Читать книгу Somber Side of Love - M. B. Bolder - Страница 6
Kapitel 4
ОглавлениеMiguel setzt sich neben mich und hält mir seinen Tiegel mit der grünen wohlriechenden Paste unter die Nase.
„Señor Bolder?“
Bereitwillig halte ich ihm erneut meine schmerzende Wange hin, die er auf die gleiche Weise behandelt wie heute Morgen und mir mit einem Kopfnicken bedeutet, dass er fertig ist.
Somit gehe ich also zu meinem Zelt, mache es mir zunächst auf dem Bett bequem und sehe nach meinem E-Mails, denn heute Morgen hatte ich nach der Sache mit dem Puma keine Nerven mehr dafür.
Es ist wieder nichts Interessantes dabei und heute ist nicht einmal eine Mail von meiner Mutter gekommen. Sie wird es doch nicht eingesehen haben, dass sie mich nicht ständig bemuttern muss wie ein kleines Kind?
Folglich hole ich mir noch einmal einen wissenschaftlichen Artikel über den Tempel der Inschriften auf den Bildschirm und beginne ihn zu studieren.
Allerdings kann ich mich überhaupt nicht auf den Text konzentrieren, meine Gedanken wandern ständig zu Saundra und mir ist immer noch heiß, so dass mir der Schweiß ausbricht.
Was für ein Rasseweib!
Aber sie ist bestimmt schon vergeben!
Solche Frauen haben sicher keine Schwierigkeiten einen Partner zu finden, außerdem sollte ich sie mir ohnehin aus dem Kopf schlagen, wie sie die Tochter meines Chefs ist.
Ich fahre also meinen Rechner wieder herunter, verstaue ihn wie gewohnt unter meinem Bett und gehe nach draußen um nach Hernán zu suchen, der das GPR ausgeladen hat.
Vielleicht kann ich mich wenigstens etwas mit der Bedienungsanleitung auseinandersetzen.
Es dauert nicht lange bis ich ihn gefunden habe, er sitzt unter einem großen Zapote-Baum, kaut auf einem Stück Kautabak herum und unterhält sich mit drei anderen Indios.
Als ich auf ihn zugehe blickt er mir interessiert entgegen, vermutlich wundert er sich darüber was ich von ihm will, wenn ich nicht einmal seine Sprache spreche.
Deshalb versuche ich mich zunächst mit Händen und Füßen auszudrücken, deute mit den Händen ein Viereck an für den Karton und mache eine Geste, als würde ich ein Buch öffnen und lesen. Aber Hernán schüttelt nur mit dem Kopf, er versteht mich nicht, also muss ich etwas anderes versuchen.
„Fernando Rodriguez? Wo?“ frage ich und damit erhellt sich sein Gesicht.
Er springt auf und rennt zu den Zelten der Arbeiter wo er vor einem bestimmten Zelt halt macht und laut „Fernando!“ ruft.
Es dauert einen Moment bis eine Hand erscheint, welche die Zeltplane zur Seite schiebt und Fernando auf allen Vieren daraus herauskrabbelt, wobei er sich mit der anderen Hand den Schlaf aus den Augen reibt.
„Fernando tienes que hablar en ingles!“ fordert Hernán andH
ihn auf.
„Señor Bolder? Worum geht es? Wie kann ich Ihnen helfen?“ fragt er schläfrig und ich staune nicht schlecht, er spricht sehr gutes Englisch.
„Fernando, ich brauche die Bedienungsanleitung für das GPR-Gerät das Hernán heute Mittag mit seinen Leuten aus dem Jeep von Mr. Dunaway ausgeladen hat.“
Er hebt die Hand, steckt einen Zeigefinger und überlegt.
„Moment Señor.“ er wendet sich an Hernán und spricht auf Spanisch mit ihm.
„Folgen Sie mir bitte, Señor!“ sagt er daraufhin.
Er geht voran bis zu einem größeren Zelt in dem die Geräte und Werkzeuge für die Ausgrabung untergebracht sind und schaut sich suchend um, bis er den großen Karton mit dem GPR gefunden hat.
„Die Anleitung muss noch im Karton sein, denn das ist die Original-Verpackung. Soll ich sie aufmachen, Señor?“ fragt er, wobei er bereits nach einem Teppichmesser greift.
„Ja, natürlich, es muss ja sowieso ausgepackt werden, wir wollen heute Nachmittag damit arbeiten.“ antworte ich schnell.
Fernando schlitzt die Verpackung auf und tatsächlich liegt ganz oben die bereits ersehnte Bedienungsanleitung, welche ich in die Hand nehme und wieder nach draußen gehe, weil es mir hier drinnen viel zu warm ist.
„Danke Fernando, das wäre im Moment alles.“ rufe ich ihm dankbar lächelnd zu und er stapft wieder zu den kleineren Zelten der Arbeiter zurück.
Mit dem Rücken an den Stamm gelehnt setze ich mich unter eine Eiche auf den Boden und beginne mich interessiert der Anleitung zu widmen.
Doch nach etwa einer Viertelstunde wandert meine Hand bis zu dem Pflaster, das mir Miguel heute Mittag auf die Wange geklebt hat.
Dieser verdammte Kratzer juckt und brennt gleichzeitig inzwischen wie Feuer und fühlt sich heiß an.
Auch mir ist plötzlich noch heißer als vorhin schon, noch mehr Schweiß tritt auf meine Stirn und ich empfinde allmählich unsäglichen Durst.
Mühsam rapple ich mich auf wobei ich merke, dass mir schwindelig wird und ich halte mich erst einmal am Stamm der Eiche fest bis das Schwindelgefühl wieder nachlässt.
Ich sollte vielleicht unbedingt meinen Wasserhaushalt in Ordnung bringen, deshalb gehe ich in das Küchenzelt zu Miguel und frage nach einer Flasche Wasser.
„Oh, Señor Bolder! Sie nix gut aussehen. Setzen! Por favor!“ sagt er besorgt und ich lasse mich auf einen Hocker fallen, stütze meinen Ellenbogen auf den Tisch und lasse meinen Kopf in meine Hand sinken.
Mein ganzer Kopf fühlt sich unheimlich heiß an und mir schwant plötzlich Böses.
Scheiße!
Ich kann doch nicht ausgerechnet jetzt ganz am Anfang der Ausgrabung auch noch krank werden?
Miguel bringt mir eine Flasche Wasser und ein großes Glas in das er mir eingießt, wobei er sich mir gegenüber setzt und erst einmal abwartet, bis ich ausgetrunken habe.
Danach besieht er sich meine Wange, entfernt das Pflaster und schüttelt mit dem Kopf.
„Das nix gut! Señor! Pflanze Gift!“ er runzelt besorgt die Stirn und schaut mich mitleidig mit seinen großen schwarzen Augen an.
Oh, nein! Bitte nicht auch das noch!
Mr. Dunaway hatte mich ja gewarnt und ich habe nicht gut genug aufgepasst. So ein verdammter Mist!
Miguel steht auf und greift mir mit beiden Händen unter die Achseln.
„Ich bringe Bett dich, Señor!“
„Nein Miguel, ich muss doch heute noch arbeiten!“ flehe ich ihn an, obwohl ich deutlich spüre, dass er natürlich Recht hat.
„Nix Widerrede!“ sagt er scharf und zieht mich mit sich.
Damit stütze ich mich mit meinem rechten Arm auf seiner Schulter auf, wobei ich mich mit der Linken mehr an der Bedienungsanleitung festhalte, als dass ich sie halte.
Miguel schleppt mich in mein Zelt und lässt mich auf das Bett plumpsen, wobei ich sofort meinen Oberkörper nach hinten fallen lasse, denn mir ist unheimlich schwindelig.
„Señor Dunaway!“ höre ich Miguel noch wie aus weiter Ferne rufen, dann wird es dunkel um mich herum.
„Saundra!“ höre ich plötzlich Mr. Dunaways aufgeregte Stimme neben mir.
„Ruf’ den Arzt aus Palenque-Stadt, ich habe das Gefühl Miguels Pasten helfen hier nicht mehr weiter. Ihn hat wohl doch eine Giftpflanze erwischt! Miguel hole mir bitte Hernán, vielleicht kann der sich erinnern, an welchen Pflanzen sie gestern vorbeigeko...“
Ich höre zwar noch seine Stimme, kann aber nicht mehr verstehen was er sagt.
„Nachdem was Hernán erzählt hat…“ höre ich nach einem zeitlich nicht einzugrenzenden Dämmerzustand eine fremde Stimme neben mir von einer Person, die offenbar auf dem Bettrand sitzt.
„…gehe ich von einer besonders giftigen Form der Dieffenbachie aus, auch Caladium seguinum genannt, sie entfaltet ihre Wirkung erst nach etwa vierundzwanzig Stunden, was hier offensichtlich zutrifft.
Nachdem es sich um einen ziemlich tief gehenden Kratzer handelt ist das Gift offenbar nicht nur oberflächlich auf seine Haut, sondern möglicherweise in seine Blutbahn gelangt, das würde das hohe Fieber erklären.
Ob der Kratzer von der Pflanze selbst oder das Gift erst danach dorthin gelangt ist, kann ich nicht feststellen und macht auch keinen Unterschied.
Ich habe ihm jetzt ein Medikament gespritzt das hoffentlich schnell hilft und gebe ihm eine Cortisonsalbe für die Haut, damit er eine nicht allzu hässliche Narbe zurückbehält.
Geben Sie ihm viel zu trinken und lassen Sie ihn am besten nicht allein. Sollte sich sein Zustand verschlechtern, rufen Sie mich bitte sofort an, egal ob bei Tag oder Nacht! Haben Sie verstanden!
Dann müssen wir ihn sofort in die Klinik nach Villahermosa bringen, aber ich sehe mich heute Abend noch einmal nach ihm um.“
„Danke Doktor Morales, dass Sie so schnell kommen konnten.“
Ich erkenne Mr. Dunaways Stimme, aber ich kann mich nicht bemerkbar machen.
Ich bin zwar wach, aber ich bin wie gelähmt!
„Ich hätte nicht gedacht, dass sich dieser vorerst harmlose Kratzer jetzt fast als lebensgefährlich herausstellt und vor allem nicht so schnell.“ stellt Mr. Dunaway weiter fest.
„Nun ja, es gibt im Regenwald immer noch unzählige Pflanzen, die im weiteren Sinne noch nicht entdeckt wurden und deren Wirkung wir noch nicht kennen.
Sollte irgendjemand von Ihnen noch einmal an dieser Pflanze vorbeikommen, hätte ich gerne eine Probe davon, die ich in ein Labor schicken kann um die Wirkungsweise herauszufinden.“ sagt die unbekannte Stimme.
„Ich schicke Hernán sofort los um sie zu finden. Er wird vorsichtig genug sein sie selbst nicht zu berühren, vielleicht können wir Mr. Bolder dann damit helfen.
Es würde mir unendlich leidtun für ihn, wenn Sie ihm nicht helfen könnten, denn ich mag den Mann, er ist sehr sympathisch.“ antwortet Mr. Dunaway.
„Gut Mr. Dunaway. Sobald sie etwas haben schicken sie es mir und wie gesagt, sollte sich an seinem Zustand etwas ändern informieren Sie mich bitte sofort! Auf Wiedersehen!“
„Auf Wiedersehen! Doktor Morales.“
Ich kann noch hören wie sich die beiden Personen von mir entfernen und mich offenbar erst einmal allein zurücklassen.
Na, wunderbar!
Die rechnen schon damit, dass ich sterben könnte und das alles bloß wegen so einem scheiß Kratzer im Gesicht und einer giftigen Pflanze!
Oh Mann, ich will nicht sterben!
Hätte ich doch bloß besser aufgepasst, es darf nicht ausgerechnet so mit mir zu Ende gehen.
Warum kann ich mich nicht bewegen und warum schaffe ich es nicht einmal die Augen zu öffnen? Ich bin doch wach!
Ich versuche zu schlucken, aber selbst das funktioniert nicht, ich bin vollkommen gelähmt!
Jemand setzt sich zu mir auf die Bettkante, ich spüre jedenfalls einen Körper neben mir und die Matratze senkt sich ein wenig.
Es wird mir etwas Kaltes auf die heiße Stirn gelegt und eine leise Stimme raunt mir zu „Matt? Können Sie mich hören?“
Eine liebliche Frauenstimme dringt an mein Ohr … das muss Saundra sein und sie sorgt sich offenbar um mich.
Mein Herz macht gerade einen Salto und setzt für einen kurzen Moment aus.
Ja, sie muss es sein, denn ich kann ihr betörendes Parfum riechen.
„Matt, es wird alles wieder gut! Der Doktor ist ganz guter Dinge!“
Wie bitte? Guter Dinge? Für mich hat sich das gerade ganz anders angehört!
„Sie müssen kämpfen, wir brauchen Sie doch noch bei den Ausgrabungen!“ säuselt die weibliche Stimme weiter.
Na super! Da habe ich mich aber gerade ganz gewaltig getäuscht!
Ich dachte es ginge ihr um mich als Menschen, aber sie ist genauso wie ihr Vater und es geht ihr nur um die Ausgrabung und um das was vielleicht noch dahintersteckt, während ich inzwischen scheinbar um mein Leben ringe.
Die Müdigkeit überwältigt mich wieder und eine neue Dunkelheit greift wie eine riesige Hand nach mir.
Sieht so das Ende des Lebens aus?
„Seine Augenlider flattern Dad, er wird vielleicht endlich wach!“ höre ich Saundras freudige Stimme, als ich das nächste Mal versuche die Augen zu öffnen und sie legt mir wieder etwas Kaltes auf die Stirn.
„Wir sollten ihn aufrichten und versuchen ihm noch einmal Miguels Tee einzuflößen.“
Mr. Dunaways Stimme klingt sanft und besorgt und ich schaffe es immer noch nicht meine Augen ganz zu öffnen.
Das kalte Etwas wird wieder von meiner Stirn genommen und Hände greifen nach meinen Schultern. Sie heben mich empor und stützen mich an eine männliche Brust, während man versucht mir eine Tasse an die Lippen zu setzen und mir etwas einzuflößen.
Es schmeckt fürchterlich bitter, aber ich schlucke verzweifelt, denn ich habe entsetzlichen Durst.
Das Trinken strengt mich allerdings so sehr an, dass mir der Schweiß am ganzen Körper ausbricht.
„Endlich trinkt er wenigstens wieder richtig, sein Körper schien die letzten zwei Tage wie gelähmt gewesen zu sein, in allen Bereichen.“ flüstert Saundra erleichtert.
„Warte, Dad, ich versuche ihm noch mehr einzuflößen, er muss ja schon ganz ausgetrocknet sein.“
Erneut spüre ich den Rand der Tasse an meinen Lippen und ich nehme noch einmal alle Kraft zusammen um die Flüssigkeit in meine Kehle rinnen zu lassen.
Erschöpft spüre ich gerade noch, dass man mich wieder auf die Kissen sinken lässt und mir neuerlich etwas Kaltes auf die Stirn gelegt wird um wiederholt in ein traumloses Niemandsland einzutauchen.
Als ich wiederum wach werde, gelingt es mir endlich die Augen zu öffnen und mein Kopf fühlt sich an wie in Watte gepackt, dennoch versuche ich mich umzusehen und es scheint hell zu sein, also muss es Tag sein.
Wie lange habe ich geschlafen?
Finster kann ich mich daran erinnern, dass ich Saundra irgendetwas von zwei Tagen habe reden hören, aber ich habe keine Ahnung wie lange ich wirklich im Reich der Dunkelheit war.
Deshalb versuche ich mich aufzurichten, weil ich aus der momentanen Perspektive niemanden entdecken kann.
Nur mühsam kann ich mich auf den rechten Ellenbogen stützen und sehe Saundra auf dem Boden kauernd neben meinem Bett.
Sie birgt ihren Kopf auf die angewinkelten Arme und liegt offenbar schlafend auf der Matratze ganz nah neben mir. Unvermittelt muss ich schmunzeln, denn sie hat scheinbar die ganze Zeit bei mir verbracht.
Sie muss sogar die ganze Nacht auf der Erde sitzend neben mir ausgeharrt haben und hat auf mich aufgepasst, also scheine ich ihr als Mensch doch nicht so ganz egal zu sein.
Ich lasse mich aufatmend auf mein Kissen zurückfallen, weil mich diese Körperhaltung unheimlich anstrengt und strecke instinktiv die Hand nach ihrem Kopf und ihrem wunderbaren Haar aus.
Mein Gefühl sagt mir, dass ich sie ganz einfach berühren muss, jetzt wo ich wieder unter den Lebenden weile und von dieser Stellung aus kann ich es aussehen lassen wie zufällig.
Langsam schiebe ich meine rechte Hand in ihre Richtung und berühre leicht ihr seidenweiches Haar, wobei sie sofort aus dem Schlaf hochschreckt.
„Matt?“ ruft sie aus und springt auf.
Sie setzt sich augenblicklich neben mich, stützt ihre Arme auf beide Seiten meines Körpers, wobei ihre langen schwarzen Haare nach vorne auf meine Brust fallen und blickt mir lächelnd direkt in die Augen.
„Endlich sind Sie wieder ansprechbar! Ich dachte schon, Sie wollen gar nicht mehr aufwachen und ewig schlafen?“ flüstert sie sanft.
Kraftlos versuche ich zu sprechen, doch aus meinem trockenen Hals kommt nur ein heiseres Krächzen.
Mir fällt jedoch auf, dass sie nicht mehr das heiße Outfit trägt, mit dem sie hier angekommen ist, sondern eine Jeans und ein ärmelloses khakifarbenes T-Shirt.
„Warten Sie Matt! Ich hole Ihnen frischen Tee bei Miguel und wenn Sie erst einmal etwas getrunken haben, wird das mit dem Sprechen sicher besser gehen.“ sagt sie aufgeregt, steht abrupt auf und eilt zum Ausgang.
Dort muss sie zwar mühselig das Fliegengitter öffnen, dreht sich aber beim Hinausgehen noch einmal um und meint lächelnd „Aber bitte nicht wieder einschlafen.“ damit schlüpft sie eilig aus dem Zelt.
Ich lege beide Hände auf mein Gesicht und spüre, dass ich vom Fieberschweiß überall klebe und nach Salz schmecke.
Sie haben mir zwar die Kleider ausgezogen und ich liege nur mit Shorts und T-Shirt da, zugedeckt mit einer dünnen Decke, aber ich habe das Gefühl meinen ganzen Körper umgibt ein Panzer aus Schweiß und Salz.
Selbst wenn ich mir die Lippen lecke schmecke in nur Salz und ich verspüre wieder diesen unsäglichen Durst.
Es dauert ein halbe Ewigkeit und ich habe wirklich Mühe nicht wieder einzuschlafen, bis Saundra endlich mit einem Tablett hereinkommt auf dem eine Kanne und eine Tasse stehen.
„Schön, dass Sie noch wach sind! Ich hatte schon Angst, dass Sie erneut einschlafen und uns wieder für Tage verlassen.“ schenkt sie mir ein unwiderstehliches Lächeln.
Tage?
Ich schlucke schwer, kann aber immer noch nicht sprechen.
Sie stellt das Tablett auf den Boden neben meinem Bett und gießt die Tasse ein.
„Oh, das ist noch sehr heiß, Sie werden sich wohl noch etwas gedulden müssen.“ sagt sie zuckersüß, wendet ihre ganze Aufmerksamkeit der Tasse zu und bläst Luft darauf um die Flüssigkeit schneller abzukühlen.
Ich bin gespannt, ob es wieder so scheußlich schmeckt, wie das was sie mir während meiner Apathie eingeflößt haben und schließe die Augen, obwohl es mir eigentlich egal ist wie es schmeckt, Hauptsache es ist flüssig!
Saundra rüttelt mich sanft an der Schulter und flüstert leise.
„Bitte nicht wieder einschlafen, Matt!“
Mit den Fingern meiner linken Hand reibe ich meine Nasenwurzel um endlich ein wenig Klarheit in meinem Kopf zu bekommen, denn ich nehme immer noch alles wie durch einen Nebelschleier hindurch wahr und öffne abermals meine Augen.
„Sie sollten jetzt etwas trinken!“ raunt Saundra erneut und sie setzt sich neben mich auf die Matratze.
Sie hilft mir dabei mich aufzurichten, wobei sie mir großzügig gestattet meinen Oberkörper zur Stütze an den ihren zu lehnen.
Ein wohliges Gefühl durchströmt meinen Körper und ich fühle endlich meine Lebensgeister zurückkehren, obwohl mir etwas schwindelig dabei wird.
Sie reicht mir die Tasse ohne sie selbst ganz loszulassen und als sich unsere Finger dabei treffen durchströmt es mich wie ein elektrischer Schlag, welcher mich augenblicklich wach macht und den Dunst um mich herum fast verschwinden lässt.
Als ich die Tasse an meine salzigen Lippen setze stelle ich fest, dass Miguels Gebräu immer noch nicht besser schmeckt.
Ich trinke aber Schluck für Schluck brav die ganze Tasse leer, denn ich fühle mich wie ausgedörrt und als ich sie absetze, fragt mich Saundra staunend.
„Mehr?“
Die Augen schließend nicke ich nur schwach.
Sie beugt sich zur Seite ohne mich irgendwie loszulassen, gießt erneut die Tasse voll und beginnt von neuem den abscheulichen Tee mit ihren vollen Lippen zu blasen.
Als er Trinktemperatur erreicht hat reicht sie mir abermals die Tasse. Doch dieses Mal zieht sie ihre Hand zurück als sie merkt, dass ich die Tasse fest im Griff habe und ich setze sie erneut an meine Lippen, um sie mit eiligen Schlucken zu leeren.
„Bitte noch eine!“ presse ich angestrengt hervor, denn der unglaubliche Durst bringt mich fast um den Verstand.
Saundra nickt leicht und macht das gleiche Ritual wie zuvor, ich leere die Tasse erneut bis auf den Grund und sacke erschöpft in mir zusammen.
Saundra zieht ihren Körper hinter mir weg und lässt mich sanft auf die Kissen zurück sinken, wo mir augenblicklich wieder die Augen zufallen.
Aus Ferne höre ich sie nur noch flüstern.
„Schlafen Sie noch ein wenig, aber bitte wachen Sie bald wieder auf.“
Doch dieses Mal plagt mich ein fürchterlicher Albtraum!
Mayakrieger die in voller Kriegsausrüstung gegen berittene Spanier kämpfen und in aussichtsloser Lage sind.
Sie sind eingekesselt und werden mit Dolchen und Lanzen niedergemetzelt wie Vieh, das man in einem Pferch zusammengetrieben hat.
Sie haben mit ihren spärlichen Waffen keine Chance gegen die gut ausgerüsteten Spanier, welche die bescheidenen Behausungen ihrer Familien stürmen und alles plündern, wessen sie habhaft werden können.
Alles was halbwegs wertvoll ist, was nach einem Buch oder nach einem beschriebenen Leporello aussieht, wird gesammelt und auf dem Dorfplatz den alles verzehrenden Flammen überlassen, welches stets ein katholischer Priester überwacht.
Weiterhin werden sämtliche Tempel gestürmt, die Wachen werden brutal niedergemetzelt und die angeblichen „Priester“ der Maya werden ebenfalls auf dem zentralen Platz den Flammen der „Barmherzigkeit“ übergeben.
Die Schreie ihrer Todesangst und das Wehklagen ihrer Frauen und Kinder vermischen sich in ein unglaubliches Wirrwarr meiner eigenen Gefühle, was mich mit einem „Oh Gott, Nein!“ schweißgebadet wieder erwachen lässt.
„Oh my Gosh, Matt? Was um alles in der Welt haben Sie geträumt?“
Saundra rüttelt mich heftig an den Schultern und ich bedecke das Gesicht mit meinen Händen, schüttle mit dem Kopf und flüstere ungläubig.
„Ich weiß es nicht, aber es war schrecklich!“
In dem Moment öffnet sich die Zeltplane und Mr. Dunaway und ein mir unbekannter Mann betreten das Zelt.
„Mr. Bolder? Da freue ich mich aber, dass Sie endlich aufgewacht sind.“ freundlich lächelnd und offenbar erleichtert tritt Mr. Dunaway an mein Bett-
„Sie haben uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt mit Ihrem Zusammenbruch und dass Sie dann gleich zwei volle Tage und Nächte nicht mehr aufgewacht sind. Wir haben uns die allergrößten Sorgen um Sie gemacht.“
Was? Zwei Tage und Nächte? So lange?
Naja, die Sorgen haben sie sich wohl eher um ihre Ausgrabung, als um mich gemacht.
„Lassen Sie mich ihn erst einmal in Ruhe untersuchen Mr. Dunaway. Würden Sie mich dabei kurz mit ihm allein lassen? Danke!“ bemerkt der mir vorerst fremde Mann.
Mr. Dunaway und Saundra verlassen wortlos das Zelt, wobei sich Saundra noch einmal kurz zu mir umdreht und mich anlächelt.
„Guten Tag Mr. Bolder. Ich bin Dr. Morales und ich habe mich die letzten zwei Tage ein wenig um Sie gekümmert. Wie fühlen Sie sich jetzt?“ fragt er sanft und setzt sich zu mir auf das Bett.
Dr. Morales ist ein etwa sechzigjähriger Mexikaner, der eher spanisch aussieht. Er hat relativ helle Haut und kurze, inzwischen graue, wellige Haare. Er trägt eine randlose Brille und verfügt über einen gütigen Blick aus dunkelbraunen Augen.
Ich räuspere mich kurz um sprechen zu können, aber meine Stimme hört sich schwach und leise an.
„Ich kann es gar nicht so genau sagen. Ich fühle mich wohl eher so, als wenn eine Panzer über mich hinweggerollt wäre.“
„Das kann ich mir gut vorstellen. Haben Sie denn am Anfang Ihrer Bewusstlosigkeit noch etwas mitbekommen?“ fragt er interessiert.
„Ja, ich habe Sie gehört. Die Geschichte mit der Giftpflanze und dass es offenbar gar nicht so gut um mich stand. Ich war wach, aber ich konnte mich nicht bewegen und mich nicht bemerkbar machen. Es war alles sehr seltsam.“ flüstere ich immer noch mit tonloser Stimme.
„Ja, auch das kann ich mir gut vorstellen! Wir haben die Pflanze übrigens gefunden deren Gift Sie offensichtlich in den Blutkreislauf bekommen haben und ich habe sie im Labor analysieren lassen.
Sie enthält vor allem ein toxisches Gift das die Nerven und Muskeln lähmt, deshalb konnten Sie sich nicht bewegen.
Zudem dürfen wir uns glücklich schätzen, dass nicht auch die inneren Organe betroffen waren, denn wäre es zu einem Ausfall von nur einem einzigen Organ gekommen würden wir jetzt nicht mehr miteinander reden. Sie hatten großes Glück!“
Oh mein Gott! Ich atme tief aus.
„So schlecht stand es um mich?“ frage ich erschrocken.
Dr. Morales presst die Lippen zu einem feinen Strich zusammen und nickt.
„Ja, es sah zuerst gar nicht gut aus nachdem ich Sie zum ersten Mal sah und am liebsten hätte ich Sie gleich in das nächstgelegene Krankenhaus fliegen lassen. Aber im Endeffekt hätten die Ärzte dort auch nicht mehr machen können als abzuwarten.
Außerdem hatten Sie hier eine ‚Rund um die Uhr Betreuung’, die im Krankenhaus leider fehlt, deshalb hielt ich es für besser Sie hier zu lassen.“ entgegnet er mir sachlich.
„Eine ‚Rund um die Uhr Betreuung’?“ frage ich verwundert.
„Ja, Saundra und Mr. Dunaway haben sich abgewechselt und sind ständig neben ihrem Bett gesessen. Sie haben sehr gewissenhaft beobachtet, ob irgendwelche Veränderungen eintreten und zudem haben sie immer wieder unermüdlich versucht Ihnen Flüssigkeit einzuflößen, was ganz wichtig war.“ sagt er nachdrücklich.
Jetzt bin ich aber erstaunt! Sie haben abwechselnd an meinem Bett gesessen und für mich gesorgt? Möglicherweise habe ich mich in den beiden getäuscht und sie haben doch ein Mitgefühl für ihre Mitmenschen.
„Saundra und Mr. Dunaway? Aber gibt es im Krankenhaus denn nicht Infusionen wegen der Flüssigkeit?“ frage ich immer noch schwach.
Dr. Morales lacht verlegen.
„In den USA oder vielleicht noch in Mexiko-City sicher, aber dort sind wir leider nicht! Hier ist die Versorgung und Betreuung der Patienten im nächstgelegenen Krankenhaus leider nicht so gut.
Hier gibt es nur ein Minimum davon, deshalb war es besser Sie hier zu lassen, denn ob Sie einen Flug nach Mexiko-City überlebt hätten, wage ich sehr zu bezweifeln.“ er schaut mich etwas betreten an und zögert mit der nächsten Frage, bis er sich dann doch dazu entschließt, sie mir zu stellen.
„Haben Sie auch Albträume Mr. Bolder?“
„Also wenn Sie die letzten zwei Tage meinen, dann nicht oder ich kann mich an sie nicht erinnern. Aber heute Morgen nachdem ich das erste Mal richtig wach war und etwas getrunken hatte.“ ich mache eine kurze Pause um nachzudenken.
„Das hat mich so angestrengt, dass ich wieder einschlief und da hatte ich einen schrecklichen Albtraum. Ja! Warum?“
„Nun ja, die Pflanze enthielt unter anderem auch Halluzinogene und es könnte sein, dass sich die Auswirkungen durch das toxische Gift erst einmal verzögert haben. Es könnte sein, dass sie sich erst jetzt zeigen.
Wundern Sie sich daher nicht über Albträume, aber sie können sie getrost abhaken. Das hängt alles mit dem Pflanzengift zusammen und hat nichts mit Ihrer Psyche zu tun. Es könnte sich fast so auswirken wie beispielsweise LSD auf einen Süchtigen.
Die Wirkung wird aber mit der Zeit auch wieder nachlassen, also lassen Sie den Kopf nicht hängen.“ er runzelt wieder zweifelnd die Stirn und schaut mir forschend in die Augen.
„Danke Dr. Morales, dass Sie mir das gesagt haben. Ich hätte diesen Traum sonst überhaupt nicht einordnen können. Jetzt weiß ich wenigstens wo er hin gehört.“ versuche ich leicht zu lächeln.
Dr. Morales erhebt sich wieder und öffnet seine Arzttasche.
„Ich möchte jetzt gerne ihre Vitalfunktionen überprüfen, ist das in Ordnung für Sie?“
„Ja natürlich! Wenn ich dabei keinen Dauerlauf machen muss?“ versuche ich etwas dabei zu grinsen, was mir glaube ich auch gelingt.
„Aha, Sie haben schon wieder Humor, das ist ein gutes Zeichen, dass es jetzt wieder bergauf geht. Ihr Körper hat allem Anschein nach das Gift größtenteils abgebaut und ich denke in ein paar Tagen sind Sie wieder ganz der Alte.“ lächelt er.
Der redet sich leicht!
Im Moment fühle ich mich immer noch unendlich müde, mein Gehirn fühlt sich an als wäre es in Watte gepackt und mein Körper scheint meinen Befehlen immer noch nicht ganz Folge zu leisten, denn meine Beine gehorchen mir noch nicht ganz.
Dr. Morales untersucht mich gründlich und brummt zufrieden.
„Soweit sieht das alles schon ganz gut aus und ihre Körperfunktionen werden nach und nach sicher auch wieder zurückkehren. Verschieben wir das mit dem Dauerlauf lieber noch ein paar Tage!“ grinst er mir zufrieden ins Gesicht.
„Erholen Sie sich erst einmal, essen Sie etwas und denken immer daran, dass Sie viel trinken. Wir sehen uns dann morgen wieder!“
Er packt seine Instrumente zurück in die Tasche und verabschiedet sich noch einmal bevor der nach draußen geht und Mr. Dunaway offenbar über meinen Gesundheitszustand informiert.
Weil mich das Ganze sehr angestrengt hat, schließe ich die Augen und hoffe diesmal in einen traumlosen Schlaf zu fallen, doch da habe ich mich offenbar getäuscht.
Der Albtraum geht nahtlos weiter.