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2. Anfechtung des Widerrufs

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Die Anfechtung ist dagegen bei jeder Art des Widerrufs möglich, denn anfechtbar sind nicht nur Testamente, sondern jegliche letztwillige Verfügung.[62] Dass eine Anfechtung (anders als ein Widerruf) insb. auch bei den Widerrufsformen der §§ 2255, 2256 möglich ist, ist auch sachlich gerechtfertigt: Für einen Widerruf besteht hier kein zwingendes Bedürfnis, weil der Erblasser ja neu testieren kann; wenn sich hingegen erst nach dem Tod des Erblassers herausstellt, dass sich dieser beim Widerruf im Irrtum befand, so besteht ein legitimes Bedürfnis nach der Eröffnung einer Anfechtungsmöglichkeit.[63]

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Lösung der Ausgangsfälle

Fall 10 (→ Rn. 185):

Das Zerreißen des Testaments ist ein Widerruf gem. § 2255 S. 1. Durch das erneute Zusammenkleben des Testaments könnte der Erblasser den Widerruf widerrufen haben. Ein Widerruf gem. § 2255 S. 1 ist jedoch nicht widerruflich (→ Rn. 206).

Fall 11 (→ Rn. 185):

Das Durchstreichen einzelner Verfügungen ist im Regelfall als Widerruf i.S.d. § 2255 S. 1 anzusehen (→ Rn. 196). Ein Widerruf des Widerrufs ist dann nicht mehr möglich (→ Rn. 206). Hier liegt jedoch schon kein Widerruf der Verfügungen vor, da durch das Vorhandensein der wiederholten Ausführungen in der zweiten Urkunde die Vermutung des § 2255 S. 1 widerlegt ist. Die Streichungen dokumentieren nicht einen Aufhebungswillen, sondern dienen nur der Vorbereitung eines neuen Testaments (→ Rn. 200).[64]

Fall 12 (→ Rn. 185):

S könnte aufgrund des Testaments vom 1.2.2010 Alleinerbe der E geworden sein. Dieses Testament könnte die E jedoch am 1.3.2018 durch ein Widerrufstestament gem. § 2254 wirksam widerrufen haben. Der Widerruf muss dabei nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch konkludent ergeben, wenn die Widerrufsabsicht dem Testament im Wege der Auslegung entnommen werden kann (→ Rn. 190). Dies war hier der Fall, denn aus dem mit Orts- und Zeitangabe versehenen und unterschriebenen Vermerk „Das mache ich hiermit rückgängig“ auf der Abschrift ergab sich klar die Widerrufsabsicht (vgl. → Rn. 190).

Dieser Widerruf könnte jedoch wiederum selbst widerrufen worden sein. In Betracht käme ein Widerruf durch Vernichtung der Testamentsurkunde gem. § 2255 mit der Folge, dass dann im Zweifel das Testament vom 1.2.2010 (in dem S zum Alleinerben eingesetzt wurde) wieder wirksam würde. Problematisch ist insofern zunächst, dass das Verbrennen (= Vernichtung) nicht durch E selbst, sondern durch H erfolgte. Der Erblasser muss die Vernichtungs-/Veränderungshandlung zwar prinzipiell höchstpersönlich vornehmen; er kann sich jedoch einer anderen Person bedienen, die als unselbstständiges, nicht mit eigenem Entscheidungsspielraum ausgestattetes „Werkzeug“ in seinem Auftrag und mit seinem Willen die Handlungen vornimmt (→ Rn. 199). Sofern eine solche „Willensbeherrschung“ vorliegt, ist es irrelevant, ob der Erblasser bei der tatsächlichen Vernichtung/Veränderung der Testamentsurkunde durch den Dritten persönlich anwesend ist (→ Rn. 199). Problematisch ist hier indes schon, ob tatsächlich eine derartige „Willensbeherrschung“ vorlag. Denn E hatte H nicht selbst mit der Vernichtung beauftragt, sondern ihr dies nur durch T übermitteln lassen; zudem war zunächst unklar, welches Dokument überhaupt gemeint war; von einer Weisung der E an einen als bloßes Werkzeug eingesetzten Dritten ohne jeglichen Entschluss- und Handlungsspielraum kann bei einem solchem Ablauf schwerlich gesprochen werden.[65] Dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da die Vernichtung jedenfalls nicht mehr zu Lebzeiten der E erfolgte und schon deshalb keinen wirksamen Widerruf darstellen konnte (→ Rn. 199). Das Widerrufstestament vom 1.3.2018 wurde somit nicht wirksam widerrufen.

Folglich bleibt es dabei, dass das Testament v. 1.2.2010 wirksam widerrufen wurde, sodass mangels gültiger Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfolge eingreift, d.h. T und S werden Erben zu je 1/2 (§ 1924 Abs. 1, 4).

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