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3. Kapitel. Der Werbeagent.

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Mit gespannter Aufmerksamkeit war Monsieur Sallét der Erzählung seines Schützlings gefolgt, ohne ihn auch nur mit einem Worte zu unterbrechen. Nur ab und zu hatte er, wenn ihn etwas besonders zu berühren schien, verständnisinnig mit dem Kopfe genickt, als wollte er damit ausdrücken, dass ihm das alles durchaus nichts fremdes sei, dass er derartiges zu hören erwartet habe.

Solchen Gedanken gab er auch jetzt, als Edmund schwieg, in seiner lebhaften Art Ausdruck.

„Was Sie mir da sagen, mein junger Freund“, begann er, „das ist eigentlich kaum etwas neues. — Nein, verstehen Sie mich nicht falsch —“ setzte er erklärend hinzu, als Edmund sehr erstaunt und befremdet aufblickte. „Ich meine, es kommt gerade in Deutschland ziemlich häufig vor, dass junge Leute zu einem gelehrten Berufe gepresst werden, zu dem sie absolut nicht passen, während sie in einem anderen Tüchtiges leisten würden. Ihr Schicksal ist gewiss ein sehr trauriges, aber durchaus kein außergewöhnliches, und Sie brauchen deshalb noch nicht zu verzagen; Sie sind noch lange nicht für die Welt verloren. Im Gegenteil! Ein junger Mann wie Sie findet überall sein Brot. Ist’s nicht in der Heimat, dann anderswo. Wir sprechen noch darüber. — Aber nun trinken Sie“, fuhr er ablenkend fort, aufs neue die Gläser füllend. „Trinken Sie erst, junger Freund! Sie müssen vom vielen Sprechen ganz trocken geworden sein. Trinken Sie aus! Dann reden wir weiter.“

So animierte Monsieur Sallét seinen Schützling fortwährend aufs eifrigste zum Trinken und wurde nicht müde, ihm immer von neuem einzuschenken.

Der schwere Wein tat denn auch seine Wirkung. Ward auch Edmund nicht schwer berauscht, da er von frühester Jugend auf an den Genuss guter Weine gewöhnt war, und in den Rebengeländen seines Vaters schon als Knabe im Traubenverkosten geschwelgt hatte, so wirkte doch der reichliche Trunk nach so langer Entbehrung einschläfernd umso mehr, als zu viel des Ungewohnten, zu viel heftig Erregendes an diesem Tage auf ihn eingestürmt war, was nach der jüngsten Zeit schwerer und harter Kämpfe ermattend auf Körper und Geist wirken musste.

So war der Jüngling in eine Art Lethargie, in einen schläfrigen, halb traumartigen Zustand versunken, in dem er, matt und halb willenlos, die Dinge nur wie aus weiter Ferne zu betrachten vermochte.

Dahin hatte ihn sein Gastfreund haben wollen, der nichts anderes als ein französischer Werbeagent war, der sich der Aufgabe unterzogen hatte, junge Leute, die aus irgendeinem Grunde sich in der Heimat unzufrieden fühlten, ihr aus irgendwelcher Ursache den Rücken kehren wollten, für die französische Fremdenlegion nach Algier anzuwerben.

Seine gewandten, angenehmen Umgangsformen, wie sie den meisten Franzosen eigen sind, dazu ein vertrauenerweckendes Äußere, machten ihn vorzugsweise zu diesem höchst einträglichen Geschäft geeignet.

Hier in diesem Falle kamen Monsieur Sallét überhaupt keine subtilen Bedenken. Er hatte diesen jungen Mann vom Tode gerettet, hatte sich also ein gewisses Anrecht auf ihn erworben. Dem von allen Hilfsquellen Abgeschnittenen blieb schließlich gar keine Wahl. Er musste froh sein, wenn eine rettende Hand sich ihm entgegenstreckte.

In diesem Sinne suchte er Edmund zu überreden, und der junge Mann machte es ihm in seiner gänzlichen Rat- und Hilflosigkeit durchaus nicht besonders schwer.

„Sehen Sie, junger Freund“, sagte er, nachdem er seinem Schützling erklärt hatte, was er für ihn in Aussicht habe, „sehen Sie, dann sind Sie gleich versorgt. Nach allem, was Sie mir gesagt haben, nehme ich an, dass es Ihnen lieb ist, möglichst weit von der Heimat fortzukommen. In der Fremdenlegion können Sie vorläufig völlig verschwinden. Kein Mensch wird Sie da draußen in Algier entdecken. Inzwischen können Sie sich dort mit leichter Mühe eine Existenz gründen. Sie bekommen zunächst ein Handgeld von 1000 Franken, das sind in deutschem Gelde 800 Mark. Dafür verpflichten Sie sich auf 5 Jahre als französischer Soldat in der Fremdenlegion. Dort gibt es gute Löhnung und ausgezeichnete Verpflegung, und dienen hätten Sie ja doch in Deutschland auch müssen. Was sind für einen jungen Mann wie Sie 5 Jahre. Das Avancement aber ist dort draußen viel besser, geht viel schneller, besonders für einen intelligenten, gebildeten jungen Mann wie Sie. Sie müssen nur zusehen, dass Sie möglichst schnell Französisch lernen. Dann können Sie als Fremdenlegionär rasch vorwärts kommen. Wenn Sie dann eine hohe Staffel als französischer Offizier erklommen haben, dann haben Sie die Scharte glänzend ausgewetzt, und Ihr Papa wird seine helle Freude an dem ruhmgekrönten Krieger haben.“

Bei den letzten Worten huschte zwar ein trübes Lächeln über das jugendliche Gesicht des also Bestürmten. Er mochte wohl bei sich denken, dass sein Vater nicht allzu sehr erfreut sein werde, den Sohn in fremden Militärdiensten zu wissen, selbst wenn er dort eine ehrenvolle Stellung bekleide. Doch hielt er dies für die übertreibende Begeisterung des französischen Patrioten. Immerhin — so meinte er — werde es dem alten Herrn leichter werden, sich mit dem Gedanken auszusöhnen, den Sohn in der Fremdenlegion zu wissen, als dass derselbe sich unrühmlich selbst den Tod gegeben. War es doch nur auf 5 Jahre, dass er die Verpflichtung einging. Wenn er sich inzwischen dort ausgezeichnet hatte, dann würde es ihm auch in der Heimat leichter werden, wieder festen Fuß zu fassen, in irgendeinem Beruf vorwärts zu kommen. Die verlockenden Schilderungen des Werbeagenten, die dieser, seinem Zwecke entsprechend, von dem Leben in der Fremdenlegion entwarf, verfehlten nicht ihre Wirkung auf das Phantasiegebilden leicht zugängliche Gemüt des Jünglings, zumal er in dem Versucher seinen Lebensretter erblickte und mit etwas übertriebener Dankbarkeit verehrte. Was blieb ihm, dem Gescheiterten, auch anderes übrig. Musste er nicht froh sein, solchen Rettungsanker ergreifen zu können?

So redete sich der Unglückliche selbst ein. Zuletzt sprach auch die natürliche Abenteuerlust der Jugend, der Wunsch, fremde Länder und Gegenden kennen zu lernen, ein gewichtiges Wort mit. Viel Zeit zu reiflicher Überlegung solchen entscheidenden Schrittes ward unserem jungen Freunde nicht vergönnt, er vielmehr dringend genötigt, noch am selben Abend seine Unterschrift unter das verhängnisvolle Schriftstück zu setzen, mit dem er sich auf die fünf nächsten Jahre seines Lebens der Fremdenlegion verpflichtete.

Die Schmach der Fremdenlegion

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