59; Plut. Cor. 33–36. 39).

Innerhalb der Plebs sind jedenfalls sowohl soziale als auch rechtliche Abstufungen anzunehmen, da sie neben freien Bauern und Handwerkern zahlreiche Mitglieder umfasste, die als Klienten in der Abhängigkeit von Patriziern standen.17 Im Zwölftafelgesetz (1,4) aus der Mitte des 5. Jhs. v. Chr. erscheinen einerseits besitzlose bzw. landlose, wohl häufig verschuldete proletarii, andererseits assidui, »Ansässige«, also Leute mit Grundeigentum. Proletarius, »Kinder habend«, leitet sich von proles, »Nachkommenschaft, Sprössling«, ab. Demnach handelt es sich um Männer, deren Besitz nur aus ihren Kindern bestand.18 Andererseits umfasste das frührömische Militäraufgebot eine breite Gruppe von Fußsoldaten, die sich selbst ausrüsten mussten, sodass zahlreiche Plebejer über ein ausreichendes Vermögen verfügt haben müssen. Zudem wanderten in Rom wohl immer noch prominente Familien aus umliegenden Städten ein, die keine Aufnahme ins Patriziat fanden, sodass sie in der Plebs eine Führungsrolle einnehmen konnten.

Die secessio bildete keinen Auszug des Gesamtvolkes, sondern nur der Waffenfähigen. Zu diesen zählten wohl nicht nur die Schwerbewaffneten (classis), die sich in der Art griechischer Hopliten ausrüsten konnten (sog. Phalanx),19 sondern auch die Leichtbewaffneten (infra classem). So gesehen handelte es sich nicht allein um eine Kriegsdienstverweigerung der sozial besser situierten Plebejer. Im Ständekampf zeichnete sich vielmehr eine Allianz ab, bei der sich verarmte und vermögende Plebejer zusammenschlossen. Während für die einen die wirtschaftlichen Probleme sowie die Schuldenfrage im Zentrum standen, traten die anderen für eine rechtliche und politische Besserstellung ein.20

Ein erster Erfolg bestand darin, dass das Volkstribunat eingerichtet wurde und ambitionierte Plebejer aus dieser Position als Vorsteher der plebejischen Sondergemeinde agieren konnten. Zu ihren Zielen gehörte der Zugang zu den weiteren Ämtern und Priesterschaften, also die Teilhabe an der politischen und religiösen Macht. Diese war an die Beachtung religiöser Vorzeichen bzw. die Beobachtung des Vogelfluges (Auspizien) gebunden, die den Patriziern vorbehalten war.21 Demgegenüber wollte ein größerer Teil der Plebs generellen Schutz sowie eine Erleichterung der Schuldenlast und bessere Versorgung mit Ackerland und Getreide. Ärmeren Bauern drohten bei Missernten Landzersplitterung und Landverlust, sodass sie zur Geldaufnahme gezwungen und der Gefahr des Ruins ausgesetzt waren. Um in den Kampfreihen der Armee Bestand zu haben, waren die einfacheren Plebejer auf eine gesicherte ökonomische Grundlage angewiesen.

Anhand des Vertrages der Römer mit den benachbarten Hernikern könnte vermutet werden, dass im Jahre 486 v. Chr. eine Verbesserung in der Landversorgung angestrebt wurde (Liv. 2,41). Nach der militärischen Niederlage der Herniker wurden diesen zwei Drittel ihres Territoriums im Hinterland von Rom weggenommen, wovon die Hälfte den Plebejer zugeteilt werden sollte. Dazu trat eine Menge an Staatsland (ager publicus), das von Patriziern als Besitzer (possessores) in Beschlag genommen worden war. Dieses Szenario erscheint jedoch anachronistisch, da damals kaum schon so viel Staatsland vorhanden und verteilt war. Es ist vielmehr von den entsprechenden Auseinandersetzungen in der späten Republik geprägt, wie das auch bei zahlreichen anderen Schilderungen über beabsichtigte Land- und Getreideverteilungen in der frühen Republik der Fall ist.22

Im Kampf gegen die vielen Bedrängnisse hatten sich im frühen 5. Jh. v. Chr. verschiedene Gruppen von Plebejern zusammengeschlossen, sodass sich daraus ein neues, gemeinsames Selbstbewusstsein ergab. Auf der anderen Seite war auch die Führungselite gezwungen, sich als Patrizier verstärkt zu organisieren und abzugrenzen. Dennoch nahm der Ständekampf nie die Form einer Revolution an, da weder ein sozialer Umsturz noch eine Demokratisierung der politischen Strukturen angestrebt wurde. Führende Plebejer wollten vielmehr an einem laufenden Erneuerungsprozess teilhaben, bei dem sich unter republikanischen Vorzeichen staatliches Leben ausbildete und grundlegende Probleme zu bewältigen waren.

Das wichtigste Ergebnis war zunächst, dass sich eine Sondergemeinde der Plebejer konstituierte. Die Plebejer erhielten Volkstribunen mit dem ius auxilii ferendi, dem Recht zur Hilfeleistung gegen die Obermagistrate, das sich mit dem Interzessionsrecht verband. Die Tribunen konnten demnach bei einem Unrecht eines Konsuls gegenüber einem Plebejer einschreiten. Verbürgt war dieses Recht durch eine lex sacrata (Liv. 2,33,3; 3,55,10):23 Die Volkstribunen seien nach einem alten Eid (vetere iure iurando), den die Plebs bei der Einrichtung dieses Amtes geschworen habe, heilig-unverletzlich (sacrosanctus), woraus sich die sacrosanctitas der Tribunen ableitete. Der Eid auf die Unantastbarkeit dürfte beim Ceres-Tempel auf dem Aventin abgelegt worden sein. Dieser Tempel soll im Jahre 493 v. Chr. als Heiligtum für die Plebs gegründet worden sein und war den Gottheiten Ceres, Liber und Libera geweiht (Dion. Hal. 6,17,2), womit er einen Gegenpart zum Tempel der kapitolinischen Trias (Iuppiter, Iuno, Minerva) darstellte. Zudem wurden plebejische Aedilen als Aufseher eingesetzt, sodass die plebejische Selbstorganisation weiteren Auftrieb erhielt.24


Abb. 8: Blick vom Aventin über das Forum Boarium auf das Kapitol und das dahinter anschließende Monumento a Vittorio Emanuele II/Altare della Patria, 1927.

Für das Jahr 471 v. Chr. berichtet Livius (2,58,1) von einer Änderung des Wahlmodus für die Volkstribunen. Diese wurden nun zum ersten Mal durch die Tributcomitien gewählt.25 Dabei stimmte die Plebs nach 21 Tribus ab, wobei es neben den vier städtischen 17 ländliche Tribus gab, die angeblich im Jahre 496 v. Chr. eingerichtet worden waren (2,21,7). Gleichzeitig wird auch eine Erhöhung der Tribunenzahl von ursprünglich zwei auf fünf vermutet, wobei dann mutmaßlich im Jahre 457 v. Chr. die Zehnzahl erreicht war (3,30,5).26 Die Versammlung der Plebejer, das concilium plebis, war also nach lokalen Tribus gegliedert, die sich von den drei ursprünglichen Tribus unterschieden. Sie traf politische und gerichtliche Beschlüsse (plebiscita), die jedoch auf Anerkennung durch die Patrizier im Senat angewiesen waren.

Ein weiterer Erfolg im Ständekampf betraf die Schuldenfrage, ohne diese aber aus der Welt zu schaffen. Nachdem die verarmten Plebejer zuerst vergeblich eine Besserstellung gegenüber den Gläubigern (feneratores) gefordert hatten, wurde in der Mitte des 5. Jhs. v. Chr. im neu erstellten Zwölftafelgesetz ein Höchstzinssatz festgelegt. Demzufolge sollte niemand mehr als ein Zwölftel des Kapitals an Zinsen nehmen (Tf. 8,18), womit wohl 8 1/3 % pro Jahr gemeint sind.27 Dem Wucherer (fenerator) drohte jedenfalls vierfacher Wertersatz, also eine Strafe in vierfacher Höhe der ausgeliehenen Summe. Dennoch wurde die Schuldknechtschaft nicht aufgehoben, sondern sogar gesetzlich geregelt (Tf. 3). Die Darlehensverpflichtung (nexum) bezeichnete die eigene Person als Pfand, wenn keine Rückzahlung erfolgte; dies konnte den Zwang zum Frondienst oder den Verkauf in die Sklaverei zur Folge haben.28 Dadurch bestand in der Bürgerschaft weiterhin ein Konfliktpotential.

Die Schuldknechtschaft wurde in Rom erst im Jahre 326 v. Chr. abgeschafft (Liv. 8,28; MRR 1,146), als durch die Expansion in Mittelitalien auch vermehrt versklavte Kriegsgefangene in die Stadt kamen. Demgegenüber war diese Form der Haftung in Athen schon unter Solon um 600 v. Chr. beseitigt worden (Aristot. Ath. pol. 6,1; 9,1; 12,4). Der Wegfall der Schuldknechtschaft hatte dort die Voraussetzungen für die freie Entwicklung der Bürgerschaft gebildet, die ohne rechtlich abgegrenzte Führungselite auskam. In Rom sollte sich demgegenüber im Zuge der territorialen Expansion weiterhin eine hierarchische Standesordnung bewahren.

Die römische Republik

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