Читать книгу I fight for you - Madlen Schaffhauser - Страница 5
3. Kapitel
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Jetzt wird es langsam Zeit, dass ich Ike etwas liefere. Den Tagesablauf des Mercedes-Typen. Dessen Vorlieben. Dass ich es geschafft habe, das System des Panthers – wie ich den Mercedes mittlerweile getauft habe – zu knacken. Irgendwas. Denn er wird allmählich ungeduldig.
Schon seit einer Woche beobachte ich die Gegend um die Abingdon Villas und den Besitzer des Autos, den ich bisher nur einmal zu Gesicht bekommen habe, als ich ihm ins Parkhaus folgte. Ich kann kaum glauben, dass dieser Mann immer in seinem Haus sitzt. Bedenkt man, wie er gekleidet war, in welcher Gegend er wohnt und welche Perle er fährt, kommt es mir seltsam vor, es hier mit einem Einsiedler zu tun zu haben. Was ist mit Freunden, Familie, Frauen? Einem Job?
Nur wenige Meter vor mir steht der nachtschwarze Wagen, den ich zu hacken versuche, bloß fehlt mir noch immer das Funksignal des Schlüssels, um dann die Codierung des Chips im Autoschlüssel zu knacken und zu reproduzieren. Aber solange sich der Besitzer nicht zeigt, kann ich das Signal nicht auffangen und damit komme ich nicht in das System. Ich habe es auch schon über die Herstellerfirma des Mercedes’ versucht. Leider ohne Erfolg. Sollte das eine Warnung sein?
Seit Tagen beschleicht mich ein seltsames Gefühl bei dieser Sache, dessen Ursprung ich nicht erklären kann. Ich schiebe den Gedanken schnell fort, bevor er sich verwurzeln kann.
Ich beschließe, die Sache abzubrechen und morgen wiederzukommen. Allerdings in der Nacht. Da ich am Tag noch kein Glück hatte, probiere ich es eben zu einer anderen Zeit.
Bevor ich losfahre, melde ich mich kurz bei Ike.
Verdammt gutes Sicherheitssystem. Echt schwer zu knacken. Mache Schluss für heute.
Ich fahre durch London und betrachte die Menschen, die zu Fuß durch die belebten Straßen gehen. Viele unterhalten sich mit jemandem und gestikulieren dabei. Eine Frau lacht über etwas, das ihr soeben ein Mann ins Ohr geflüstert hat.
Ein solcher Anblick stimmt mich immer traurig. Dann muss ich mir vor Augen führen, dass ich allein bin, mit niemandem meine Sorgen, Ängste, aber auch fröhlichen Momente teilen kann.
Vor drei Jahren habe ich nicht nur Dean, sondern auch Kane verloren. Und damit den Sinn meines Lebens. Kane war mein bester Freund, meine große Liebe, mein Anker. Doch nach einer gemeinsamen Nacht war er plötzlich weg und hat sich nie mehr blicken oder von sich hören lassen. Obwohl mir Kane mit seinem Verschwinden das Herz in tausend Stücke riss, bringe ich es nicht über mich, einem anderen Mann eine Chance zu geben. Es ist einfacher, sich zu isolieren, als andere Leute kennenzulernen und sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Kaum bin ich auf der A40 läutet mein Handy.
»Ja?«
»Ist alles gut bei dir?«, fragt mich Ike.
»Aber sicher«, sage ich so locker wie möglich. »Warum?«
»Nur so. Kommst du noch vorbei?«
Was ich an Ike mag, ist, dass er mich nicht mit Fragen löchert. Sicher, anfangs, als ich in die Clique kam, war es anders, aber er hat glücklicherweise schnell begriffen, dass ich dichtmache, wenn ich ausgefragt werde.
»Denke nicht.«
»Komm schon. Ablenkung wird dir guttun. Außerdem haben wir was zu feiern.«
»Und das wäre?«, frage ich neugierig, weil in seiner Stimme plötzlich ein aufgekratzter Ton mitschwingt.
»Das wirst du erfahren, wenn du hier bist.«
Damit hat er mich. »Ich bin in ein paar Minuten bei euch.« Ich nehme die nächste Ausfahrt und drehe um.
Kurze Zeit später halte ich vor der Garage, schreibe aber Jayson noch eine kurze Nachricht, dass es später wird, ehe ich zu den anderen gehe.
»Hey Jungs!«, rufe ich in die versammelte Runde, als ich durch die Halle, die Greg und Chad als Werkstatt dient, in einen kleineren Raum komme. Das hier ist so was wie eine Art Büro und gleichzeitig ein Erholungsraum. Ike, Perce und Greg sitzen verteilt auf den drei schäbigen Ledersofas, die um einen improvisierten Tisch aus Holzpaletten stehen. Chad steckt gerade seinen Kopf in einen weißen Kühlschrank. »Und?«
»Hey Sue!« Es tönt fast wie aus einem Chor.
»Gimme five.« Ike streckt seine Rechte in die Höhe.
Ich klatsche ab. »Wofür war das?«
»Chad, bringst du der Süßen ein Bier?«, erkundigt sich Ike bei seinem Freund, statt mir eine Antwort zu geben.
Chad taucht wie aufs Wort mit einer Flasche auf.
»Auf uns und unser Geschäft!«, grölt Ike.
Alle heben ihr Bier und stimmen in das Gegröle ein. Dann kippen sie ihre Flaschen.
»Kann mir mal jemand sagen, warum ihr so in Feierstimmung seid?«, frage ich und sehe die Männer an.
»Wir haben die letzte Sportkarre verkauft und für die nächsten fünf bereits einen Abnehmer«, antwortet Ike und klopft neben sich auf das Polster. »Setz dich.«
Ich lasse mich neben ihm nieder. »Was?« Ungläubig sehe ich Ike an, dann schaue ich in die Runde. »Da ist doch was faul, oder?«
»Nö«, gibt Perce lässig zur Antwort und knibbelt dabei das Etikett der Bierflasche ab. »Ich habe den Kerl sehr genau unter die Lupe genommen. Brandt Conners ist einfach ein reicher Wichtigtuer, der gern coole Schlitten fährt, aber nicht zu viel bezahlen möchte. Und nichts in der Birne hat.«
Mein Blick schweift von Perce über die Gesichter der anderen hin zu Ike. »Und wozu braucht der Kerl so viele Autos?«
Er zuckt mit der Schulter. »Kann uns egal sein«, meint er und nimmt einen weiteren Schluck von seinem Bier.
»Mir ist es aber nicht egal. Ich traue dieser Sache nicht«, widerspreche ich.
Ike atmet genervt aus. »Du brauchst nicht misstrauisch zu sein. Der Typ ist einfach bescheuert, verwöhnt und geil auf Spritfresser, die wir besorgen können. Vielleicht verhökert er sie weiter, vielleicht will er einfach vor seinen verzogenen Bunnys angeben. Wie gesagt, unbedeutend.«
»Und ihr wollt, dass ich da mitmache?«
»Na klar. Du bist diejenige, die sie knackt.«
»Mir gefällt das nicht.«
Perce legt die Arme auf die Knie, seine Bierflasche baumelt zwischen den Beinen. »Wenn es dich beruhigt, gebe ich dir die Informationen, die ich über Conners herausgefunden habe, damit du selbst sehen kannst, dass wir von diesem Kerl nichts zu befürchten haben.«
»Ich weiß nicht.«
»Jetzt gib dir mal ’nen Ruck.« Ike stößt mir mit seinem Ellenbogen in die Seite. »Hatten wir schon jemals ein solches Glück?«
»Eben«, erwidere ich.
»Stell dir vor, wenn wir das hinter uns haben, können wir uns für eine Weile zur Ruhe setzen.«
»Das glaubst du doch wohl selbst nicht.« Ich atme tief durch. »Du wirst nie genug haben.«
Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. »Stimmt.« Die anderen krümmen sich vor Lachen und johlen zustimmend, ehe sie darauf anstoßen, dass sie nie genug haben werden. Chad, der darauf konzentriert war, einen Joint zu bauen, zündet ihn nun an, nimmt ein paar Züge und reicht ihn dann an Ike weiter.
Ich schüttle nur den Kopf und trinke mein Bier aus. »Und wann wollt ihr damit anfangen?«
»Du bist bereits dran.«
»Ihr habt Conners schon von unserem nächsten Raub erzählt?«, frage ich fassungslos.
»Na klar.«
»Seid ihr verrückt?« Entsetzt springe ich auf.
»Warum?« Perce zieht seine Augenbrauen zusammen. »Wir haben ihm nicht verraten, wo wir unsere Autos herhaben. Ein bisschen vertrauen solltest du uns schon noch.«
»Tut mir leid, aber es macht mich nervös.«
»Braucht es nicht. Wir haben alles unter Kontrolle. Setz dich wieder hin.« Das ist Ike. Immer locker. Immer cool. Alles im Griff.
»Was ist, wenn ich sage, dass es keine Kleinigkeit ist, unser jetziges Objekt zu hacken? Und es bei den anderen nicht anders sein wird?«
»Sieh nicht immer so schwarz. Du schaffst das. Schließlich hast du es noch jedes Mal fertiggebracht.« Perce, der auf der Couch rechts von mir sitzt, beugt sich vor und klopft mir aufmunternd auf das Knie.
»Hier.« Greg drückt mir ein weiteres Bier in die Hand. »Entspann dich.«
Ich hoffe, dass sie recht haben. Mein kleiner Bruder braucht mich. Bei unseren Coups darf nichts schiefgehen. Absolut nichts.
Ich kann mir noch so oft gut zureden, trotzdem überkommt mich ein seltsames Gefühl.
Eigentlich war es nicht mein Plan, bis tief in die Nacht unterwegs zu sein, aber irgendwas lockt mich heute. Nach dem zweiten Bier, verabschiede ich mich von den Jungs, um im nächsten Tankstellenshop eine Flasche Whisky – Whisky, der praktisch jeden Abend mein Erlöser ist – zu kaufen. Dann fahre ich auf eine kleine Anhöhe ganz in der Nähe meines Hauses. Den Weg kenne ich auswendig. Und obwohl es mir jedes Mal fast den Magen umdreht, wenn ich an diesen Ort gehe, ist er seit Jahren mein Lieblingsplatz.
Als ich am Ende der unbefestigten, schmalen Straße ankomme, stelle ich das Auto so hin, dass ich geradewegs auf Amersham hinabblicken kann. Rechts von mir steht eine einsame Bank, die ständig frisch gestrichen wird und auf der ich schon Stunden verbracht habe. Heute bleibe ich jedoch in meinem Auto sitzen. Hinter mir tut sich ein großer Wald auf. Eiben, Buchen und Tannen bilden eine dunkle Wand, während ich vor mir in weite Ferne sehen kann, in der tausende Lichter brennen.
Ich öffne die Flasche und nehme einen Schluck. Es brennt in meiner Kehle, was ich sehr willkommen heiße, während ich auf Amersham hinabstarre.
Dort unten lebten einmal all die Menschen, die ich liebe. Heute ist nur noch eine Person da. Tränen bahnen sich einen Weg an die Oberfläche und rollen unaufhaltsam über mein Gesicht. Ich führe die Flasche an meinen Mund, mehr Whisky fließt meinen Hals hinab und betäubt den Schmerz in meinem Herzen.
»Warum musstet ihr mich verlassen?«, flüstere ich in die Dunkelheit. Ich vermisse meine Eltern und meinen Bruder Dean. Und Kane. Ich vermisse ihr Lachen, ihre Stimmen, ihre Lebensfreude, ihre bekräftigenden und aufmunternden Worte, wenn ich nicht mehr weiterwusste.
Sie fehlen mir.
Ich hebe die Flasche. Es mag für eine Frau nicht besonders elegant sein, zu trinken, doch das ist das einzige Mittel, um meine Sorgen für eine Weile zu vergessen. Dem inneren Druck zu entfliehen.
Ich bin Jaysons große Schwester. Ich trage nicht nur die Verantwortung für ihn, ich möchte auch, dass er glücklich ist. Aber manchmal frage ich mich, ob das möglich ist, wenn ich weiter für die Jungs arbeite. Nur durch sie haben wir Bargeld. Können in unserem Haus wohnen bleiben. Uns selbst versorgen. Es ist wie in einem Teufelskreis. Ich brauche das eine, um das andere haben zu können.
Ich muss daran denken, wie ich mit meinen Eltern und Brüdern oft in die Wälder gegangen bin. Meistens haben wir am Waldrand ein Feuer gemacht und Würste gebraten oder auch mal ein Picknick gehalten.
Damals war das Leben noch einfach.
Ich nehme einen weiteren Schluck und kann auf diese Weise Stunden hier oben verbringen und die einkehrende Stille in meinem Kopf genießen. Keine Gedanken, keine Verantwortung, nur ich und der Alkohol.
Plötzlich bekomme ich eine Gänsehaut. Langsam drehe ich den Verschluss auf die Whiskyflasche und sehe mich dabei nach allen Seiten um. Es ist dunkel und ich kann nichts erkennen, was dieses seltsame Gefühl rechtfertigt. Vermutlich habe ich zu viel getrunken.
Ich sollte heim und nach Jayson sehen. Der Tag war lang genug. Doch erst muss ich wieder nüchtern werden, ehe ich mit meinem Wagen nach Hause fahre.