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1.3Sexuelle Orientierungen

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Das Geschlecht einer Person hat nichts mit ihrer sexuellen Orientierung zu tun. Aber: sexuelle Orientierung ist ebenso wie die Geschlechter unendlich vielfältig. Sexuelle Orientierung beschreibt, wen/was wir begehren, wer/was uns anmacht oder anzieht. Manche Menschen wissen schon früh im Leben, was ihre sexuellen Vorlieben sind; andere brauchen Zeit und probieren sich aus. Manchmal denken wir, wir wüssten alles über Sexualität – und dann zieht uns eine neue Erfahrung plötzlich die Schuhe aus. Daher wird Sexualität als veränderlich und nicht als statisch verstanden.

Es gibt keine ›Standard-‹ oder ›normale‹ sexuelle Orientierung. Stattdessen bestehen Sexualität und sexuelle Orientierung aus einer Ansammlung von Fantasien, Handlungen, Körpern, Sinnesempfindungen und vielen weiteren Aspekten, die wir aus allen möglichen Orten aufnehmen und sie stetig weiter überarbeiten. Jede Person hat ihre eigene einzigartige Sexualität, die nur durch Erkundung freigelegt werden kann. Es macht Spaß und ist gesund, regelmäßig darin einzutauchen, wer und was unsere Säfte fließen lässt. Unsere sexuelle Orientierung gehört nur uns selbst. Es steht weder der Kirche, noch Freund*innen, Eltern, Pornos, Sozialen Medien oder sonst irgendwem zu, darüber zu entscheiden, wen und was eine Person wann und wo sexy findet. Wir sind ständig umgeben von Werbung, Filmen, Liedern und Popkultur, die eine sehr spezifische (und häufig sehr beschränkte) Vorstellung dessen in unsere Köpfe hämmert, was sexy ist. Wie sähen deine Fantasien aus, wenn sie nicht schon so lange diesem Lärm ausgesetzt wären? Je tiefer wir graben, um herauszufinden, was uns wirklich anmacht, desto erfüllter wird unser Sexleben sein.


Es folgt eine abgekürzte Liste sexueller Orientierungen (denke daran, die Möglichkeiten sind unendlich!). Diese Definitionen beruhen auf verschiedenen Quellen und sind weder vollständig noch ausschließlich. Wie die Sexualität jeder Person sind auch die Konzepte von Sexualität veränderlich und entwickeln sich schnell; während die Mainstream-Kultur sich langsam über die Zweigeschlechterlogik hinauswagt, kommen regelmäßig neue Welten der Geschlechter und Sexualitäten hinzu.

asexuellAsexualität bezeichnet ein breites Spektrum an Menschen, die nicht sexuell begehren. Manche asexuelle Menschen spüren etwa nur ein sehr geringes oder gar kein sexuelles Begehren; manche wünschen sich romantische – aber keine sexuellen – Beziehungen; manche möchten gar keine Beziehungen usw. Viele asexuelle Menschen haben eine zweite Orientierung, die ihre romantischen Interessen beschreibt. Es gibt auch asexuelle Personen, die dennoch eine starke Libido haben, die sich aber nicht unbedingt auf andere Menschen bezieht. Asexualität fällt unter den Überbegriff queer und zeigt sich im A in LSBTIQA*.

bisexuellEine Person, die sowohl von Menschen ihres Geschlechts als auch von Menschen anderer Geschlechter angezogen wird, könnte sich als bisexuell bezeichnen. Bisexuelle Menschen müssen sich nicht unbedingt gleichermaßen zu allen Begehrten sexuell und/oder romantisch hingezogen fühlen (z.B. kann eine bisexuelle Person vornehmlich Männer attraktiv finden). Bisexualität fällt unter den Überbegriff queer und zeigt sich im B in LSBTIQA*.

homosexuellEine Person, die (im Rahmen der männlich/weiblich-Zweiteilung) vornehmlich von ihrem eigenen Geschlecht angezogen wird, könnte sich als homosexuell bezeichnen. Schwule und Lesben sind Homosexuelle. Ein Mann, der von anderen Männern sexuell angezogen wird, kann sich als Homosexueller bezeichnen – oder als Schwuler, als Mann, der Sex mit Männern hat, und/oder als Mann, der Männer liebt. Eine Frau, die von anderen Frauen angezogen wird, kann sich als Homosexuelle definieren – oder als Lesbe, als Frau, die Sex mit Frauen hat, und/oder als Frau, die Frauen liebt. Das Wort homosexuell erscheint heute ein wenig formal und medizinisch. Homosexualität fällt unter den Überbegriff queer.

heterosexuellEine Person, die (im Rahmen der männlich/weiblich-Zweiteilung) vornehmlich vom anderen Geschlecht angezogen wird, kann sich als heterosexuell bezeichnen. Manche Leute sprechen im Plural auch von »Heten«.

Es gibt darüber hinaus Abwandlungen von Heterosexualität: Eine Person, die (im Rahmen der männlich/weiblich-Zweiteilung) primär vom anderen Geschlecht angezogen wird, aber manchmal Sex mit Menschen des gleichen Geschlechts oder mit Menschen außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit hat, könnte sich auch als »heteroflexibel« oder »meistens hetero« bezeichnen.

queerQueer ist ein Sammelbegriff, der eine Bandbreite an Menschen bezeichnet, die nicht der heterosexuellen und cisgeschlechtlichen Norm entsprechen. Eine Person kann sich als queer verorten oder queer leben. Das Wort wird auch verwendet, um alle aus der LSBTIQA*-Gemeinschaft als queere Community zu bezeichnen. Als sexuelle Orientierung wird queer gezielt offen definiert, um darin so beweglich wie möglich zu bleiben. Menschen, die sich mit keiner der anderen definierten sexuellen Orientierungen identifizieren, können mit dem Wort queer auf unspezifische Weise über ihre sexuelle Orientierung sprechen. Queer zeigt sich im Q in LSBTIQA*.

schwulEin Mann, der vornehmlich von Männern angezogen wird, könnte sich als schwul bezeichnen. Schwul fällt unter den Überbegriff queer und zeigt sich im S in LSBTIQA*.

lesbischEine Frau, die vornehmlich von Frauen angezogen wird, könnte sich als lesbisch bezeichnen. Lesbisch fällt unter den Überbegriff queer und zeigt sich im L in LSBTIQA*.

pansexuellEine Person, die von allen möglichen Menschen sexuell angezogen wird, könnte sich als pansexuell bezeichnen. Das Begehren ist hier unabhängig von der Geschlechtsidentität oder dem geschlechtlichen Ausdruck der anderen Person, einschließlich solcher Menschen, die sich jenseits der Zweigeschlechtlichkeit bewegen oder androgyn sind. Pansexuelle Menschen können auch Menschen völlig unabhängig von deren Geschlecht attraktiv finden bzw. Geschlecht ist kein Faktor für ihr sexuelles Begehren. Pansexualität fällt unter den Überbegriff queer.

demisexuellEine Person, deren sexuelles Begehren darauf beruht, emotional mit der anderen Person verbunden zu sein, könnte sich als demisexuell bezeichnen. Üblicherweise ist für diese Menschen irgendeine Art der romantischen Beziehung erforderlich, um eine andere Person sexuell attraktiv zu finden.

questioning/wörtlich: (hinter)fragendEine Person, die sich über ihre sexuelle Orientierung nicht sicher ist und aktiv herauszufinden versucht, wo ihr Begehren liegt. Achtung: Das »(hinter)fragend« bezieht sich nicht darauf, eine Person über ihre sexuelle Orientierung zu befragen – das ist unangemessen. Questioning fällt unter den Überbegriff queer.

Der Satzteil »vornehmlich angezogen von« verdient besondere Aufmerksamkeit. Eine Person kann Sex mit Menschen eines Geschlechts haben, sich aber schließlich dazu entscheiden oder feststellen, dass diese Personen sie gar nicht anziehen, dass sie diese Personen nicht wirklich begehrt. Eine heterosexuelle Person, die gleichgeschlechtlichen Sex hatte, ist nicht automatisch homosexuell oder andersherum. Es ist ein übliches Vorgehen, etwas auszuprobieren, um herauszufinden, ob es etwas ist, das wir mögen oder nicht. Sex und/oder sexuelle Handlungen mit einer Person eines bestimmten Geschlechts auszuprobieren, bedeutet nicht, auf eine bestimmte sexuelle Orientierung festgelegt zu sein. Womöglich wird auch eine heterosexuelle Person von einem homosexuellen Porno angeregt; das macht sie nicht homosexuell – das Gleiche gilt andersherum. Auch innerhalb der beschränkenden Bezeichnungen der verschiedenen Sexualitäten gibt es viel Spielraum. Der allerwichtigste Punkt ist, dass jede Person selbst über ihre eigene sexuelle Orientierung entscheidet.


Wie bei der perfekten Jeans kann es sein, dass du eine sexuelle Orientierung anprobiert hast und sofort klar war, dass sie passt. Vielleicht bist du auch experimentierfreudig und nimmst aus unterschiedlichen Momenten etwas mit und vermischst es. Am besten schaffst du deine eigene persönliche sexuelle Orientierung, die maßgeschneidert zu jeder Drehung und Wendung deines lebhaften Selbst passt. Ob du nun heterosexuell, asexuell, homosexuell oder als androgyn-queere Femme mit Doc Martens, Lippenstift und einem Faible für Beyoncé unterwegs bist: Deine sexuelle Orientierung ist perfekt, genau wie sie ist. Menschen nehmen oft an, dass andere Menschen automatisch heterosexuell sind, sofern sie sich nicht ausdrücklich ›outen‹. Diese Voreingenommenheit sowie die Diskriminierung anderer sexueller Orientierungen beruhen auf der Vorstellung, dass sexuelle Anziehung zum ›gegensätzlichen Geschlecht‹ die Norm ist, und werden Heterosexismus genannt. Ob wir unsere sexuelle Orientierung von den Dächern rufen oder sie für uns behalten, ist eine persönliche Entscheidung. Wie und wann wir entscheiden, anderen von unserer sexuellen Orientierung zu erzählen, liegt an uns – nur an uns. Es ist nie okay, eine andere Person zu ›outen‹, es kann tatsächlich gefährlich für sie sein.

Sexuelle Orientierung kann ein heikles Thema sein und sollte entsprechend vorsichtig behandelt werden. Anstatt eine Person über ihre sexuelle Orientierung zu befragen, ist es am besten, die Person selbst das Thema aufbringen zu lassen, wann immer es sich für sie gut anfühlt. Dabei ist es nie angemessen, die sexuelle Identität, die eine Person mitgeteilt hat, infrage zu stellen. Vielleicht ist die Person zwar in einer heterosexuellen Beziehung, identifiziert sich aber als queer; oder sie hatte Dates, sieht sich aber als asexuell; oder sie hatte früher heterosexuelle Begegnungen, ist aber homosexuell; usw. Wenn Menschen miteinander über ihre sexuelle Identität sprechen, ist das eine Gelegenheit, zuzuhören und etwas Intimes von einer anderen Person zu erfahren. Doch am Ende des Tages ist die sexuelle Orientierung nur ein kleiner Bestandteil dessen, was uns als einzigartige Individuen ausmacht. Sie muss nicht unbedingt andere Aspekte unserer Persönlichkeit bestimmen.


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