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5. Kapitel. Die Präliminarien des Empfanges.

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Rüstig schritten die Beiden selbander dahin. Der Korporal immer redselig plaudernd; sein junger Schutzbefohlener in nachdenklichem Schweigen.

„Siehscht! — .Jetzt sei mer scho in Belfort“, erklärte jener, als sie durch die winkeligen Gassen der alten Festungsstadt schritten.

„Siehscht! — do srhei mer zur Schtelle“, sagte er wieder, und hielt vor einem niedrigen Bureaugebäude still, dessen Tür sich im selben Augenblick öffnete und den Ausblick auf einen düsteren Flur frei gab, aus welchem eine schmutzige steile Treppe nach dem Obergestock emporführte.

Der Herauskommende war ein junger Leutnant, vor dem der Begleiter Edmunds militärisch Stellung nahm.

Der Offizier grüßte kurz und richtete den forschenden Blick fragend, ja, anscheinend ein wenig verwundert, auf den Ankommenden. Dann ging er raschen Schrittes davon. Der Korporal aber geleitete Edmund nun die bereits erwähnte Hühnerstiege hinan ins obere Stockwerk.

Hier öffnete er eine Tür und bedeutete den jungen Mann, einzutreten.

Ein anderer Korporal, anscheinend ebenfalls Elsässer, nahm ihn dort in Empfang, und während der erstere sich entfernte, meinte der Beherrscher dieses Zimmers, nachdem er von seinem Kameraden die nötigen, auf den neuen Rekruten bezüglichen Papiere in Empfang genommen, gemütlich zu Edmund:

„Na, do komm vous mit. De andere sin scho do drin. Sie müsche warte, bisch der Doktor komme.“

Damit schob er den Neuling in ein größeres Zimmer im selben Flur, aus welchem ein dumpfes Stimmengewirr ertönte.

Als Edmund eintrat, vermochte er zunächst gar nichts zu unterscheiden, denn es lagerte über dem Gelass eine solche Dunstatmosphäre, wie sie da entsteht, wo viele Menschen auf verhältnismäßig kleinem Flächenraum zusammengepfercht sind, und wo sich zu den natürlichen menschlichen Ausdünstungen noch Mangel an Sauberkeit und andere Folgen elender Lebensführung gesellen. Erst nachdem sich das Auge an den Nebelschleier gewöhnt hatte, der das Sehen erschwert, erst dann erkannte Edmund die vielen, mitunter elenden Jammergestalten, die da auf langen Bänken an den Wänden des Zimmers entlang hockten und der Untersuchung des Arztes harrten, der sie auf ihre Tauglichkeit für die Fremdenlegion prüfen sollte. Wohl waren auch kräftige, untersetzte junge Männer dabei, Jünglinge, die sowohl an Jahren als an Figur, wenn auch nicht im feinen, gesitteten Wesen, einige Ähnlichkeit mit Edmund besaßen. Doch waren diese in der Minderzahl, und auch ihnen sah man sofort an, welche Verheerungen Hunger, Not und Elend, oder auch Leichtsinn und frühe Ausschweifungen bei ihnen angerichtet hatten. Vielleicht glaubten sie das Ende aller Not gekommen, wenn sie sich für die Fremdenlegion anwerben ließen, vielleicht suchten sie nur Elend und Schande zu verstecken, oder sich vor drohender Strafe zu retten, indem sie, vor aller Welt verborgen in dem verachtetesten Heerlager der Fremdenlegionäre unterzukommen suchten.

Das Stimmengewirr, das den Kehlen der vielen angehenden Fremdenlegionäre entstammte, die sich die Zeit bis zur Ankunft des Arztes durch erzählen, schimpfen und Witze reißen zu vertreiben suchten, war bei Edmunds Eintritt sofort vollständig verstummt. Aller Blicke richteten sich neugierig forschend auf den künftigen Kameraden, dessen seiner, wenn auch bereits etwas schäbig gewordener Anzug augenscheinlich Verwunderung, bei einigen Neid, bei anderen Spott erweckte, wie ihre bei Edmunds Nähertreten sofort wieder in Tätigkeit kommende Zungenübung bewies.

„Na kiek eener! Det Kerlchen hat schon det Leitnantszivil mitjebracht“, schrie ein spindeldürrer, ordinär aussehender Bursche, der den Berliner nicht verleugnen konnte. „Du spekulierst wohl auf blitzartiget Avancement, wat, mei Junge? Dat’s de Dir in so ne Kleedasche ’rinjesteckt hast?“ setzte er mit höhnischem Zwinkern hinzu.

„Lass man! Er fängt dann en einträglichen Tauschhandel an“, brüllte ein anderer spöttisch herüber, auf seine eigenen total zerrissenen Hosen deutend.

In der Hauptsache aber herrschte eine mehr gedrückte, mürrische oder bekümmerte und unruhige Stimmung vor. Den armen Menschen mochte doch wohl eine Ahnung aufdämmern von dem traurigen, elenden Leben, dem sie entgegengingen, und gegen das alles, was sie bisher erlebt haben mochten, ein Kinderspiel gewesen war.

Glaubten auch die meisten noch immer an eine Verbesserung ihrer Lage, an einen besonderen Glücksstern, der sie in der Fremdenlegion zu ungeahnter Höhe emporheben werde, so tat doch die elende, schmutzstarrende Umgebung, die zum großen Teil in Lumpen gehüllten zukünftigen Kameraden, der ganze zuchthausmäßige Anstrich dieses Entrees das möglichste, um für den Augenblick wenigstens auch verkommenen Gemütern jede Hoffnung auf ein günstiges Geschick zu nehmen.

In Edmund aber begann ein Gefühl des Ekels aufzusteigen, ein unsäglicher Abscheu vor dem Leben, dem er entgegenging, dass alles andere, jede bessere, mildere Regung in ihm dadurch erstickt wurde, und er sich wie ein Verbrecher vorkam, der sein Leben verwirkt und nichts mehr auf Erden zu erwarten hat. In diesem Augenblick bereute er bitter, dass er sich in seiner weltschmerzlichen Stimmung hatte betören lassen, den Schein zu unterschreiben, wodurch er sich für die nächsten fünf Jahre unwiderruflich zum Dienst in der Fremdenlegion verpflichtete.

Allerdings blieb dem Jüngling nicht lange Zeit, seiner verzweifelten Stimmung nachzugrübeln•

Der Stabsarzt kam, der die übliche Untersuchung der Angeworbenen vorzunehmen hatte. Dieselbe wurde aber nur ganz flüchtig und oberflächlich abgetan. Ein Anschauen des entkleideten Körpers, ein flüchtiges Befühlen, weder Behorchen, noch Beklopfen, dann ertönte das stereotype „Bon!“ (Gut!) und der nächste kam an die Reihe. Alles in allem eine lächerliche Zeremonie, und alles andere eher als eine Gewähr für die Tüchtigkeit der angeworbenen Mannschaften.

Die ganze Prozedur war in unglaublich kurzer Zeit beendigt. Ein Fahneneid wird den Legionären nicht abgenommen. So blieb bloß noch die Formalität des Unterschriftenvollzugs für diejenigen von Edmunds neuen Kameraden, die nicht durch einen Agenten angeworben worden, sondern aus eigenem freiem Antriebe, irgendeinem dunklen Drange folgend, gekommen waren, um in der französischen Fremdenlegion Dienste zu nehmen.

Diese Leute — es war die Mehrzahl der Harrenden — marschierten jetzt in ihrem zerlumpten Zustande, so wie sie waren, mit einem Korporal ab, um vor den diensthabenden Leutnant geführt zu werden, und dort ihre Namen unter den Vertrag zu setzen, mit welchem sie sich als Soldaten der französischen Fremdenlegion in Afrika auf die Dauer von fünf Jahren verpflichteten.

Außer Edmund blieben nur noch ein paar ebenso junge Männer zurück in dem Zimmer, in welchem die Untersuchung stattgefunden hatte. Diese wenigen waren bereits unterschriftlich verpflichtet und nur eben zum Zwecke der Untersuchung, sowie späteren gemeinschaftlichen Transportes hierhergebracht worden.

Trotz eines gewissen bangen Vorgefühls kommender Schrecknisse konnte Edmund nicht umhin, diese seine beiden Gefährten näher in Augenschein zu nehmen. Nicht nur, dass ihr Schicksal insofern einige Ähnlichkeit mit dem seinigen aufwies, als auch sie, wie er sich jetzt mit geheimem Grauen eingestand, sich gleich ihm von einem Agenten hatten betören lassen, sie gehörten auch zu den wenigen, die sowohl in Bezug auf Kleidung wie Wesen einen etwas anständigeren Eindruck machten.

Sie schienen dem Handwerkerstande anzugehören, und man konnte sie, einer gewissen Ähnlichkeit ihres Äußeren nach, für Brüder halten. Vielleicht war auch ihnen ein schweres Geschick zum Irrlicht geworden, das ihnen eine Oase vorgespiegelt und sie so auf den verderblichen Pfad gelockt hatte. Ihren trüben, fast finsteren Mienen nach konnte man trotz ihrer Jugend auf bittere Erfahrungen schließen.

Obgleich auch Edmund sich des rohen Tones wegen, der unter der Menge der Angeworbenen herrschte, ziemlich reserviert verhielt, und lieber den Spott der neuen Kameraden über sich ergehen ließ, als dass er mit ihnen eine nähere Gemeinschaft hätte eingehen mögen, hier hätte er gern eine Ausnahme gemacht, diese beiden Schicksalsgefährten gern angeredet. Es war nicht sowohl Neugier, als aufrichtige Teilnahme und ein natürliches Mitteilungsbedürfnis, was diesen Wunsch veranlasste. Aber die Unnahbarkeit, die die Gesichtszüge dieser jungen Männer einem jeden gegenüber ständig ausdrückten, ließ auch Edmund von einer Annäherung zurückstehen. Noch hatte er kein Wort aus dem Munde der Schweigsamen vernommen. Er wusste nicht einmal, ob sie deutsche Landsleute waren, ob eine Verständigung mit ihnen möglich sein würde.

Lange blieb auch jetzt nicht Zeit zum Sinnen und Überlegen. Bald erschien wieder der Korporal, der in seinem wunderlichen Gemisch von Französisch und Deutsch den Befehl erteilte, ihm auf den Kasernenhof zu folgen. Dort fand man die anderen Rekruten bereits aufgestellt. Ein Sergeant verteilte die Tagegelder, an jeden Mann einen Frank. Dann führte der Korporal die Kolonne nach der Kantine, wo jeder für das verabreichte Zehrgeld sich etwas zu essen kaufen konnte.

Die ausgehungerten jungen Leute fielen mit einer wahren Gier über das Essen her, das ihnen vom Kantinenwirt mit behaglichem Schmunzeln über die fette Einnahme vorgesetzt wurde. Die meisten der angehenden Legionäre, denen man Hunger und allerlei Entbehrungen aus den hohlen Augen blicken sah, konnten gar nicht satt werden. Sie aßen aber nicht nur doppelte, mitunter sogar dreifache Portionen, die sie so gierig hinunterschlangen, dass es eigentlich kaum mehr die Bezeichnung „essen“ verdiente; sie kauften auch Tabak für ihre kurzen Stummelpfeifen, die selbst denen selten fehlten, die statt der Kleidung nur Lumpen besaßen, und oft genug nicht einmal mehr ein Hemd auf dem Leibe trugen. Andere erstanden vom Kantinenwirt statt des Tabaks Zigaretten, die in Frankreich noch weit mehr als in Deutschland beliebt und eingeführt sind und häufig auch eigenhändig gedreht zu werden pflegen. Leider gab es auch viele unter dem Tross der Rekruten, die die günstige Gelegenheit wahrnahmen, sich einmal gründlich im französischen Absinth1 zu betrinken. Kein Wunder daher, dass der eine Frank (80 Pfennige nach deutschem Gelde) nicht weit bei ihnen reichen, dass sie für die Abendmahlzeit nichts mehr davon übrig haben konnten. Sie suchten sich deshalb in ihrer wüsten Gier an den Mahlzeiten der sparsameren Gefährten schadlos zu halten und fielen wie hungrige Wölfe über jeden Speiserest her, den ein anderer übrig gelassen hatte. In ihrer Trunkenheit balgten sie sich und kollerten mitsamt den erbeuteten Brocken auf dem Fußboden herum, fluchend und schimpfend, zum Gaudium der herumstehenden französischen Soldaten, die ihnen ab und zu etwas hinwarfen, die sinnlose Wut der Kämpfenden noch mehr anstachelnd.

Voller Ekel wendete Edmund sich von dem unwürdigen, schamlosen Treiben ab. Waren diese unglücklichen Verkommenen mit der tierischen Begierde auch noch Menschen zu nennen? Und mit solchen Elementen sollte er nun jahrelang zusammen hausen, ihr rohes Leben teilend, in so enger, täglicher Berührung, dass ein Ausweichen ganz unmöglich war! hatte man doch schon an diesem ersten Tage mehrfach versucht, mit ihm anzubandeln, weil er etwas feineres in Wesen und Kleidung hatte, weil er sich mit ihnen nicht auf eine Stufe zu stellen, nicht in ihren rohen Ton einzustimmen vermochte; weil er es verschmähte, das allgemeine, zuchthausmäßige „Du“ zu gebrauchen, wie es diese Menschen weit weniger aus kameradschaftlicher Zuneigung, als vielmehr aus einem gewissen stumpfen Gefühl gleicher Erniedrigung und gegenseitiger Nichtachtung untereinander anzuwenden pflegten, sondern auf ihre Anrede mit „Du“, wenn überhaupt, dann konsequent mit „Sie“ antwortete. Aus den bangen Träumen, die unseren Edmund quälten, ihm immer wieder vor Augen führend, was für ein Leben seiner warten mochte und ihm die Reuetränen beinahe unbewusst ins Auge treibend, weckte ihn plötzlich ein wilder Lärm, der ihn erschreckt aufschauen ließ.

Der eine der finsteren, wortkargen jungen Männer, die schon heute Vormittag Edmunds Interesse erweckten, hatte einem bleich und schwächlich aussehenden jungen Menschen in seiner mürrischen Weise, ohne ein Wort zu sagen, seinen noch ziemlich reichlichen Mahlzeitrest zugeschoben. Aber ehe dieser noch das Geschenk an sich bringen und zum Munde führen konnte, hatte es ihm ein roher, stämmiger Bursche mit einem Griff und Ruck aus den Händen gerissen und wollte sich eben darüber hermachen, als sich eine sehnige Faust mit ehernem Druck um seinen Arm schloss, ihn wie in einem Schraubstock festhaltend• Wohl oder übel musste der Angegriffene das Essgefäß loslassen, das sofort von dem vorigen Besitzer in Beschlag genommen und rasch verzehrt wurde, bevor ein Anderer es ihm vielleicht wieder wegkapern konnte.

Der Rohling aber merkte nicht sobald, dass nach Erreichung des Zweckes der Druck um seine Rechte nachließ, als er diese mit einem derben Ruck völlig befreite, gleichzeitig aber seinem Gegner mit der freien Linken einen Stoß vor die Brust versetzte, dass dieser zurücktaumelte. Kaum hatte er diese Blöße des Widerparts erspäht, als er sich mit einem Wutschrei, der nichts Menschliches mehr hatte, auf den Überraschten stürzte, ihn fluchend und schimpfend in wildem Ringen mit sich zu Boden reißend. Als der ihm so ähnliche Kamerad seinen Gefährten in dieser gefährlichen Situation unter den Fäusten des rohen Patrons erblickte, sprang er sofort hinzu, den Angreifer des Freundes von hinten packend, indem er sich nun seinerseits auf ihn warf, ihn mit seinen kräftigen Fäusten energisch bearbeitend. Die Anderen sahen nicht sobald, was geschah, als sie auch augenblicklich Partei zu nehmen begannen. Und wenn auch nur einzelne Miene machten, tätig an dem Kampfe teilzunehmen, der da vor ihren Augen entbrannt war, so suchten sie doch ihr gespanntes Interesse daran durch ermunternde Zurufe, durch Schimpfen oder bewundernde Anerkennung zu bekunden.

Das alles war das Werk eines Augenblicks gewesen, und ehe sich Edmund noch von seinem jähen Schrecken ein wenig erholt hatte, sah er schon fünf Gegner sich in wildem Kampfe am Boden wälzen.

Suchend spähte Edmund umher. War denn gar keine Persönlichkeit in der Nähe, die durch ihre Autorität Ruhe und Ordnung zu schaffen vermochte? — Aber nein. Nicht einmal der Wirt ließ sich blicken. Hatte er sich aus dem Staube gemacht, um nicht Zeuge etwaiger grober Ausschreitungen werden zu müssen, die ihm vielleicht in seiner Eigenschaft als Kantinenwirt einer Grenzfestung im fortwährenden Verkehr mit dem oft so rohen Gesindel der angehenden Fremdenlegionäre nichts Seltenes waren?

Sollte sich der junge Mann mit in den Knäuel werfen, dem Bedrohten beizuspringen? Sein Jugendmut und sein fein ausgebildetes Gefühl für Recht und Unrecht drängten ihn dazu, obgleich er sich sagen musste, dass hier der Einzelne nichts ausrichten, sondern nur die Verwirrung vermehren konnte.

Schon blitzte hier und dort ein Messer auf; schon ergriffen einige Tumultuanten Stuhle, den Kampf allgemein zu machen — da kam Edmund ein rettender Gedanke.

„Die Gendarmen kommen!“ schrie er plötzlich mit lauter Stimme wie warnend in das Gewirr der Kämpfenden hinein.

Das Wort, der Ruf hatte die Wirkung eines niederfahrenden Blitzstrahls.

Schnell wie ein Gedanke, mit katzenartiger Gewandtheit sprang der rohe Patron, der durch seine Tat den ersten Anlass zu der Schlägerei gegeben hatte, in die Höhe, die ihn gepackt Haltenden rechts und links zur Seite schleudernd. Alsobald aber wandte er sich, das listige Manöver erkennend, wie ein wildes Tier, dem man seine Beute entreißt, in einem erneuten Wutanfalle gegen Edmund, sich mit gezücktem Messer auf ihn stürzend.

Jedoch ehe es noch zum Angriff kam, öffnete sich die Tür, und in ihr erschien wieder der Korporal, der die Rekruten hergeführt hatte.

Im Augenblick die gefährliche Situation erkennend, sprang er mit einem gräulichen französischen Fluche, dem eine Menge ebenfalls französischer Schimpfwörter folgten, dazwischen, packte den Angreifer beim Kragen, und da er sah, dass Edmund ruhig und wehrlos vor ihm stand, so fragte er nicht erst lange nach dem Zusammenhang, was auch bei seiner Unkenntnis irgend einer anderen als der französischen Sprache schwerlich zu einem Resultat geführt haben würde, sondern zog ein paar Handschellen hervor, wie sie die führenden Korporale zur Vorsicht stets bei sich tragen, und legte sie dem völlig Verblüfften, der auf einmal ganz still geworden war und keinerlei Widerstand leistete, um die Handgelenke. Dann marschierte die Kolonne wieder nach der Mannschaftsstube in der Kaserne ab, in welcher sie gleich nach der Mittagsspeisung untergebracht worden war. Der Gefesselte aber wurde sofort nach Rückkunft auf Anordnung eines Sergeanten, dem der Korporal in französischer Sprache Bericht erstattete, ins „prison“ (Gefängnis) abgeführt, wo er bis zum Abmarsch am nächsten Morgen verblieb.

Als sich alle mehr oder weniger ermüdet auf den ihnen angewiesenen, längs der Wände hinlaufenden Feldbetten zur Ruhe ausgestreckt hatten, kam leise und geräuschlos der eine der beiden Wortkargen, der zuerst den Streit mit dem in prison befindlichen Rohling gehabt hatte, zu Edmund herangeschlichen, um sich zu überzeugen, ob dieser schlafe. Der richtete sich erschreckt empor, als sich der Andere über ihn neigte.

Da reichte ihm dieser einfach die Rechte hin und sagte halblaut im reinsten Hamburger Hochdeutsch:

„Ich danke Ihnen.“

Dann ging er still wieder davon, wie er gekommen, um seine eigene Lagerstatt aufzusuchen.

Edmund aber, obgleich sehr ermüdet, lag noch lange wach, in sinnendem Grübeln über seinem Geschick und dem seiner beiden deutschen Landsleute, das eine gewisse Ähnlichkeit mit dem seinigen zu haben schien. Und wie in der Fremde, im Unglück der Landsmann, der gleichfalls Heimgesuchte an Interesse gewinnt, so fragte sich unser junger Freund unaufhörlich, ob die beiden wohl ebenso wie ihn die absolute Hilf- und Trostlosigkeit ihrer Lage zu einem gefügigen Werkzeug in der Hand des Werbeagenten gemacht haben mochte.

Waren diese beiden Schicksalsgenossen Brüder, wie man ihrer Ähnlichkeit nach glauben konnte? Und welchem Lebenskreise mochten sie entstammen? — Würde er ihre Geschichte jemals erfahren? Würde sie ihr Geschick am Bestimmungsorte wieder zusammenführen? — Was würde sein und ihr Schicksal sein? —

Diese und ähnliche Fragen quälten Edmund noch lange und ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Endlich aber siegte das Vorrecht der Jugend — die Natur forderte ihr Recht, und ein bleierner Schlaf senkte sich auf die Augen des übermüdeten Jünglings. Er entschlummerte — zum ersten Mal im Kasernenraum einer französischen Grenzfestung — zum ersten Mal als Rekrut der französischen Fremdenlegion. —

1 Absinth nennt man eine Art Wermutlikör, ein berauschendes Getränk, das der Franzose besonders bevorzugt.

Die Schmach der Fremdenlegion

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