Читать книгу Somber Side of Love - M. B. Bolder - Страница 4

Kapitel 2

Оглавление

Ich höre die Vögel zwitschern und einige Affen brüllen, als ich nach einer traumlosen Nacht erwache und die Sonne mir durch einen Spalt in der Zeltplane genau ins Gesicht scheint.

Blinzelnd spitze ich auf meine Armbanduhr, es ist sechs Uhr fünfunddreißig und im Camp scheint noch alles still zu sein.

Ich rolle mich also aus dem Bett und öffne zunächst das Fliegengitter und die Eingangsplane, um nur mit meinen Shorts bekleidet die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages zu genießen.

Vor dem Zelt recke ich mich erst einmal und blinzle erneut in die Sonne, die meine nackte Haut mit warmen Strahlen streichelt. Eine wahre Wohltat gegenüber den letzten kalten Tagen in Philadelphia.

Ich sehe mich im Camp um und bemerke erst jetzt, dass sich in einigen Zelten nun doch etwas rührt.

Also gehe ich zurück in mein Zelt und ziehe mir eine Jeans und ein weites graues Hemd über, das ich offen lasse und die Ärmel hochkremple.

Zunächst mache ich mich auf den Weg in das Küchenzelt um zu sehen, ob ich irgendwo etwas sauberes Wasser ergattern kann um die Zähne zu putzen und mich zu rasieren.

Als ich es betrete sehe ich, dass Miguel bereits alles für das Frühstück vorbereitet hat. Tassen und Teller stehen bereit, es riecht nach frisch gebrühtem Kaffee und auf den Tischen stehen frisch zubereitete Croissants, die hätte ich hier im Regenwald überhaupt nicht erwartet.

„Señor Bolder; setzen por favor! Essen! Du wollen Kaffee?“ grinst mir der schwitzende Koch ins Gesicht.

„Oh danke, Miguel, später, ich wollte mich nur erkundigen, wo ich mich waschen und rasieren kann?“ hoffentlich hat er mich verstanden denke ich zweifelnd und lege meine Stirn in Falten.

„Por favor, mir folgen Señor Bolder!“ Miguel wirft sein Geschirrtuch, an dem er sich gerade die Hände abwischt, auf einen Hocker und geht zum Ausgang, wobei ich ihm brav folge.

Er strebt auf ein weiteres etwas größeres Zelt zu, das in geringem Abstand von Mr. Dunaways Zelt steht und das ich gestern Abend gar nicht mehr bemerkt hatte.

Außen am Zelt ist an einer Stange, die in den Boden gerammt ist, eine Glocke angebracht die er betätigt um offenbar festzustellen, ob sich jemand im Zelt befindet.

Nachdem sich aber nichts rührt öffnet er die Zeltplane, um mir Eintritt zu verschaffen.

„Denada, Señor Bolder! Waschen!“ erneut grinst er mich mit offenem Gesicht an und wendet sich wieder seinem Küchenzelt zu.

Ich staune, in diesem Zelt befinden sich mehrere Waschschüsseln und Spuckschüsseln zum Zähneputzen.

Einige Kannen mit sauberem Wasser und sogar eine Badewanne mit vier krummen Füßen, in der sich allerdings im Moment kein Wasser befindet.

Daher beschließe ich, dass mir die Schüsseln vorerst für heute durchaus reichen.

Ich gehe also zu meinem Zelt zurück um meine Zahnbürste und mein Rasierzeug zu holen und bemerke auf dem Rückweg, dass sich die etwa fünfzehn einheimischen Arbeiter offenbar in einem der Bäche waschen.

Sie fließen zahlreich durch Palenque und speisen den nahegelegenen Rio Usumacinta mit ihrem Wasser.

Amüsiert denke ich, dass mir das Waschzelt doch um einiges besser gefällt.

Nachdem ich es wieder erreicht habe betätige ich abermals die Glocke um sicherzustellen, ob sich nicht inzwischen Mr. Dunaway darin frisch macht.

Seine Stimme ertönt tatsächlich aus dem Zelt.

„Mr. Bolder, treten Sie ruhig ein, wir sind doch zwei Männer und brauchen uns keinesfalls gegenseitig zu schämen.“

Somit schlage ich die Plane zurück und betrete das Zelt.

„Guten Morgen Mr. Dunaway, haben Sie gut geschlafen?“ frage ich ihn.

Er steht oben ohne, nur mit Shorts bekleidet vor einer der Waschschüsseln, über der auch ein Spiegel angebracht ist und rasiert sich gerade.

Ich bin verblüfft, welch gut gebauten und scheinbar durchtrainierten Körper Mr. Dunaway für sein Alter noch hat und seine Haut ist am ganzen Körper braun.

Also ist es nicht nur Sonnenbräune, die sein Gesicht und die Unterarme ziert.

„Danke Mr. Bolder, eigentlich sehr gut! Hier im Regenwald schlafe ich immer gut, seltsamerweise! Denn die Geräusche sind doch ganz anders als in einer Großstadt und manchmal ist es sogar ziemlich laut.

Nur einmal heute Nacht wurde ich wach, als die Affen offenbar einen ziemlich heftigen Streit hatten, aber die kriegen sich meistens schnell wieder ein, dann hatte auch ich wieder Ruhe. Und wie haben Sie geschlafen?“ blickt er mich von der Seite an.

„Oh, auch sehr gut Sir! Tief, fest und traumlos, ich habe nicht einmal den Streit der Affen mitbekommen, aber dazu hat offenbar wohl auch Miguels Chicha beigetragen.

Ich trinke normalerweise keinen Alkohol und vertrage ihn auch nicht so gut, aber heute Nacht hat er mir anscheinend einen sehr guten Schlaf beschert.

Ich fühle mich sogar richtig ausgeschlafen und freue mich endlich Palenque zu sehen.“ dabei wende ich mich der anderen Waschschüssel zu und beginne mich ebenfalls zu rasieren.

„Sehen Sie sich ruhig alles genau an, aber ihr eigentlicher Arbeitsplatz wird erst einmal der Tempel der Inschriften sein, in dem Alberto Ruz Lhuillier neunzehnhundertzweiundfünfzig das Grab von Pakal fand.

Denn damals hat man bei der Grabplatte, unter der man Gebeine und eine Jademaske fand, aufgehört und ich möchte endlich noch weiter darunter sehen.

Ich will wissen, ob es da noch mehr gibt.“ Mr. Dunaway ist inzwischen mit dem Rasieren fertig und wischt sich das Gesicht mit einem der vorhandenen Handtücher ab.

„Warum interessieren Sie sich eigentlich so sehr dafür Mr. Dunaway? Die mittelamerikanische Geschichte ist doch sehr speziell und nicht jeder hat etwas dafür übrig?“ frage ich ihn.

„Nun ja, eigentlich wissen nicht viele davon und ich wollte Ihnen ursprünglich auch nicht gleich davon erzählen, aber ich habe das Gefühl, dass ich Ihnen vertrauen kann!

Das kann ich doch, oder?“ er schaut mich eindringlich von unten her an und ich nicke fast unmerklich, während ich mich weiter rasiere.

„Mein Urgroßvater hatte ein Indiomädchen geheiratet, die er hier in Mexiko bei seiner Immigration in die USA, kennengelernt hat. Sie behauptete Zeit ihres Lebens, dass sie eine Maya-Prinzessin sei und eine Nachfahrin von K'inich Janaab Pakal I., das war etwa um das Jahr achtzehnhundertsiebenundneunzig.

Damals erklärten sie in den Vereinigten Staaten natürlich jeder für verrückt und mein Urgroßvater, der aus Ungarn stammte offenbar ebenfalls. Denn er betrieb keinerlei Nachforschungen deswegen.

Damals war Palenque zwar schon entdeckt, aber noch nicht richtig erforscht und vom Grab des Pakal wusste man natürlich auch noch nichts und es deutete absolut nichts daraufhin, dass ihre Geschichte wahr sein könnte.“

Ich habe inzwischen meinen Rasierer sinken lassen und lausche gespannt den Worten von Mr. Dunaway, die mich regelrecht fesseln.

Was für eine verworrene Familiengeschichte!

„Ja und wie sie sehen, hat sie den nachfolgenden Generation wohl ihr pechschwarzes Haar und die braune Hautfarbe vererbt, die in unserer Familie inzwischen vorherrschend ist.

Obwohl die nachfolgenden Generation lauter weiße Amerikaner geheiratet haben.

Daher stammt auch der amerikanische Nachname von meiner Großmutter, die einen Dunaway geheiratet hat und wir daher nicht mehr unseren ursprünglichen ungarischen Nachnamen tragen.“

Ich bin immer noch dem Spiegel zugewandt und Mr. Dunaway, der inzwischen hinter mir steht grinst mir über den Spiegel hinweg in mein staunendes Gesicht.

Ich weiß zunächst gar nicht was ich darauf antworten soll und versuche mich erst einmal völlig verwirrt, weiter zu rasieren.

„Mr. Bolder, Sie scheinen verwirrt zu sein?“ kommt seine sehr zutreffende Frage, die mich trifft wie ein Keulenschlag.

Der Mann kann offenbar durch mich hindurch sehen.

Ich beende also meine Rasur und wische mein Gesicht ebenfalls mit einem bereit liegenden Handtuch ab.

„Nun ja, Mr. Dunaway“ antworte ich langsam und ich sehe ihn durch den Spiegel immer noch hinter mir stehen.

„Ich weiß jetzt gar nicht was ich sagen soll, das ist eine sehr außergewöhnliche Geschichte, die es sicher wert ist ihr nachzugehen.

Aber im Moment weiß ich nicht, welche Rolle ich dabei spielen soll, Sir? Suchen Sie etwa nach DNA?“ ich versuche dem Blick von Mr. Dunaway standzuhalten, der mir im Spiegel direkt in die Augen schaut und jetzt teuflisch grinst.

Scheiße, der Blick aus seinen dunkelgrünen Augen, in denen inzwischen ein gefährliches Glitzern schimmert, scheint mich fast zu durchbohren. So als würde er irgendetwas von mir erwarten und das etwa nicht erst in ein paar Wochen oder Monaten, sondern Sofort!

„Möglicherweise Mr. Bolder! Ich erwarte, dass Sie etwas finden unter diesem verdammten Sarkophag mit seiner außergewöhnlichen Grabplatte, egal was.

Machen Sie verflucht nochmal am besten unter dieser Grabkammer weiter! Ich bin fast sicher, dass sich dort unten noch irgendetwas anderes befindet!“

Sein Ton wirkt fast ein wenig drohend aber auf jeden Fall bestimmt und ich merke, dass es ihm entsetzlich ernst damit ist.

Mit diesen Worten dreht er sich um und verlässt das Waschzelt schnellen Schrittes.

Erleichtert stütze ich mich erst einmal auf den Waschtisch auf meine beiden Hände und lasse den Kopf auf meine Brust fallen.

Verdammt!

Worauf habe ich mich da bloß eingelassen?

Mr. Dunaway scheint sehr entschlossen zu sein, bei dem Ansinnen das er offensichtlich hat. Nur weiß ich momentan noch nicht, wie ausgerechnet ich dieses Geheimnis lüften soll.

Denn soweit ich mich durch die einschlägige Literatur gelesen habe, ist die Grabplatte des Pakal inzwischen nur noch hinter einem geschlossenen Gitter zu bestaunen und sie darf nicht mehr angehoben werden.

Damals wurden in dem Sarkophag Knochen und sogar eine Jademaske gefunden die sich aber, soweit ich in Erfahrung gebracht habe, im National Museum of Anthropolgy in Mexico City befinden sollen.

Palenque liegt unter dem Schutz der UNESCO und selbst dann, wenn man eine Grabungsgenehmigung hat, ist nicht alles erlaubt.

Offenbar werden die Knochen wohl auch nicht für DNA-Analysen freigegeben, denn wozu bräuchte Mr. Dunaway dann eine eigene Grabung?

Was zum Teufel erhofft er sich dort zu finden?

Ich sehe im Spiegel in meine stahlblauen Augen, während ich mir mit den Fingern durch mein leicht welliges dunkelbraunes Haar fahre und sie dabei nach hinten streiche.

Verdammt!

Vielleicht hätte ich den Job doch nicht annehmen sollen, hätte ich doch bloß ansatzweise gewusst worum es wirklich geht, aber das konnte mir Collins auch nicht so genau sagen.

Aber jetzt bin ich nun einmal hier, mitten im Regenwald von Mexiko und ich werde mein Bestes geben um Mr. Dunaway zufrieden zu stellen, etwas anderes bleibt mir im Moment auch gar nicht übrig.

Obwohl ich mittlerweile den Verdacht nicht loswerde, dass er mich nur als Alibi für die Grabungsgenehmigung braucht, also werde ich künftig genau beobachten, was er sonst noch tut.

Ich denke an die entspannte und fast freundschaftliche Atmosphäre von gestern Abend, als wir zusammen Chicha getrunken haben und ich habe inzwischen das Gefühl, der vertraute Umgang miteinander könnte vielleicht nur ein Traum gewesen sein.

Ich ziehe mein Hemd aus und wasche meinen Oberkörper gründlich, der trotz meines Alters immer noch einen Sixpack aufweisen kann.

Nicht alle meiner Altersgenossen können von sich behaupten noch so durchtrainiert zu sein.

Viele meiner Studienkollegen daheim verfügen inzwischen über einen deutlichen Bauchansatz, aber ich wollte immer für Faith attraktiv sein und habe gerne das Fitness-Studio aufgesucht.

Was mir am Ende aber leider nichts genutzt hat, wie es die Wirklichkeit ja dann gezeigt hat.

Schnell verdränge ich die Gedanken an Faith und ziehe wieder mein Hemd über, das ich erneut offen lasse.

Ich verstaue meine Rasier-Utensilien, putze mir noch schnell die Zähne und verlasse das Waschzelt ebenfalls Richtung Küchenzelt.

Als ich es betrete winkt mich Mr. Dunaway bereits zu sich und ich folge seiner Aufforderung ohne zu Zögern. Wohin sollte ich mich schon setzen, ich kenne ja bis jetzt nur ihn und Miguel.

„Kaffee? Mr. Bolder?“ fragt er und schaut mir forschend ins Gesicht, als ich mich ihm gegenüber auf einem Hocker niederlasse.

„Gerne, Mr. Dunaway, ein kleiner Wachmacher am Morgen hat noch nie geschadet.“ lächle ich ihn an und versuche möglichst locker zu klingen, so als hätte es die kleine Unterhaltung im Waschzelt gar nicht gegeben.

Verkrampft versuche ich eher an die entspannte Stimmung von gestern Abend anzuknüpfen, während ich nach einem der angebotenen Croissants greife und Mr. Dunaway mir schwarzen Kaffee in die riesige Tasse eingießt, die vor mir steht.

„Sie lieben frische Croissants?“ fragt er und seine grünen Augen blicken mir noch immer interessiert ins Gesicht.

„Nun ja, eigentlich schon, nur hatte ich sie zu Hause eher selten. In Philadelphia bestand mein Frühstück meistens aus Toast, Knäckebrot und notfalls Müsli, das ich eigentlich gar nicht mag.

Ich habe es nur gegessen, wenn nichts anderes da war, weil ich in der Regel morgens meistens zu spät dran war um noch kurz zum Bäcker um die Ecke zu gehen. Also habe ich eben gegessen, was gerade da war.“ sage ich und mache eine entschuldigende Handbewegung, während ich herzhaft in das noch warme köstliche Croissant beiße, das Miguel offenbar gerade eben erst frisch gebacken hat.

„Meine Tochter Saundra liebt Croissants, vor allem die von Miguel über alle Maßen! Sie kommt übrigens Morgen ebenfalls hier her.“ bemerkt Mr. Dunaway lächelnd, fast wie beiläufig.

„Ihre Tochter kommt hierher?“ frage ich erstaunt und bin schon wieder völlig perplex.

„Dann gehört wohl ihr das Zelt, das zwischen unseren beiden liegt?“

„Richtig erfasst Mr. Bolder, das Zelt ist für meine Tochter vorgesehen, die mich gerne bei meinen Expeditionen besucht und meine Leidenschaft für Archäologie und Ausgrabungen teilt.

Sie arbeitet immer wieder einmal in Los Angeles und San Francisco als Model, obwohl es mir lieber wäre, sie würde endlich ihr abgeschlossenes Betriebswirtschaftsstudium dazu nutzen um in meine Fußstapfen zu treten und bei der Börse oder wenigstens in mein Unternehmen einzusteigen.

Nur leider konnte ich sie bis jetzt noch nicht dazu bewegen.“ sein Blick wandert fast traurig auf seine Hände die in einer Schale herumstochern, welche Kartoffelscheiben mit Pilzen und Bohnen enthält, die mit Ei gestockt wurden und mit etwas, das aussieht wie Sour Cream und Käse überbacken wurden.

Fast augenblicklich bekomme ich Lust darauf das auch zu probieren, denn in Philadelphia oder auch vorher in Ägypten ist mein Frühstück noch nie so reichhaltig ausgefallen.

Aber nach der Chicha-Einlage von gestern Abend, habe ich einen Bärenhunger und winke Miguel zu mir heran.

„Miguel, könnte ich bitte auch so etwas haben?“ frage ich und deute dabei auf Mr. Dunaways Frühstück.

„Sí, natürlich Señor Bolder! Madre Tierra, kommt sofort!“

Miguel wuselt davon und ich freue mich jetzt richtig auf diesen ersten Tag im mexikanischen Regenwald, der so völlig neu für mich ist.

Ganz anders als die Sandwüste von Ägypten, obwohl ich gerade mit dem Begriff „Madre Tierra“ nichts anfangen kann und Miguel fragend nachblicke.

Mr. Dunaway lächelt mir erneut ins Gesicht.

„Es freut mich sehr, dass es Ihnen offenbar bei uns hier gefällt! Sie werden sehen, diese Arbeiter…“ er macht eine kurze Pause und blickt in die Runde der Indios, die sich angeregt miteinander unterhalten und immer wieder zu Mr. Dunaway und mir herüber schauen.

„… wir alle, sind schon lange eine fest eingeschworene Gemeinschaft. Diese Indios vom Volk der Lacandonen sind angeblich echte Nachfahren der Maya, welche einst Palenque erbaut haben und ich kennen uns schon lange Jahre und wir haben in der Vergangenheit schon so einiges miteinander ausgegraben.

Ich habe eigentlich nur noch den Wunsch, dass Sie Mr. Bolder ebenfalls ein Teil des Ganzen werden.“

Er sieht mich mit seinen dunkelgrünen Augen neugierig an und das Glitzern, das er gerade noch im Waschraum in den Augen hatte ist völlig verschwunden.

Stattdessen ist der kumpelhafte Mr. Dunaway von gestern Abend plötzlich wieder da.

Na, da bin ich aber mal gespannt was das noch werden soll, wenn ich nicht einmal meinen Auftraggeber richtig einschätzen kann.

Miguel kommt mit der Schale „Madre Tierra“ heran und stellt sie mit einem Lächeln vor mir ab.

„Buen apetito, Señor Bolder!“ und entfernt sich schwitzend wieder Richtung Holz-Herd.

„Vorsicht Mr. Bolder, das ist erst einmal sehr heiß. Ich möchte nicht, dass Sie sich gleich am ersten Tag den Mund verbrennen und Miguels Köstlichkeiten nicht mehr genießen können. “ grinst mich Mr. Dunaway verschmitzt an und macht eine einladende Bewegung mit dem Kopf.

„Danke für die Warnung! Ich dachte mir schon, dass es heiß sein könnte, wenn es überbacken ist.“ lächle ich zurück und nehme meinen Löffel in die Hand um ein Stück von „Madre Tierra“ abzustechen.

Vorsichtig blase ich es erst einmal auf Esstemperatur herunter und stecke es mir in den Mund. Hmm, ist das köstlich, Miguel ist tatsächlich ein hervorragender Koch und ich beschließe, dass dies künftig mein tägliches Frühstück sein wird.

„Was haben Sie den jetzt zuerst vor? Vielmehr, was wollen Sie sich zuerst ansehen?“ fragt Mr. Dunaway neugierig.

„Ich weiß noch nicht, mal sehen, vielleicht hänge ich mich einfach an den Touristenstrom. Möglicherweise erfahre ich dann sogar Dinge, die ich bisher noch nicht gelesen habe.“ antworte ich ungezwungen.

„Das halte ich für eine ausgezeichnete Idee. Die Reiseführer hier sind sehr gut informiert, obwohl sie durchaus nicht alles wissen, aber immerhin doch eine ganze Menge. Es sind jedoch nicht jeden Tag Touristen hier, da müssen Sie Glück haben um eine Reisegruppe zu erwischen.“

Wieder lächelt mich Mr. Dunaway an, wobei seine dunkelgrünen Augen wieder ein gewisses Maß von diesem seltsamen Glitzern annehmen.

Ich esse weiter an meinem Frühstück, bis nichts mehr davon übrig ist und wische mir den Mund mit der bereitliegenden Serviette ab.

„Ich werde mir wohl erst einmal meinen ausgedruckten Plan von Palenque aus meinem Zelt holen und ein wenig von der Literatur, die ich darüber dabei habe und mache mich dann auf die Socken.

Bitte entschuldigen Sie mich! Ich denke, wir werden uns zum Lunch wieder hier treffen?“ gebe ich ihm zur Antwort, wobei ich aufstehe und mich dem Ausgang zuwende.

„Oh ja, sicher. Bis heute Mittag.“

Mr. Dunaway steht ebenfalls auf um mir die Hand zu reichen und sich anschließend seinen Arbeitern zuzuwenden.

Demnach verlasse ich also das Küchenzelt und begebe mich in mein eigenes Zelt um als erstes meinen Laptop hochzufahren und meine E-Mails zu checken, aber es ist nichts Interessantes dabei, außer natürlich wieder einer Mail von meiner Mum!

Genervt öffne ich sie.

Absenderadresse: Laura Bolder

Datum: 14. Oktober 2014 EDT 6.15 a.m.

Empfänger: Matt Bolder

Betreff: Hurrikan hat sich abgeschwächt

Mein lieber Matt,

ich freue mich, dass es dir gut geht und du dich mit deinem Auftraggeber offenbar gut verstehst.

Auch dass du ein schönes Bett hast, dabei denke ich an deinen Rücken, der dich manchmal in Ägypten so geplagt hat.

Der Hurrikan über der Karibik hat sich, laut den Nachrichten, offenbar wieder abgeschwächt. Das beruhigt mich ein wenig. Pass weiterhin gut auf dich auf.

Deine dich liebende Mum, Laura!

Ich beschließe meiner Mum erst heute Abend wieder zu schreiben. Denn wenn ich jedes Mal sofort zurück schreibe deckt sie mich täglich mit unzähligen E-Mails ein, aber dazu habe ich weder die Zeit noch Lust darauf.

Es ist ja schön, dass sie sich sorgt und sich so um mich kümmert. Aber sie tut immer noch, als wäre ich erst zehn Jahre alt und das geht mir manchmal ganz gehörig auf die Nerven, auch wenn sie das wohl nie verstehen wird.

Somit fahre ich meinen Laptop wieder herunter und suche nach einer Steckdose um den Akku zu laden, jetzt wo offenbar Strom fließt, denn ich höre ganz in der Nähe ein Radio laufen.

Nach einigem Suchen finde ich tatsächlich eine Verlängerungsleitung mit einer Steckdose an die ich meinen Laptop letztendlich anschließe in der Hoffnung, dass aus dieser Leitung auch wirklich Strom herauskommt.

Doch das grüne Blinklicht des Akkus sagt mir, dass es wohl so sein muss.

Ich suche meinen Lageplan von Palenque heraus und den Reiseführer den ich noch kurz vor meiner Abreise in Philadelphia gekauft habe und mache mich endgültig auf den Weg zu den Sehenswürdigkeiten.

Ganz in der Nähe vom „Tempel der Inschriften“, meinem künftigen Arbeitsplatz vor dem wir lagern, liegt der sogenannte „Palast“, zu dem ich mich zuerst begebe, weil ich gerade eine kleine Touristengruppe hineingehen sehe und ich die Hoffnung habe, durch den Reiseführer einiges mehr zu erfahren.

Von daher folge ich also der Gruppe mit schnellen Schritten, doch als ich näher komme stelle ich enttäuscht fest, dass der Reiseführer spanisch spricht und ich leider kein einziges Wort verstehe von dem was er sagt. Also lasse ich die Reisegruppe wieder von dannen ziehen und versuche mir selbst ein Bild zu machen.

Ich nehme meinen Reiseführer und lese den Abschnitt über den Palast der etwa eine Grundfläche von einhundert mal achtzig Metern besitzt.

In einem von mehreren Innenhöfen ragt ein Turm empor, der vermutlich zur Zeit der Maya als Observatorium genutzt wurde.

Damit setze ich mich erst einmal Richtung Innenhöfe in Bewegung um den Turm in Augenschein zu nehmen.

Danach sehe ich mir noch drei Stuckreliefs an, die sich ebenfalls im Palast befinden und verschiedene Herrscher der Maya zeigen.

Insgeheim muss ich zugeben, dass ich schwer beeindruckt davon bin was die künstlerischen Fertigkeiten der damaligen Handwerker anbelangt.

Nachdem ich mir den Palast eingehend angesehen habe, gehe ich weiter zu der sogenannten Kreuzgruppe, die südöstlich des Palastes liegt. Sie besteht aus drei Tempeln, die einen weiten Platz begrenzen und auf einer Stufenplattform thronen.

Die drei Bauten werden auch Sonnentempel, Tempel des Blätterkreuzes und Kreuztempel genannt und sie sind alle drei im gleichen Stil errichtet worden.

Jeder einzelne besitzt an der Rückwand im Inneren ein dreiteiliges Relief, ebenfalls aus Stuck und mein Reiseführer verrät mir, dass es sich bei den zahlreichen Hieroglyphen hauptsächlich um Kalenderdaten handeln soll.

Ich betrachte die Hieroglyphen eingehend, doch sie unterscheiden sich sehr deutlich von den ägyptischen und sie sagen mir erst einmal gar nichts, womit ich die Kreuzgruppe wieder verlasse und zufällig auf meine Uhr sehe.

Verwundert stelle ich fest, dass es tatsächlich schon Mittag ist und ich mehrere Stunden in den Ruinen zugebracht habe, ohne dass mir das groß aufgefallen wäre, so interessant finde ich sie und ihre Stuckreliefs.

Aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit gehe ich großen Schrittes wieder auf das Camp zu und bemerke, dass die indianischen Arbeiter bereits beim Essen sitzen.

Ebenso wie Mr. Dunaway, womit ich zunächst ins Waschzelt gehe und mir die Hände wasche bevor ich mich im Küchenzelt am Tisch von Mr. Dunaway niederlasse.

„Nun, Mr. Bolder, wie finden Sie Palenque?“ fragt er wissbegierig.

„Sehr interessant muss ich sagen. Sogar so aufschlussreich, dass ich gar nicht gemerkt habe wie schnell die Zeit vergangen ist.“ antworte ich grinsend.

Miguel stellt einen Teller mit Enchiladas und Reis vor mich hin, welches wieder einmal sehr lecker aussieht und ich mich mit Heißhunger darüber her mache.

Es hat zwar eine gewisse Chili-Schärfe, schmeckt aber hervorragend.

„Also ich muss sagen … Miguel ist ein begnadeter Koch, seine Enchiladas sind genauso Spitzenklasse, wie das Frühstück heute Morgen.“ bemerke ich nebenbei.

„Ja, das finde ich auch, deshalb habe ich ihn ja engagiert.“ ein amüsiertes Lächeln umspielt die Mundwinkel von Mr. Dunaway.

„Was haben Sie sich für heute Nachmittag vorgenommen?“

„Ich weiß noch nicht! Eigentlich sollte ich mich so langsam dem Tempel der Inschriften widmen, aber ich habe gelesen, dass bisher nur etwa fünfzehn Prozent von Palenque freigelegt wurde.

Deshalb würde mich das Umfeld und der Rand des Dschungels sehr interessieren.“ sage ich voller Tatendrang.

„Gut dass Sie das sagen. Sie sollten sich nämlich nicht allein im Dschungel aufhalten. Ich gehe davon aus, dass Sie noch nie im mittelamerikanischen Regenwald waren oder täusche ich mich da?“ sagt er wieder mit einem Glitzern in den Augen.

„Nein, noch nie! Ist das ein Problem?“ frage ich erstaunt zurück.

„Nun ja, es gibt hier sehr viele gefährliche Tiere, wie Giftschlangen, giftige Spinnen, Pumas, Jaguare und so weiter und mindestens ebenso viele giftige Pflanzen, die man besser nicht berühren sollte.

Ich gebe Ihnen am besten Hernán mit, der kennt sich im Dschungel bestens aus und weiß sich mit Händen und Füßen zu verständigen.“ stellt er fest und winkt einem etwa dreißigjährigen Indio heran, der ungefähr einen Meter siebzig groß und schlank ist. Er hat natürlich wie alle Indios, schwarzes Haar und bronzefarbene Haut.

Für mich sehen die fünfzehn Arbeiter im Moment noch alle gleich aus, bis auf die unterschiedliche Körpergröße. Aber das ging mir mit den Arabern am Anfang auch so und es dauerte eine Weile, bis ich sie auseinanderhalten konnte.

Mr. Dunaway spricht mit Hernán etwas auf Spanisch was ich nicht verstehe, aber ich kann sehen, dass dieser eifrig nickt und sogleich aus dem Zelt verschwindet.

„Was haben Sie zu ihm gesagt, weil er jetzt weg geht?“ werfe ich ihm einen fragenden Blick zu.

„Ich habe ihn nur gebeten, Sie zu begleiten und möglichst vor wilden Tieren zu beschützen. Ich denke er geht jetzt in sein Zelt und holt seinen Bogen und seine Machete.“

Ich schlucke erst einmal schwer.

Bogen und Machete?

„Ist es wirklich so gefährlich?“

Mr. Dunaway runzelt die Stirn und sieht mich von unten her an.

„Vertrauen Sie mir etwa nicht Mr. Bolder?“ fragt er und in seiner Stimme liegt ein Anflug von etwas drohendem, so wie heute Morgen im Waschzelt.

„Oh, doch natürlich, entschuldigen Sie. Ich hätte nur nicht erwartet, dass die Tiere so nah an das Camp herankommen.“ sage ich schnell.

Mr. Dunaway lächelt wieder und schüttelt leicht mit dem Kopf.

„Mr. Bolder, wenn wir das Camp nicht rund um die Uhr bewachen würden, dann würden einige Tiere zumindest nachts sogar hier herumspazieren.

Ich möchte nur nicht, dass Ihnen irgendetwas passiert schließlich brauche ich Sie noch. Hat es in Ägypten denn keine gefährlichen Tiere gegeben?“ fragt er mich neugierig.

„Doch durchaus! Natürlich gab es da auch Schlangen und Skorpione, aber die Camps wurden rundherum täglich mehrmals gesäubert.

Ich bin jedenfalls nie einem gefährlichen Tier begegnet und im ganzen Umfeld war ja meistens nur überschaubare Wüste und kein Wald, da mögen Sie schon Recht haben.

Tut mir leid, daran habe ich nicht gedacht.“ antworte ich verlegen.

Hernán taucht im gleichen Augenblick wieder im Küchenzelt auf und sieht wie ein Maya-Krieger aus, der aus einer fernen Zeit kommt.

Er trägt einen Lendenschurz, der Oberkörper ist nackt und er hat um die Fuß- und Handgelenke Muschelschellen gebunden.

Auf dem Rücken trägt er einen Köcher mit Pfeilen und einen großen Bogen mit dem er sie abschießen könnte, wenn es nötig wäre.

Um die Hüften hat er sich einen Gürtel mit einem Halfter gebunden in dem eine große Machete steckt, mit der er Buschwerk und Lianen zerteilen kann.

Sogar sein Gesicht und seinen Körper ziert eine auffällige dunkle Bemalung. Einzig auf seinem Kopf fehlt der reichhaltige Federschmuck, der aus ihm einen wahren Maya-Krieger gemacht hätte.

So zumindest habe ich das Bild in meinem Kopf, das sich mir bei meinen Recherchen im Internet immer gezeigt hat.

Hernán und Mr. Dunaway unterhalten sich wieder auf Spanisch, von dem ich leider kein Wort verstehe und ich nehme mir fest vor, falls dieses Arbeitsverhältnis länger bestehen sollte, nicht nur den Schriftzeichen der Maya, sondern auch der Spanischen Sprache etwas mehr Zeit zu schenken.

Ich beiße also in den letzten Rest von Miguels köstlichen Enchiladas, leere noch eine halbe Flasche Mineralwasser und verabschiede mich von Mr. Dunaway mit einem Kopfnicken.

Daraufhin folge ich Hernán wortlos, welcher stolz in Richtung Urwald voranschreitet und ich etliche Mühe habe mit ihm Schritt zu halten.

Wir erreichen nach etwa fünfzehn Minuten den Rand des Urwaldes wo ich bereits die überwucherten letzten Überreste eines weiteren Tempels sehe.

Ich kann eigentlich gar nicht verstehen warum sich die mexikanische Regierung nicht mehr darum kümmert und die Stadt weiter ausgraben lässt, beziehungsweise vom überwuchernden Urwald befreien lässt.

Bevor wir in den Wald eintauchen zieht Hernán seine Machete und bedeutet mir mit den Händen, dass ich ihm folgen soll und auch nur dort hintreten soll wo er vor mir seinen Fuß hinsetzt.

Er sieht mich dabei mit seinen schwarzen Augen eindringlich an, bis ich ihm mit einem Kopfnicken bedeute, dass ich ihn verstanden habe.

Er stampft zunächst mit den Füßen, so dass die Muschelschellen rasseln und ich bemerke wie rund um uns herum einiges Getier davonhuscht.

Jetzt verstehe ich die Bedeutung der Schellen erst so richtig, denn ich dachte die Maya hätten sie nur bei rituellen Tänzen getragen, aber dass sie auch eine andere Funktion haben hatte ich nirgendwo gelesen.

Hernán stapft, seine Machete schwingend voraus, direkt in den dichten Wald mit seinem Gestrüpp hinein und ich versuche genau darauf zu achten, wo er seine Füße hinsetzt.

Doch dann muss ich mir leider gefallen lassen, dass mich der eine oder andere Dornenzweig schmerzhaft im Gesicht und an den Armen streift.

Nach etwa vier- oder vielleicht fünfhundert Metern stehen wir erneut vor einem Tempel, der bereits zum Teil von Gestrüpp und Bäumen befreit ist und ich sehe Hernán verwundert an.

Am liebsten würde ich ihn fragen, ob Mr. Dunaway dafür verantwortlich ist, aber leider spreche ich kein Spanisch und Hernán kein Englisch, also muss ich mir die Frage bis heute Abend aufheben.

Den Tempel genauer betrachtend trete ich näher an ihn heran und nachdem Hernán mich nicht zurückhält, wird dort wohl auch keine Gefahr für mich bestehen.

Obwohl er mir trotzdem dicht folgt und kräftig mit seinen Muschelschellen klimpert, damit auch die letzte Schlange und Eidechse Reißaus vor uns nimmt.

Ich nehme die Außenseite des Tempels genauer in Augenschein und kann viele Inschriften und Steinreliefs entdecken, die jedoch einer gründlichen Restauration bedürfen.

Soweit wie möglich gehe ich um den Tempel herum, wobei ich jedoch weder Türen noch Fenster finden kann, was vielleicht auch daran liegen kann, dass noch mehr als die Hälfte des gewaltigen Baues von Gestrüpp und kleineren Bäumen bewachsen ist.

Die nur zu erahnende Form des Bauwerkes könnte allerdings auch vermuten lassen, dass es sich mehr oder weniger um eine Stufenpyramide handelt und es deshalb keinen Zugang gibt.

Am Ausgangspunkt angekommen bedeute ich Hernán weitergehen zu wollen und er schlägt uns mit seiner Machete erneut einen Weg durch den Dschungel.

Dabei erhasche ich immer wieder einen Blick auf noch mehr zugewachsene Ruinen und ich bin schon jetzt erstaunt davon, wie groß die antike Stadt einmal gewesen sein muss.

Somber Side of Love

Подняться наверх