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«Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen, dort wirket sie geheime Schmerzen, unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh; sie deckt sich stets mit neuen Masken zu, sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen, als Feuer, Wasser, Dolch und Gift.»

Unwillkürlich rutschte Prottengeier in seinem Sitz weiter nach vorne. Er reckte sich, damit ihm keine Bewegung entging. Aber der Mann auf der Bühne bewegte sich nicht. Er stand wie in einem Eisblock gefangen. Die Worte quälten sich aus seinem Mund.

«Den Göttern gleich ich nicht! Zu tief ist es gefühlt; dem Wurme gleich ich, der den Staub durchwühlt!»

Er hörte sein Herz pochen. Immer lauter durch den leeren Zuschauerraum.

«Ich grüße dich, du einzige Phiole! Die ich mit Andacht nun herunterhole, in dir verehr ich Menschenwitz und Kunst.»

Gift natürlich. Das war Gift in dem kleinen Fläschchen. Er biss sich auf die Lippen, ohne es zu merken.

«Du Inbegriff der holden Schlummersäfte, du Auszug aller tödlich feinen Kräfte, erweise deinem Meister deine Gunst!»

Er rückte noch weiter nach vorne und stieß mit den Knien schmerzhaft an den Vordersitz. Egal. Auf der Bühne hob Faust das Fläschchen. Im Zuschauerraum hielt der Kommissar den Atem an.

«Wo bleiben die Osterglocken, verdammt nochmal? Pennt ihr beim Ton? Arbeitslicht, los!»

Er schreckte hoch. Knoller stand vor dem Regiepult in der dritten Reihe, fuchtelte mit den Händen und schrie: «Da müsst ihr reagieren! Karl kann da nicht verzögern. Wenn ihr die Glocken nicht reinfahrt, muss er trinken. Und dann ist das Stück zu Ende, verdammt. Wie oft muss ich das noch sagen!»

Aus der Tonkabine kam über Mikro eine körperlose Stimme: «Schon klar, Chef. ’tschuldigung.»

Prottengeier löste seine verkrampften Hände vom Vordersitz und atmete durch. Auf der Bühne flammte Arbeitslicht auf und ließ den verstört wirkenden Schauspieler hilflos blinzeln, als müsse er erst wieder in der Realität ankommen. Der Kommissar hatte dasselbe Gefühl. Erschöpft lehnte er sich zurück. Damit hatte er nicht gerechnet. Dass ihn das so mitnehmen würde! Er hatte wirklich einen Moment vergessen, dass er in einem Theater war. Hatte die Verzweiflung und die schwarzen Gedanken des Schauspielers da vorne ernst genommen. Überrascht starrte er Brandner an, der jetzt mit hängendem Kopf auf der Bühne stand und Knoller zuhörte, der leise auf ihn einredete. Er würde ihn jetzt nie mehr einen Schönling nennen können.

«Er ist wirklich gut, was?», flüsterte eine Stimme hinter ihm. Peter Less saß dort und starrte, wie er, gebannt auf die Bühne. Er hatte ihn gar nicht hereinkommen hören. Hoffentlich hatte dieser Less nicht gemerkt, wie nah ihm die Szene gegangen war. Peinlich berührt richtete er sich auf und flüsterte ins Dunkel: «Sehr interessant.»

«Das ist sentimentales Gewäsch!», tönte es plötzlich von vorne.

Less huschte auf den Sitz neben ihn und flüsterte: «Und jetzt können Sie noch hautnah miterleben, wie unser Intendant, mit der Sensibilität eines Nilpferds gesegnet, eine wirklich gute Szene in Stücke schlägt.»

Wie auf Stichwort kam von Knoller: «Du machst zu viele Pausen. Du musst das wegsprechen. Das interessiert doch nicht!»

Jetzt wurde auch Brandner laut: «Ich will mich umbringen! Wie soll ich das denn wegsprechen?»

«Der alte Faust ist doch ein verhirnter Trottel. Wenn er verjüngt wird, kommt Action rein. Da will er was! Unter uns: Wen interessiert schon das Gewäsch eines alten Mannes?»

Der Schauspieler stöhnte auf. «Es interessiert Goethe. Es interessiert den Teufel. Und es interessiert Gott.»

Mich interessiert es auch, dachte Prottengeier verwundert.

Brandner wurde noch lauter: «Und wenn es dich nicht interessiert, kannst du dieses Stück eben nicht inszenieren.»

Knoller schnappte hörbar nach Luft, um dann fast freundlich zu sagen: «Mein lieber Karl, was ich inszenieren kann und was nicht, entscheide ich. Und ich entscheide, wie gespielt wird! Wenn ich sage, keine Pausen, machst du auch keine! Ist das klar?» Damit ließ der Intendant ihn stehen, ging zu seinem Regiepult und flüsterte mit dem Assistenten.

Brandner machte ein Gesicht, als hätte man ihn geohrfeigt. Prottengeier hatte den Streit aufmerksam verfolgt. Trotzdem verstand er nicht ganz, worum es da eigentlich ging.

Jetzt rief der Assistent zur Bühne hoch: «Nächste Szene, Auftritt Mephisto. Ist Peter da?»

Less neben ihm sprang auf und schlenderte zur Bühne. Oben angekommen, legte er dem immer noch versteinert dastehenden Brandner die Hand auf die Schulter: «Nichts Abgeschmackteres find ich auf dieser Welt, als einen Teufel, der verzweifelt. Los, Karl!»

Brandner reagierte nicht. Less warf einen besorgten Blick auf seinen Kollegen und stellte sich im Bühnenhintergrund in Position. Das Arbeitslicht wich dem weicheren Bühnenlicht. Prottengeier sah erwartungsvoll zu den beiden Schauspielern hoch.

Plötzlich begann es im gesamten Bühnenraum zu klingeln. Rechts und links des Portals blinkten rote Warnlampen und tauchten die Bühne in ein gespenstisches, zuckendes Licht. Knoller und sein Assistent sprangen von ihren Sitzen. Less starrte verwirrt zum Portal. Und dann sah er es.

Oben am Portal, das den Zuschauerraum von der Bühne trennt, erschienen Dornen. Spitze Eisendornen, die sich langsam und bedrohlich auf den Weg nach unten machten.

«Der Eiserne!», brüllte Knoller über das ohrenbetäubende Klingeln. Fasziniert sah Prottengeier, wie sich eine dornenbewehrte, eiserne Wand unerbittlich aus dem Nichts nach unten schob. Ein unbarmherziges Urzeittier machte sich daran, die Bühne mitsamt den Menschen darauf zu verschlingen.

Karl Brandner stand stumpf und reglos genau unter den eisernen Zähnen des Monsters. Knoller brüllte: «Den Totmannknopf! Drückt den Totmannknopf!»

«Weg da, Karl», schrie der Assistent. Brandner rührte sich nicht. Eine der spitzen Dornen war nur noch wenige Zentimeter von seinem Kopf entfernt.

Prottengeier sprang auf. Er hörte Less schreien. Mit einem Satz war der Schauspieler bei seinem versteinerten Kollegen, riss ihn zu Boden und rollte mit ihm zur Bühnenmitte.

Die roten Warnlampen blinkten schneller. Ein Stuhl war dem Monster im Weg. Überlaut splitterte die Sitzfläche, als ein Eisenzahn sie durchbohrte. Knoller hechtete mit einem Sprung auf die Vorbühne und rollte unter der eisernen Wand durch. Eine Sekunde später war es still.

Die roten Warnlampen erloschen. Knapp vor dem Bühnenboden waren die eisernen Zähne zum Stehen gekommen. Das Tier hatte die Bühne fast verschluckt.

Dann klingelte es wieder. Die roten Warnlichter drehten sich, und das Tier öffnete sein Maul. Wie ein Beutestück hing der aufgespießte Stuhl an einem Zahn und wurde mit nach oben geschleppt. Am oberen Portalrahmen klemmte er fest, löste sich und fiel krachend zu Boden. Der Spuk verschwand, und erneut kehrte Ruhe ein.

Auf der Bühne lag Peter Less über seinem Kollegen, als versuche er, ihn mit seinem Körper zu schützen. Von der Seitenbühne kam Knoller und wischte sich den Schweiß von der Stirn. «So eine Scheiße, so eine gottverfluchte Scheiße!»

Less richtete sich auf und schüttelte benommen den Kopf. Der Intendant ging auf die beiden zu und kniete sich neben den noch immer reglosen Brandner.

«Karl, wieso bist du stehen geblieben? Du kannst doch nicht einfach stehen bleiben. Das Ding hätte dich aufgespießt. Karl!»

Der Schauspieler sah ihn noch nicht einmal an.

«Lass ihn in Ruhe!», zischte Less mit scharfer Stimme. Verstört stand Knoller wieder auf und sah sich hilflos um.

Zwei Männer stürmten die Bühne. Prottengeier erkannte Triller, den stellvertretenden technischen Leiter. Den zweiten Mann, einen großen Hageren, hatte er noch nie gesehen.

«Was ist hier los? Wieso hat der Eiserne geklingelt?», polterte Triller. Sein dichter Schnauzer, der wie angeklebt unter der knorpeligen Nase saß, bebte vor Entrüstung.

Damit kam er bei Knoller schlecht an. «Herr Triller! Schön dass Sie da sind. Gerade kam der Eiserne runter. Können Sie das erklären?»

Triller blieb vor Überraschung der Mund offen stehen. Aber Knoller war noch nicht fertig. Böse wandte er sich an den großen Hageren. «Und Sie? Wo waren Sie eigentlich? Wieso waren Sie nicht an ihrem Platz? Wieso war das Inspizientenpult nicht besetzt?»

Der Hagere bekam einen roten Kopf und schien in sich zusammenzusinken. Wie ein wütender Terrier kläffte Triller: «Was soll das, Gustav? Was heißt das, du warst nicht an deinem Platz?»

Gustav sah vor dem geballten Angriff der kleinen dicken Männer aus, als würde er sich am liebsten unsichtbar machen. Er schrumpfte noch ein paar Zentimeter und murmelte unglücklich: «Ich war auf der Toilette. Nur ein paar Minuten, das schwör ich.»

Aber Knoller hatte nicht vor, sich besänftigen zu lassen. «Auf der Toilette! Und in der Zwischenzeit kommt der Eiserne runter und erschlägt meine Schauspieler! Und der Inspizient sitzt seelenruhig auf der Toilette!»

«Ich musste...», murmelte der Unglücksrabe.

Mit einem wütenden Schnauben schnitt der technische Leiter ihm das Wort ab. «Darüber reden wir noch, Gustav. Was ist hier eigentlich passiert?»

«Das habe ich doch gerade gesagt», knirschte der aufgebrachte Intendant. «Der Eiserne ist plötzlich losgegangen, hat Karl fast erschlagen und beinahe Löcher in das Bodentuch gerissen. Wieso ist das eigentlich nicht präpariert? Das sollte doch längst erledigt sein!»

Ohne zu antworten, stürmte Triller von der Bühne, gefolgt von dem wütenden Intendanten und dem unglücklichen Gustav.

Prottengeier, der bis jetzt im Zuschauerraum geblieben war, stieg auf die Bühne. Karl und Peter schienen den Tumult um sich herum gar nicht wahrzunehmen. Sie knieten am Boden, und Less redete beruhigend auf seinen Kollegen ein. Die beiden nahmen auch von ihm keinerlei Notiz, als er neugierig zur Seitenbühne ging, wo sich die anderen drei um einen Glaskasten versammelt hatten.

Die Tür des Kastens, in dem nur Knöpfe und Hebel zu sehen waren, stand weit offen. Der Schlüssel steckte. Die drei Männer studierten die verschiedenen Knöpfe, als ginge es darum, das Rätsel der Sphinx zu ergründen. Triller schüttelte immer wieder den Kopf und brummte: «Das gibt’s doch nicht. Ich versteh das nicht.»

Entschlossen drückte er einen großen roten Knopf, und sofort begann es zu klingeln. Oben am Portal fuhren die Dornen aus. Ein zweiter Knopfdruck, und sie verschwanden wieder.

«Alles in Ordnung», triumphierte der technische Leiter. Wieder drückte er den Knopf, Klingeln, Dornen. Ein weiterer Knopfdruck, die Dornen verschwanden. Zufrieden wandte er sich zu den anderen. «Alles völlig in Ordnung. Der kann nicht runtergekommen sein.»

«Ist er aber», knurrte der Intendant.

«Entschuldigung. Was genau ist das eigentlich?»

Erstaunt wandten sich die drei Männer um. «Herr Prottengeier, Sie hatte ich ganz vergessen», entfuhr es Knoller. Der unglückliche Gustav löste sich aus der Gruppe und flüchtete an das gegenüberliegende Inspizientenpult, um dort verzweifelt auf seine Knöpfe zu starren. Prottengeier trat näher an den Kasten.

«Dieser Eiserne, was ist das genau?», beharrte er.

«Das ist der Brandschutzvorhang zwischen Bühne und Zuschauerraum. Wird nach Proben und Vorstellungen heruntergelassen. Sicherheitsbestimmungen, wissen Sie», erklärte Knoller.

Triller erwies sich als mitteilsamer. Nicht ohne Stolz erläuterte er: «Das ist noch ein richtiger Eiserner, nicht so ein Asbestding wie in neueren Theatern. Der wiegt seine zehn Tonnen und ist in fünfzehn Sekunden unten. Und sehen Sie mal, die Dornen.» Pflichtschuldig hob der Kommissar den Kopf. «Die verankern sich im Bühnenboden. Da kommt kein Feuer durch!»

«Ist denn die Feuergefahr so groß?», wollte Prottengeier wissen.

«Klar», nickte Triller. «Die qualmen doch dauernd in diesen neumodischen Inszenierungen. Und dann die ganze Elektrik. Die heißen Scheinwerfer. Und überall Stoff und leicht entzündliches Material.»

«Und der Eiserne wird von Hand bedient?»

Wieder nickte der technische Leiter. «Natürlich! Stellen Sie sich mal vor, was passieren kann, wenn der von alleine losgeht.»

«Also wird ihn jetzt auch jemand bedient haben.»

Der Intendant und sein Techniker stutzten. «Wie bitte?», fragte Knoller.

«Jemand hat den Eisernen mit Absicht heruntergelassen», erläuterte der Kommissar seelenruhig.

«Aber warum? Ich meine, warum sollte jemand ... das ergibt doch keinen Sinn», stammelte Knoller wie betäubt.

«Da ist ein Irrer im Theater, das steht fest», meinte der technische Leiter, der sich schneller als sein Chef wieder gefangen hatte. «Der Eiserne ist völlig in Ordnung. Der ist nicht von allein runtergekommen. Das kann ich beschwören. Da muss jemand dran rumgemacht haben!»

«Ich muss Sie bitten, diesen Kasten nicht weiter anzufassen. Vielleicht findet die Kriminaltechnik j a irgendetwas.»

«Klar. Fingerabdrücke!» Triller hatte seine Krimis gelesen. Der Intendant stand immer noch da wie vom Blitz getroffen. Mitleidig legte Triller seinem fassungslosen Chef die Hand auf die Schulter. «Ich sag doch, da muss ein Irrer unterwegs sein.»

Irritiert schüttelte Knoller die Hand ab und sah fragend zu Prottengeier.

«Es tut mir Leid, meine Herren. Ich weiß nicht mehr als Sie. Normalerweise ist der Kasten abgeschlossen?»

Triller, der sich offensichtlich für die Untersuchung erwärmte, sagte eilfertig: «Der Schlüssel steckt immer. War ja Unsinn, wenn man bei einem Brand erst den Schlüssel suchen müsste. Aber der Inspizient steht ja gleich daneben.» Gustav gab einen undefinierbaren Laut von sich. «Wenn er da steht, meine ich», fuhr Triller unbarmherzig fort.

«Eine Minute. Es war nur eine Minute», wimmerte der Unglücksrabe, der sich dafür von seinen Vorgesetzten vernichtende Blicke einfing.

«Also muss jemand die Bühne beobachtet haben. Und sobald er sah, wie der Inspizient seinen Platz verließ, kam er hierher. Von wo kann er das alles im Blick gehabt haben?» Alle Augen wanderten nach oben zur Arbeitsgalerie.

Prottengeier nickte. «Gut, dann werden wir uns die Galerie auch wieder ansehen. Wer ist heute Morgen im Haus?»

«Alle», seufzte der Intendant. «Zehn Uhr, da ist das Haus voll. Alle Abteilungen sind besetzt. Die Verwaltung, Kantine, einfach alle.»

«Noch etwas, Herr Knoller. Sie haben eben etwas von einem Totmannknopf gerufen. Was ist das?»

«Kommen Sie, den zeig ich Ihnen. Der ist auf der anderen Bühnenseite», erbot sich Triller eifrig und marschierte los. «Das ist der Notstopp für den Eisernen. Falls was drunter steht, oder jemand drunterkommt. Der Eiserne zerquetscht alles. Deshalb muss beim Runterfahren immer jemand am Totmannknopf stehen.»

«Das war ganz schön sportlich, wie Sie unter dem Eisernen durch sind», sagte der Kommissar anerkennend.

Wie vom Blitz getroffen blieb Triller stehen. «Was sind Sie? Unter dem Eisernen durch?»

Knoller war es sichtbar unangenehm. «Ich musste ihn doch stoppen.»

«Sie sind unter dem Eisernen durch? Schon wieder? Das gibt’s doch nicht!» Voll Zorn blitzte Triller seinen Chef an.

Der trat einen Schritt zurück und sagte würdevoll: «Ein Notfall, Herr Triller.»

Prottengeier stand verlegen zwischen den beiden Männern. Offensichtlich hatte er da ahnungslos etwas losgetreten.

«Wie oft hab ich schon gesagt, dass niemand unter dem Eisernen durch darf, wenn er fährt. Niemand! Ich bin hier für die Sicherheit verantwortlich! Und ich geh nicht in den Knast wie Klaus, bloß weil ihr unter dem Eisernen turnt!»

«Ich bitte Sie, Triller. Ich habe nicht geturnt. Es war ein Notfall.»

Aber Triller war nicht mehr zu bremsen. Außer sich vor Zorn brüllte er: «Verdammte Scheiße! Dauernd machen Sie das! Das krieg ich doch erzählt. Und wenn was passiert, bin ich dran. Das ist doch kein Spielzeug!»

«Herr Triller, es reicht.»

Aber Triller reichte es noch lange nicht. Mit hochrotem Kopf wütete er weiter: «Neulich seh ich, wie einer der Beleuchter unter dem Eisernen durchspringt. Und als ich ihn zur Rede stelle, sagt der mir ganz frech ins Gesicht: Wieso, das macht der Chef doch auch. Unverantwortlich nenn ich das. Unverantwortlich!»

Knoller, dessen Gesicht sich ebenfalls langsam rötete, gab ein scharfes «Nicht in diesem Ton!» von sich. Aber das kümmerte den aufgebrachten Triller einen Dreck. «Jeder hier hat sich an die Sicherheitsbestimmungen zu halten. Jeder! Auch der Chef! Aber Gottvater spielen. Sich einen Scheiß um die anderen scheren. Da wundert’s mich nicht, wenn hier was passiert!»

Jetzt hatte Knoller die Schnauze voll. «Wenn hier anständig gearbeitet würde, würde gar nichts passieren. Es ist Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Leute an ihren Plätzen bleiben. Dann könnte auch kein Wahnsinniger am Eisernen fummeln. Es ist Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das Bodentuch vorgestanzte Löcher hat. Wo sind die? Es ist Ihre Aufgabe...»

«Ach, jetzt bin ich schuld?», unterbrach ihn Triller, der totenblass geworden war. «Ich bin schuld, ja? An den Unfällen. An allem. Aber nicht mit mir, das sag ich Ihnen. Nicht mit mir!» Aufgebracht schnappte er nach Luft und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Prottengeier betrachtete ihn besorgt. Mit dem Mann stimmte etwas nicht. Aus seinem Gesicht war alle Farbe gewichen. Er stolperte rückwärts und versuchte immer verzweifelter, Luft zu bekommen. Auf seinen bläulichen Lippen sammelte sich Speichel.

Entschlossen trat Prottengeier zu ihm und half ihm, sich auf den Boden zu legen. Über die Schulter rief er: «Schnell einen Krankenwagen. Der Mann hat einen Herzanfall.»

Hinter sich hörte er Karl Brandner schreien: «Du Drecksau! Ich bring dich um! Du weißt genau, dass er herzkrank ist.»

Die Schauspieler hatte er ganz vergessen. Als er sich umdrehte, sah er, wie Peter Less seinen wild um sich schlagenden Kollegen zu bändigen versuchte. Knoller stand fassungslos dabei.

Die waren alle verrückt geworden. Es war genug.

«Schluss jetzt! Brandner, Sie gehen sofort zur Pforte. Wir brauchen einen Krankenwagen. Less und Knoller, kommen Sie her, ich brauche Ihre Hilfe.»

Verblüfft registrierte er, dass alle auf ihn hörten. Dabei hatte er noch nicht einmal geschrien.

Das Spiel heißt Mord

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