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2. Das Volk in Waffen1: Vom Werdegang eines osmanischen Offiziers
ОглавлениеIm Januar 1896, er hatte gerade seinen Abschluss an der militärischen Vorbereitungsschule von Saloniki gemacht, schrieb sich Mustafa Kemal an der Oberschule der osmanischen Armee in Manastır ein, damals Hauptstadt der osmanischen Provinz gleichen Namens. Sieben solcher Militäroberschulen waren in allen Gegenden des Reiches eingerichtet worden – Ergebnis eines umfassenden Reformvorhabens nach der Eröffnung der Osmanischen Militärakademie im Jahr 1834.2 Neben der Schule in Istanbul gab es sechs weitere Einrichtungen in Bagdad, Bursa, Damaskus, Edirne (Adrianopel), Erzurum und eben in Manastır.3 Für muslimische Schüler im Besonderen boten diese Schulen, die nur die hervorragenden Schüler einer jeden Provinz aufnahmen, im spätosmanischen Reich die besten Chancen für den gesellschaftlichen Aufstieg. Die Schule in Manastır, die 1847 eröffnet worden war, nahm im Schnitt etwa 75 Schüler pro Jahrgang auf – und das in einer Provinz, in der allein die beträchtliche muslimische Bevölkerung etwa 225 000 zählte! Das Aufnahmeverfahren war überaus anspruchsvoll, denn die Konkurrenz zwischen den vielen Kindern der in der Provinz stationierten Offiziere und Verwaltungsbeamten war stark. Im Jahr 1899, im Alter von achtzehn Jahren, bestand Mustafa Kemal an dieser Schule sein Abitur mit fliegenden Fahnen. Er war der zweitbeste Absolvent seines Jahrgangs.4
Danach zog Mustafa Kemal nach Istanbul, wo er sich an einer der renommiertesten Hochschulen des Osmanischen Reiches einschrieb: der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie. Obwohl bereits im 18. Jahrhundert einige Militäringenieurschulen entstanden waren, die die Schlagkraft der osmanischen Truppe verbessern sollten, vermochte erst Sultan Mahmud II. im Jahr 1834 die bestehenden traditionalistischen Vorbehalte zu überwinden und die erste Militärakademie nach westlichem Muster zu eröffnen, deren Absolventen das Offizierskorps der nach europäischem Modell neustrukturierten osmanischen Armee bilden sollten.5 Während sich der Lehrplan dieser Akademie anfänglich stark von seinen europäischen Vorbildern unterschied, hatte bis zu den 1840er-Jahren eine beträchtliche Angleichung stattgefunden, und die Unterweisung der Kadetten konzentrierte sich nun auf eine professionelle militärische Ausbildung – zulasten solcher Fächer wie Glaubenslehre, Arabisch und Persisch. Eine Gruppe von in Europa ausgebildeten Professoren übernahm die Verwaltung der Hochschule, während ein Großteil der technischen Fächer von französischen und preußischen Dozenten unterrichtet wurde. Zu der Zeit, als Mustafa Kemal hier sein Offiziersstudium aufnahm, umfasste der Lehrplan hauptsächlich militärkundliche Übungen, Mathematik, Naturwissenschaft und europäische Sprachen und hatte den Ruf, den Kadetten ihr Äußerstes abzuverlangen. Einmal in Istanbul angelangt, arbeitete Mustafa Kemal kontinuierlich auf eine Aufnahme in den Stabslehrgang hin, der als „Hochschule in der Hochschule“ ebenso elitär wie konkurrenzorientiert war und gemeinhin als das absolute Nonplusultra einer Ausbildung in der osmanischen Armee galt. Im Jahr 1902 schloss er als Achtbester von 459 Kadetten seines Jahrgangs die Offiziersausbildung ab und schrieb sich auf zwei weitere Jahre für den Sonderlehrgang der Stabshochschule ein.6 1905 trat er im Rang eines Stabshauptmanns in die Armee ein.7
Mustafa Kemals Studien an der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie brachten ihn mit radikal neuen Ideen in Berührung. Die Akademie war schließlich aus den Militär- und Verwaltungsreformen des Osmanischen Reiches im früheren 19. Jahrhundert hervorgegangen. Ihr Ziel, wie auch dasjenige anderer ungefähr zur gleichen Zeit gegründeter Institutionen, war es, dem Osmanenreich zu professionell ausgebildeten Soldaten zu verhelfen – und nicht etwa, „normalen“ Untertanen und Zivilisten eine breite universitäre Bildung angedeihen zu lassen. Der Lehrplan der Akademie gab also, wie gesagt, militärisch relevanten Themen und Fachgebieten den Vorzug. Während die ursprüngliche Gestaltung des Curriculums klar den Einfluss der französischen École Spéciale Militaire de Saint-Cyr erkennen ließ, führte die französische Niederlage gegen Preußen-Deutschland im Krieg von 1870/71 zu einem verstärkten Interesse der osmanischen Führung am deutschen Militärwesen. In den Jahren 1883/84 leitete der gefeierte preußische Militärtheoretiker und spätere Generalfeldmarschall Colmar von der Goltz auf Einladung des Sultans eine Umstrukturierung der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie nach dem Vorbild von Goltz’ Berliner Heimatinstitution, der Preußischen Kriegsakademie. Goltz stärkte die Vermittlung von Algebra und anderen mathematischen und technischen Verfahren und Fachgebieten und führte ein neues Dienst- und Disziplinethos ein. Nach seinen Vorstellungen sollte zudem die Armee einen gewichtigeren Platz in der Gesellschaft einnehmen, als dies zuvor der Fall gewesen war.8
Colmar von der Goltz hatte sein einflussreiches Buch Das Volk in Waffen (die Formulierung hatte zuerst der preußische König und nachmalige deutsche Kaiser Wilhelm I. 1860 gebraucht) unter dem Einfluss des Sozialdarwinismus geschrieben. Der Krieg war, so der Tenor des Buches, eine unvermeidliche Naturgegebenheit. Und da der Krieg in der Moderne nicht mehr nur ein Krieg zwischen zwei Armeen war, sondern zwischen den Nationen, die diese Armeen stellten, als ganzen, oblag es der militärischen Elite, auch über ihre traditionelle Rolle hinaus auf die Gesellschaft einzuwirken, das Staatsschiff auf seiner Feindfahrt gewissermaßen mitzusteuern. Die Generalität und die Offiziere, davon war von der Goltz überzeugt, sollten mehr als nur loyale Staatsdiener sein; vielmehr gebührte „dem Offizierstande … aus innerer Nothwendigkeit eine hervorragende Stellung im Staate. Noblesse oblige.“9 Nach Goltz’ Ansicht waren „geborene Herrschernaturen … auch bedeutende Krieger, und es ist begreiflich, daß die größten Heerführer auf den Thronen gesucht werden müssen.“10
Nicht ganz ohne Berechtigung glaubte Goltz, seine Ideen seien in besonderer Weise auf das Osmanische Reich anwendbar:
Am Schicksale der heutigen Türken kann man lernen, welches Loos einem ehrlichen, stolzen, tapfern und tiefreligiösen Volke bevorsteht, wenn es der angemessenen Führung höherer Stände entbehrt. Das treffliche Soldatenmaterial unter schlechten Offizieren liefert immer nur eine mangelhafte Truppe.11
Die Türken, dieses ehrliche und stolze Volk, verlangten in Goltz’ Augen flehentlich nach der Lenkung durch eine neue Offiziersklasse. Über Jahrhunderte hatten – so der preußische General – die Muslime im Osmanischen Reich unter ständiger Anspannung gelebt, jederzeit bereit, in den Krieg zu ziehen. Außerdem sei die strenge Unterscheidung zwischen militärischer und ziviler Sphäre in einem Großreich hinfällig, dessen andauerndes Verweilen im Kriegszustand die militärischen Befehlshaber zugleich zu den natürlichen Lenkern der Gesellschaft geformt habe. Und doch: Obwohl Heeres- und Flottenkommandeure als Minister und Großwesire gedient hatten, war das Militär als Ganzes von der strategischen Gestaltung der osmanischen Politik ausgeschlossen gewesen – bis nach der jungtürkischen Revolution von 1908 das paramilitärische „Komitee für Einheit und Fortschritt“ (KEF, türkisch İttihad ve Terakki Cemiyeti) viele Offiziere in Staatsämter brachte. Die Revolution der Jungtürken bot so eine unerwartete Gelegenheit, Goltz’ Vision einer vollkommen durchmilitarisierten, von Armeeoffizieren gelenkten Gesellschaft Wirklichkeit werden zu lassen. Es war daher eine Ironie der Geschichte, aber auch vollkommen verständlich, dass Goltz’ Ideen im Osmanischen Reich weitere Verbreitung fanden als in seiner deutschen Heimat.11 Sie formten das Weltbild mehrerer Generationen osmanischer Offiziere, die ab 1886 an der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie eine türkische Übersetzung von Das Volk in Waffen studieren konnten.13 Bis 1908 war annähernd die gesamte Führungsriege der osmanischen Armee zu der Ansicht gelangt, dass es ihre Pflicht sei, die Gesellschaft des Osmanischen Reiches in eben so ein „Volk in Waffen“ zu verwandeln.14
Zu der Zeit, als Mustafa Kemal sich dort einschrieb, verfolgte die Militärakademie bereits das Ziel, nicht nur fähige Offiziere auszubilden, sondern eine „neue Klasse“ heranzuzüchten, die zur Führung der Nation geeignet sein würde. In diesem Sinne resultierte die Umgestaltung der Akademie unter Colmar von der Goltz in der Institutionalisierung eines gesellschaftlichen Ausdifferenzierungsprozesses, der sich bereits über einige Jahrzehnte entwickelt hatte. Obwohl die Tanzîmât-Reformer um die Mitte des 19. Jahrhunderts eigentlich angetreten waren, den osmanischen Untertanen unterschiedlicher Religion größere Gleichheit zu bringen und die Kluft zwischen der herrschenden Oberschicht und der Masse des Volkes zu verringern, trieb die Schaffung einer neuen Armee nach westlichem Vorbild doch wieder einen Keil zwischen die neue Militärelite und den Rest der Gesellschaft. So führten zum Beispiel die Aufhebung diskriminierender Kleiderordnungen und die Einführung des Fes als allgemeine Kopfbedeckung – anstelle einer Vielzahl gewerbespezifischer Turbane – in der Tendenz dazu, dass der gehobene Beamte vom Durchschnittsbürger nicht mehr ohne weiteres zu unterscheiden war. Vor diesem egalitären Hintergrund hoben sich die neuen, nach europäischem Vorbild geschneiderten Uniformen der osmanischen Armee umso augenfälliger ab. Die Unterscheidung machte jedoch bei solchen reinen Äußerlichkeiten nicht halt – sie ging tiefer. Hatten die traditionellen militärischen Eliten – am deutlichsten wohl die Janitscharen – einen integrierenden Teil des kulturellen, religiösen und sozialen Lebens der osmanischen Gesellschaft ausgemacht, so erschien das neue Militär als abgeschottete Elite, die sich von der breiten Masse tunlichst fernhielt: anmaßend, verwestlicht, übertrieben ehrgeizig. Mögen den Schüler Mustafa Kemal zunächst die schneidigen Uniformen angezogen haben, wie er und seine Kameraden sie nun trugen, so lag ein weit größeres Privileg doch in den gesellschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten, die sich dieser bevorzugten Gruppe boten. Seine Ausbildung an der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie machte ihn zu einem herausragenden Mitglied dieser Gruppe und zu einem potenziellen hohen Funktionsträger innerhalb eines türkisch-osmanischen „Volkes in Waffen“.
Abb. 2 Die Kaiserliche Militärakademie von Konstantinopel während der letzten Jahre des 19. Jahrhunderts.
Obwohl sie Goltz’ Ideen mit wachsender Sympathie gegenüberstand, hatte die neue osmanische Offiziersschicht diesen gegenüber doch einen entscheidenden Vorbehalt: Goltz’ Musterfall war das Deutsche Reich, ein archetypischer Nationalstaat. Das Osmanische Reich hingegen war ein Vielvölkerstaat, der noch dazu auseinanderzubrechen drohte. Wie nur sollte man ein dergestalt nichtexistentes Volk zu den Waffen rufen? Das Formen eines „Volkes in Waffen“ erforderte einen ideologischen Rahmen, der geeignet war, ein festes Band zwischen den neuen Machthabern und der Masse ebenjenes Volkes zu knüpfen. Aber wie konnte eine solche Ideologie jemals für alle ja so unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen des Osmanischen Reiches gleich ansprechend sein? Ohne Frage würde eine nationalistischideologische Rahmung des umzugestaltenden Staates wesentlich größere Chancen auf Erfolg haben, wenn dieser Staat ethnisch homogen wäre. Diese Argumentation trug zu der wachsenden Popularität eines aggressiven türkischen Nationalismus unter den osmanischen Offizieren im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts bei.
Mustafa Kemal machte sich in dieser Hinsicht einige klare Ansichten zu eigen. Schon 1907 forderte er etwa die freiwillige Auflösung des Osmanischen Reiches, zur Vorbereitung der Bevölkerungstransfers, die einen rein türkischen Staat erst möglich machen sollten.15 Nur ein Staat, der durch eine unerschütterliche nationale Identität gestützt war, so seine Argumentation, werde in der Lage sein, eine starke Armee ins Feld zu führen. Was ihm vorschwebte, war also ein „türkisches Volk in Waffen“ – ganz dezidiert kein osmanisches. Diese Idee war zwar nicht neu, wurde aber von vielen seiner Offizierskameraden als nicht praktikabel abgelehnt. Es mangelte ihnen vielleicht nicht an Sympathie für die türkische Sache, doch wollten sie um jeden Preis das zerfallende Reich stützen und zusammenhalten, solange irgend möglich. Bis 1914 war Mustafa Kemal dennoch zu der festen Auffassung gelangt, dass der zukünftige Kampfgeist der Armee entscheidend von der Vermittlung eines gesunden türkischen Nationalbewusstseins abhängen werde. Soldaten, welche „Hülâgû, Timur, Temüdschin [d. i. Dschingis Khan] und Attila, der die Stadtmauern von Paris mit einer türkischen Armee aus Männern und Frauen erreicht hatte“ nicht kannten, würden auf dem Schlachtfeld nichts taugen. Die türkischen Frauen, die „während 5000 Jahren vom Kopftuch frei gewesen waren und erst seit 600 Jahren verschleiert gingen“, waren verpflichtet, ihre Söhne zu Soldaten heranzuziehen.16 Gleichzeitig glaubte Mustafa Kemal – ganz wie Heinrich von Treitschke, der in der preußischen Militärführung die ideale Brutstätte für ein deutsches Nationalbewusstsein sah –, dass der Bildungsprozess eines türkischen Militärs zugleich zur Heranbildung eines türkischen Nationalbewusstseins in der Gesellschaft führen werde.
Mustafa Kemals türkisch-nationale Ansichten veranlassten ihn jedoch auch dazu, eine kritische Position gegenüber der so empfundenen „Verwestlichung“ der osmanischen Armee einzunehmen. Obgleich er ansonsten ein glühender Anhänger von Reformen nach westlichem Vorbild war, wandte er sich entschieden gegen den anwachsenden europäischen – und das hieß vor allem: deutschen – Einfluss in der osmanischen Armee. So lobte er zwar den Beitrag Colmars von der Goltz zur Entwicklung des osmanischen Militärwesens,17 verfocht aber doch das Ideal eines rein türkischen Offizierskorps und stand auch der am Vorabend des Ersten Weltkriegs zu weiteren Reformen nach Istanbul entsandten Militärmission entschieden kritisch gegenüber.18 Bei genauerer Betrachtung spiegelte dieser gewissermaßen „ausländerfeindliche“ Ansatz zu einer Neugestaltung des osmanischen Militärs Mustafa Kemals tiefe Bewunderung für die Japaner wider, deren Sieg über das russische Zarenreich zu jener Zeit auch als Triumph einheimischer Modernisierung im Angesicht westlicher Einmischung wahrgenommen wurde.
Mustafa Kemal stach überdies als unverbesserlicher Gegner des Personenkultes um Sultan Abdülhamid II. hervor. Ähnlich wie auch andere Offiziere seiner Generation hielt er die ritualisierte Verehrung des Sultans für einen regelrechten Verrat an der Idee eines „Volkes in Waffen“, das doch einem Herrscher aus Fleisch und Blut allemal übergeordnet sein sollte! Als Zeichen ihrer wachsenden Entfremdung von der osmanischen Monarchie legten viele Studenten der kaiserlichen Hochschulen einen wachsenden Widerwillen an den Tag, wenn es um äußere Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Sultan ging. Ein oft berichteter Studentenulk war es zum Beispiel, bei offiziellen Zeremonien laut „Der Sultan hängt verkehrt herum!“ zu rufen, was auf Türkisch fast genauso klingt wie „Lang lebe der Sultan!“ (eine deutsche Entsprechung wäre womöglich „Lang klebe der Sultan!“).19 Von Mustafa Kemal heißt es, er habe seine Kameraden noch übertroffen, wenn es um die Verächtlichmachung kaiserlich-osmanischer Traditionen durch derlei Streiche ging.20
Abb. 3 Freiherr Colmar von der Goltz und Mustafa Kemal bei Militärmanövern in Manastır (1909).
Die Opposition der jungen Offiziere gegen das Regime Abdülhamids II. entbehrte nicht einer feinen Ironie. Schließlich war dieser es gewesen, der viele der neuen Schulen und Hochschulen gegründet oder doch zumindest reformiert hatte, an denen nun die Opposition blühte; alles in der Absicht, das osmanische Bildungswesen umfassend zu modernisieren. So kam es, dass viele der Offiziere und Staatsbeamten, welche die hamidische Herrschaft am stärksten ablehnten, den Reformen des Sultans doch zugleich ihre Bildung und ihren gesellschaftlichen Stand verdankten. Hauptgrund ihrer Ablehnung war in vielen Fällen die stark patrimoniale Färbung von Abdülhamids Regierungsstil. Das Beharren des Sultans auf absoluter Loyalität seitens der von ihm ernannten Günstlinge widersprach dem rational-herrschaftlichen Anspruch, den er mit den Reformbemühungen der Tanzîmât-Zeit erhoben hatte.21 Dieses galt für den Beamtenapparat und das Militär gleichermaßen; seine stärkste Ausprägung jedoch erfuhr es im Offizierskorps.
Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es in der osmanischen Armee – neben den Absolventen der Kaiserlich-Osmanischen Militärakademie – eine große Zahl von Offizieren, die sich „hochgedient“ hatten. Diese Nichtakademiker waren als einfache Soldaten zur Armee eingezogen worden und durch Beförderungen in ihren jetzigen Rang aufgestiegen; einige von ihnen konnten weder lesen noch schreiben. Abdülhamid II. begegnete ihnen mit Wohlwollen und ernannte viele von ihnen zu hochrangigen Offizieren und sogar Generalen. Einige Offiziere in Schlüsselpositionen verdankten ihre Stellung allein der Gunst des Sultans, und im Gegenzug für ihre „bedingungslose“ Loyalität erhielten sie einträgliche Zuwendungen wie Geld, Häuser oder weitere Ehrungen und Auszeichnungen. Wenig überraschend neigten die derart von Abdülhamid auf ihre Posten Gebrachten dazu, den Sultan als ihren erhabenen Gönner mit geradezu kriecherischer Unterwürfigkeit zu verehren. Für sie hätte eine Rückkehr zur Leistungsorientierung der Tanzîmât-Ära katastrophale Folgen gehabt. Diejenigen hochqualifizierten Offiziere jedoch, die in der Folge unter ungebildeten Paschas zu dienen hatten, waren mit dem Status quo verständlicherweise nicht zufrieden. Es waren vor allem der Missbrauch des Beförderungssystems und die inflationäre Vergabe von Auszeichnungen, die den Akademieabsolventen ein Dorn im Auge waren; oft waren sie gezwungen, unter geradezu inkompetenten Vorgesetzten zu dienen. Als Konsequenz bauten sich in den Jahren vor der jungtürkischen Revolution innerhalb des Offizierskorps starke Spannungen auf. Nach der Revolution von 1908 handelte die nun an die Macht gelangte Klasse von akademisch ausgebildeten Offizieren mit Entschlossenheit und erklärte die ungerechtfertigten Beförderungen und Auszeichnungen der letzten Jahre für null und nichtig. In einigen Fällen wurden von Abdülhamid II. ernannte Generale zum Hauptmann oder zum einfachen Leutnant degradiert.22 Die erfolglose Konterrevolution vom April 1909 wurde ihrerseits von nicht akademisch ausgebildeten Offizieren angeführt, die ihre elitären Kameraden wieder in die Schranken weisen wollten. Das Scheitern dieses Versuchs, die alte Ordnung wiederherzustellen, beendete zugleich auch den Einfluss der hamidischen Günstlinge im osmanischen Militär.
Das hochqualifizierte osmanische Offizierskorps, wie es sich in den Folgejahren der Reform von 1883 herausgebildet hatte – und insbesondere die Gruppe der Stabsoffiziere –, bildete das Rückgrat des militärischen Flügels im Komitee für Einheit und Fortschritt (KEF) und ein Rekrutierungsreservoir für die jungtürkische Führungsriege. Es überrascht nicht, dass der politischen Revolution von 1908 bald eine Umwälzung innerhalb der Armee folgte. Einmal an die Macht gelangt, begaben sich die Offiziere umgehend an eine Neuordnung der Armee nach Goltz’schen Prinzipien. Jedoch waren ihre Möglichkeiten begrenzt: Die meisten Mitglieder der revolutionären Führung waren junge Offiziere vom Leutnant bis höchstenfalls zum Oberstleutnant; sie hatten überhaupt nicht die nötige Erfahrung, um in der gigantischen osmanischen Armee vollends das Ruder an sich zu reißen. Zahlreiche Reformgegner wurden in den Säuberungen von 1909 eliminiert, aber manche verblieben dennoch auf ihren Posten, zumal unter den höherrangigen Offizieren. Viele Angehörige des osmanischen Armeeführungskorps betrachteten die jüngeren KEF-Offiziere mit Geringschätzung: als ungezogene Kinder, die man wohl oder übel tolerieren musste – aber vor denen man sich auch nicht zu fürchten hatte. Um zu beweisen, dass seine Anhänger durchaus in der Lage waren, die Armeeführung zu übernehmen, entsandte das KEF 1911/12 eine Handvoll seiner hoffnungsvollsten Stabsoffiziere in das nordafrikanische Tripolis, um dort den osmanischen Widerstand gegen die italienische Besatzung zu organisieren. Mustafa Kemal war einer dieser jungen Offiziere, die durch Ägypten in die Kyrenaika geschmuggelt wurden, wo sie eine Miliz zum Kampf gegen die Italiener aufstellen sollten. Befehlshaber der Operation war der Militärheld der jungtürkischen Revolution, der Major und Stabsoffizier Enver Bey.23 Den Männern gelang eine beeindruckende Serie von Siegen, durch welche sie die Italiener erfolgreich am Vorstoß in das Landesinnere hinderten. Doch obwohl ihnen ihre Erfolge in der Heimat beträchtlichen Ruhm einbrachten, bot dieser Guerillakrieg im Kleinstformat keine geeignete Basis, tatsächlich die gesamte Armeeführung an sich zu ziehen. Dazu wäre ein viel größerer Wurf nötig gewesen.
Den notwendigen Vorwand für eine Umwälzung der Verhältnisse auch innerhalb der osmanischen Armee bot schließlich die Katastrophe der Balkankriege von 1912/13. Eine Reihe schmachvoller Niederlagen, gefolgt von panikartigen Rückzügen, endete in dem Verlust fast des gesamten europäischen Anteils des Osmanischen Reiches und brachte die Armeen der Balkanvölker bis vor die Tore Istanbuls. Einige der jüngeren Offiziere hatten sich schon lange – aber mit geringer Wirkung – über die Ignoranz und mangelnde Professionalität der „Offiziere vom alten Schlag“ beklagt. Mustafa Kemal selbst hatte seinem Vorgesetzten, dem General Hasan Tahsin, ein kritisches Memorandum bezüglich der stümperhaften Leistungen osmanischer Offiziere bei Manövern in Rumelien im Jahr 1911 überreicht.24 Der General hatte den Bericht ignoriert. Im Jahr darauf beging er einen der folgenreichsten Fehler der osmanischen Militärgeschichte, indem er Mustafa Kemals Heimatstadt Saloniki kampflos den Griechen überließ. Man berichtete von anderen Angehörigen der Generalität, die auf dem Rückzug zum Koran gegriffen und sich vom zufälligen Aufschlagen eines Verses die nötige strategische Inspiration erhofft hatten.25 Der Oberbefehlshaber der Truppen an der osmanischen Ostflanke, Marschall Abdullah Pascha, wurde durch einen Kriegskorrespondenten des Daily Telegraph, der seine Rationen mit ihm teilte, vor dem Hungertod bewahrt.26 Die Unzulänglichkeiten hoch- und höchstrangiger Militärangehöriger bei der Planung und Umsetzung der osmanischen Verteidigung waren so offensichtlich, dass Enver Pascha (wie sich der vormalige Enver Bey mittlerweile nennen durfte) schließlich ein ambitioniertes Reformprogramm durchsetzen konnte.
Gegen Ende 1913 lud die nunmehr ganz vom KEF kontrollierte osmanische Regierung als Reaktion auf das durch die Balkankriege offenkundig gewordene Unvermögen ihrer Armee den deutschen Generalleutnant Otto Liman von Sanders ein, die osmanische Armee von Grund auf neu zu organisieren. Diese Einladung zog eine ernste diplomatische Krise mit Russland nach sich, das eine mögliche deutsche Einflussnahme in Istanbul als eine direkte Bedrohung seiner Südflanke ansah.27 Doch das KEF war fest entschlossen, die geplante Reform durchzuführen. Enver Pascha überwachte ihre Umsetzung, an deren Ende nach überraschend kurzer Zeit die beinah wundersame Auferstehung der osmanischen Armee stand. Dennoch war Liman von Sanders während der deutsch-osmanischen Verhandlungen am Vorabend des Ersten Weltkriegs zunächst gegen ein Militärbündnis beider Staaten, weil er die osmanische Armee noch immer für unbrauchbar hielt.28 Diese Meinung sollte jedoch durch den Kriegsverlauf nicht bestätigt werden, in dem die osmanischen Truppen überraschend schlagkräftig und an mehreren Fronten zugleich gegen überlegene Gegner antraten. Diese überragende Leistung verdankte sich zweifellos den Reformen von 1913/14 sowie der neuen Generation von Offizieren, welche die osmanischen Truppen nun ins Feld führten.
Im Jahr 1914 waren es Männer aus Mustafa Kemals Alterskohorte – Männer, die sich noch zwei Jahre zuvor kaum hätten vorstellen können, jemals bis in eine Führungsposition aufzusteigen –, die plötzlich die osmanische Armee befehligten. Das hatte Auswirkungen nicht nur auf die Kampfkraft der Truppe, sondern auch auf die politische Willensbildung; schließlich fühlten sich diese jungen Offiziere – hierin ganz den Ideen Colmars von der Goltz verpflichtet – berufen, das ganze institutionelle Gewicht der Armee in die Waagschale der großen Politik zu werfen. Enver Bey wurde rasch befördert und brachte es so zum jüngsten Kriegsminister in der neueren osmanischen Geschichte. Der andere prominente Militärangehörige im KEF, Ahmed Cemal Pascha, wurde Anfang 1914 zum Marineminister ernannt. Andere hatten nicht ganz so viel Glück, profitierten aber dennoch von der Absetzung der hohen Generalität des alten Regimes, durch die viele zuvor kaum erreichbare Posten frei wurden. Im Jahr 1915 erhielt Oberstleutnant Mustafa Kemal das Kommando über eine Division, für die eigentlich ein Generalmajor als Befehlshaber vorgesehen war.
Mustafa Kemals persönliche Ansichten in den Jahren vor der jungtürkischen Revolution spiegelten die Vorlieben, Abneigungen und Dilemmata des osmanischen Offizierskorps wider. Viele Offiziere schlossen sich der Opposition aus moralischer Entrüstung über die Regierungsweise Abdülhamids II. an. Ihre Ziele waren jedoch zunächst weder im engeren Sinne revolutionär noch zersetzender Natur. Anders als viele damalige Revolutionäre – etwa die Bolschewiki – fühlten sich die Jungtürken ihrem Staat in unerschütterlicher Loyalität verbunden. Ihr Hauptziel war es, ein geschwächtes Großreich vor dem Kollaps zu bewahren und zu seiner alten Stärke zurückzuführen. Im Gegensatz zu vielen revolutionär gesinnten russischen Offizieren konnten die osmanischen Offiziere dieser Generation mit populistischen Positionen, wie sie die sozialrevolutionären Narodniki des Zarenreiches vertraten, wenig anfangen. Und obgleich sie nach außen hin vorgaben, im Dienste der Volksmassen zu handeln, war dies nicht mehr als ein Lippenbekenntnis: Im Grunde ihres Herzens waren diese Männer zutiefst elitär. In vielerlei Hinsicht ähnelte ihre Position eher den Militärkadern der Entwicklungsländer nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Angehörige einer privilegierten Gruppe sahen die Offiziere ihren Platz oberhalb der Mehrheitsgesellschaft, deren Führung gleichsam ihr natürliches Anrecht war. Wie andere Vertreter der osmanischen Intelligenzija jener Zeit (und viele militärische Entscheidungsträger seither) fühlten sie sich stark von Gustave Le Bons Theorie der Massenpsychologie angezogen, in welcher das Militär einen Ehrenplatz als unverzichtbarer Teil der Herrschaftselite einnahm. Sie wollten weder benachteiligten Gesellschaftsschichten zu größerer Mitbestimmung verhelfen, noch strebten sie einen gewaltsamen politischen Umsturz an – im Gegenteil: Ihr Ziel war eine Stärkung der bestehenden Ordnung, um die einfältigen Massen desto besser beherrschen zu können.
Der Einfluss Le Bons auf die Anführer des KEF ist kaum zu überschätzen. So rechtfertigte Enver Pascha seine Opposition gegen ein repräsentatives Herrschaftsmodell unter Verweis auf Le Bons polemische Kritik des Parlamentarismus als Veranstaltung für den buntscheckigen Pöbel, dem die Zukunft einer Nation unter keinen Umständen anvertraut werden dürfe.29 Ein anderer hochrangiger Stabsoffizier mit Verbindungen zum KEF äußerte die Ansicht, die osmanische Niederlage in den Balkankriegen lasse sich am ehesten anhand von Le Bons Theorie erklären.30 Auch Mustafa Kemal hielt Le Bons Ansatz für einleuchtend. Wie in Charles de Gaulles Le Fil de l’épée,31 so finden sich auch in den Schriften Mustafa Kemals vage Bezugnahmen auf Le Bons Thesen, ohne dass diese explizit zitiert werden. Wir wissen, dass er Le Bons Hauptwerk Les Lois psychologiques de l’évolution des peuples und später türkische Übersetzungen von dessen Enseignements psychologiques de la guerre européenne, Le Déséquilibre du monde und Hier et Demain gelesen hat; anscheinend konnte er von Le Bon gar nicht genug bekommen.32 Viele seiner Randnotizen und Unterstreichungen in diesen Werken betonen die alles entscheidende Rolle der gesellschaftlichen Elite; ähnlich sieht es in seinen sonstigen persönlichen Unterlagen aus. Eine Passage aus Mustafa Kemals Tagebucheintrag für den 6. Juli 1918 etwa befasst sich mit der Notwendigkeit, „das Volk auf die Stufe der Elite hinauf zu erheben, anstatt die Elite auf die Stufe des Volkes zu erniedrigen“.33 Als er später an der Macht war, bekräftigte er: „Ich handle nicht mit Blick auf die öffentliche Meinung; ich handle zum Wohle der Nation und zu meiner eigenen Erfüllung.“34 Der von Mustafa Kemal geschmiedete türkisch-republikanische Elitismus, der in diesen Aussagen im Kern schon enthalten ist, verrät deutlich den Einfluss Gustave Le Bons, der in seinen späteren Essays den Begründer der Türkischen Republik als „genialen General“ gefeiert hat.35
In einer gewichtigen Frage jedoch unterschied sich Mustafa Kemal von vielen seiner Kameraden: der Frage nach der Rolle des Militärs in der Gesellschaft. Obwohl er der Theorie Colmars von der Goltz im Großen und Ganzen zustimmte, hielt er das paramilitärische Organisationsmodell des KEF für inadäquat, sobald es um die Schaffung eines türkisch-osmanischen „Volkes in Waffen“ ging. Er glaubte, dass die grobe und beinahe schon habituelle Einmischung des Militärs in politische Angelegenheiten durch Staatsstreiche sowie die extreme Politisierung der Streitkräfte alles in allem der Armee als Institution eher schaden und diese von ihren eigentlichen militärischen und gesellschaftlichen Aufgaben abhalten würden.36 Obgleich er ein Einwirken des Militärs auf die Politik nicht rundweg ablehnte, wollte Mustafa Kemal doch eher, dass die Armee eine Art „Staat im Staate“ werden sollte, ähnlich wie es das deutsche Militär zwischen 1871 und 1914 war. Solche Ansichten machten ihn aus Sicht des KEF untauglich für die politisch-strategische Planung und beschleunigten seinen Abstieg innerhalb der Partei.
Mustafa Kemal trat erstmals beim Kongress des Komitees für Einheit und Fortschritt im Jahr 1909 als Kritiker der offiziellen Parteilinie auf, an dem er als Abgeordneter des nordafrikanischen Tripolis teilnahm.37 Im Februar 1913 verurteilte er den Staatsstreich des KEF und fiel deshalb augenblicklich in Ungnade.38 So oder so war es ihm fast unmöglich, in der Partei aufzusteigen, solange Enver Pascha an der Macht war. Jenem war einerseits Mustafa Kemals impulsive Selbstverliebtheit zuwider, hinter der er versteckte Ambitionen und ein Streben nach Macht vermutete. Andererseits war es für Mustafa Kemal nicht leicht, mit dem „Armeehelden der Großen Osmanischen Revolution“ mitzuhalten, dem Anführer des „heroischen osmanischen Widerstands“ in der Kyrenaika, dem „zweiten Eroberer von Edirne“ im Jahr 1913, der zu allem Überfluss noch mit einer osmanischen Prinzessin verlobt war und sich so einer überaus engen Beziehung zur kaiserlichen Familie erfreute. Was blieb Mustafa Kemal unter diesen Umständen anderes übrig, als freiwillig ins Exil zu gehen? Sein Förderer Ahmed Cemal Bey half ihm, im November 1913 eine Entsendung als osmanischer Militärattaché nach Sofia zu erreichen.
Mustafa Kemal sollte die Erfahrungen des KEF mit der pragmatischen Seite der Machtausübung nie vergessen, und als er später selbst an die Macht kam, setzte er die strikte Trennung von militärischer und ziviler Einflusssphäre durch. Es verlangte schon nach einem Staatsmann seines Charismas, um eine solche Regelung zu erzwingen, nachdem das Militär gerade erst fünfzehn Jahre lang auch die politische Macht innegehabt hatte! Bezeichnenderweise hielt die gefügige Unterwerfung des türkischen Militärs unter die Staatsgewalt nach Atatürks Tod nur so lange an, wie sein vertrauter Untergebener İsmet İnönü noch im Amt war, also bis 1950. Seit 1960 hat das türkische Militär seine Goltz’sche Rolle als Hüter und Führer der Nation unüberhörbar wieder eingenommen.
Die osmanischen Reformen des späten 18. Jahrhunderts begannen im Militär, weil ihr Hauptziel in der Erwiderung einer militärischen Herausforderung des Osmanischen Reiches durch die europäischen Mächte lag. Aus diesem Grund machte sich das osmanische Militär die Moderne zu eigen, lange bevor andere Teile der Gesellschaft dies taten. Mit der Zeit ersetzte dieser Reformprozess eine traditionelle Armee (die Janitscharen) und lokale Hilfstruppen in den Provinzen durch einen zentralisierten, europäisierten und modernen Militärapparat. Zunächst sorgte die Professionalisierung der osmanischen Armee dafür, dass diese als institutioneller politischer Akteur gewissermaßen außen vor blieb. Doch in einem Staat, der ständig entweder Krieg führte oder Aufruhr im Inneren unterdrücken musste, war es ein Ding der Unmöglichkeit, diesen Status quo beizubehalten. Die Reformen, die ein kompetentes Offizierskorps schufen, bestärkten zugleich Forderungen, diesem kompetenten Offizierskorps eine größere Rolle in der Politik anzuvertrauen. Diese jungen Offiziere waren es, die als Speerspitze des KEF die Revolution von 1908 trugen; sie waren es, die in den Jahren darauf auf die politische Bühne drängten. Dieselbe Generation von Offizieren setzte später den nationalistischen türkischen Widerstand nach 1918 ins Werk und brachte schließlich 1923 eine neue Republik auf den Weg. Mustafa Kemals eigener Weg an die Spitze führte ihn geradewegs durch das politisch-ideologische Zentrum dieses generationellen Kontextes. Mehr noch: Sein Lebensweg zeichnet den Verlauf der osmanischen Militärgeschichte vom späten 19. Jahrhundert bis zu den 1930er-Jahren nach – aus der Bedeutungslosigkeit zur Vormachtstellung und schließlich zur widerwilligen Unterwerfung.