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Hernando Cortéz

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Die Geschichte der „Conquista“ beginnt in der Estremadura, der staubigsten, kargsten und einsamsten Provinz Spaniens. 1484 wird hier in der kleinen Stadt Medellín der erste der großen Eroberer geboren: Hernando Cortéz. Nach dem Wunsch der Eltern wird der aufgeweckte Junge in Jura ausgebildet und nicht, wie üblich, im Militärwesen. Cortéz gehört zu den großen Namen der Weltgeschichte, und doch bleibt seine Vita bis heute rätselhaft. Ein Schürzenjäger und ein Spieler soll er gewesen sein. In jedem Fall war er ein typisches Produkt der Renaissance, wissensdurstig, waffengewandt, hungrig nach Abenteuer, Ruhm und Ehre. Er ist der Held unserer ersten Geschichte – wenn man Jemanden als einen Helden bezeichnen kann, der den Untergang einer Zivilisation und den Tod hunderttausender von Menschen zu verantworten hat.

22 Jahre ist Cortéz alt, als er 1506 Spanien verlässt und sich in die Neue Welt aufmacht. Er siedelt sich zunächst auf Hispaniola an – heute teilen sich die Dominikanische Republik und Haiti die Insel – etwas später zieht er nach Kuba.

Die spanischen Kolonien auf den Antillen bestehen zu der Zeit gerade mal seit zehn Jahren. Doch in dem Jahrzehnt seit Kolumbus’ erster Entdeckungsreise ist das geographische Wissen der Europäer enorm gewachsen. Im Jahre 1500 erreicht der Spanier Vicente Yánez Pinzón den Amazonas und der Portugiese Pedro Álvares Cabral landet – versehentlich – im südlichen Teil Brasiliens. Trotzdem wird Brasilien für die nächsten 30 Jahre nicht weiter erforscht, vermutlich weil sich Klima und Landschaft wenig für eine Kolonisierung eigneten.

Auch Nordamerika bleibt noch für weitere 100 Jahre unbesiedelt, obwohl 1497, also noch vor Kolumbus, Giovanni Caboto – unter englischer Flagge und mit dem englischen Namen „John Cabot“ – das amerikanische Festland bei Labrador erreicht. Kurioserweise werden beide, Kolumbus wie Cabot, um die Ehre geprellt, dem neuen Kontinent ihren Namen zu geben. Diesen Ruhm stiehlt sich völlig ungerechterweise ein cleverer Mitreisender der Entdeckungsfahrten mit einer großen Klappe: der Italiener Amerigo Vespucci. Der deutsche Geograph Martin Waldseemüller geht der Eigenwerbung Vespuccis auf den Leim, und führt 1507 den Namen „Amerika“ ein – eine der großen Ungerechtigkeiten der Geschichte.

Die wahren europäischen Entdecker Nordamerikas sind sowieso die Skandinavier, die schon um das Jahr 1000 die Küsten Neufundlands erreicht hatten. Ihre Reisen waren zwar nicht völlig in Vergessenheit geraten, aber das Wissen darüber war nicht weitergegeben worden.

In den Jahren 1508/1509 erreichen die Spanier zum ersten Mal die Yucatán-Halbinsel, ein Jahr später die Küste Floridas. Noch herrscht die Ansicht vor, dass all dies Inseln seien, an denen man vorbei bis nach China segeln könne. Doch dieses Bild verändert sich sehr bald. 1513 bahnt sich Vasco Núnez de Balboa einen Weg durch den Dschungel in der Landenge von Panama und erblickt zum ersten Mal den Pazifik, die „Südsee“.

Der entscheidende Moment für Cortéz kommt mit zwei Expeditionen nach Yucatán. 1517 erreicht der spanische Kapitän Córdoba die Spitze der Halbinsel Yucatán und kommt zum ersten Mal in Berührung mit der Kultur der Mayas. Dies sind nicht „primitive“ Stammesvölker wie auf den Westindischen Inseln, die von den Kolonialherren rücksichtslos versklavt werden. Es ist eine hoch entwickelte Zivilisation, die die Spanier beeindruckt. Zu dieser Zeit ist die Kultur der Mayas bereits seit langem im Niedergang begriffen, ihre Hochblüte hatte sie im 9. Jahrhundert. Selbst die großen Städte der späten Zeit wie Chichen Itzá sind verlassen und vom Tropendschungel überwuchert. Aber es gibt immer noch organisierte Stadtstaaten mit Schriftkultur und Handel entlang der Küste.

Zunächst wird Córdoba als Gast empfangen, doch ein anderer Stadtfürst hatte wohl von der Gewalttätigkeit der spanischen Siedler in der Karibik gehört und greift die Expedition an. Córdoba verliert die Hälfte seiner Männer, aber was er nach Kuba zurückbringt, löst eine Kettenreaktion aus, die den Lauf der Weltgeschichte verändert: Gold. Die Mayas hatten die Goldstücke im Tauschhandel von einem Land im Nordwesten erhalten, einem Land mit dem Namen „Mexiko“.

In Kuba versteht man die Tragweite dieser Entdeckung sofort und organisiert eine zweite Expedition unter Juan de Grijalva. Grijalva geht auf der Insel Cozumel an Land, wo er Pyramiden und hohe Gebäude findet, weitere Zeichen einer Hochkultur. Die Expedition umrundet die Halbinsel und landet an der Küste hunderte von Kilometern weiter nordwestlich. Die Einheimischen dort gehören zum Volk der Totonacs. Sie heißen Grijalva willkommen und sind geradezu begierig, mit den Spaniern zu reden. Mit Hilfe eines Maya als Dolmetscher erzählen die Totonacs von einer großen Stadt jenseits der schneebedeckten Bergkette im Osten, unter deren Herrschaft sie leben. Es sei ein Reich mit einer hoch entwickelten politischen Ordnung und Verwaltung, mit Gesetzen und Gerichtsbarkeit.

Da wird den Spaniern zum ersten Mal klar, dass sie sich nicht auf einer Insel, sondern auf einem Festland befinden, auf dem ein großes und mächtiges Reich existiert: Mexiko. Die Neuigkeiten von Grijalva wirken auf die Kolonisten in Kuba elektrisierend. Der Goldrausch erfasst die Spanier. Mexiko – das ist das neue Zauberwort für Reichtum und Ruhm.

Hernando Cortéz sieht seine Chance und ergreift sie. Als einer der wohlhabendsten Männer Kubas kann er sich seine eigene Expedition finanzieren. Seine Flotte umfasst vier größere Schiffe und sieben kleinere Boote. An Bord sind 530 Europäer, darunter etwa 100 Matrosen, ein Arzt, etliche Zimmerer und mindestens acht Frauen; zudem mehrere hundert Indianer aus Kuba und einige Afrikaner, der Großteil Sklaven. Obwohl die Expedition offiziell als Forschungsund Handelsreise ausgewiesen ist, nimmt Cortéz ein beeindruckendes Waffenarsenal mit. Armbrüste, Handgewehre, kleine Artillerie und tragbare Schiffskanonen. Seine Geheimwaffe sind 16 Pferde und eine große Anzahl Kampfhunde – Tiere, die, wie sich herausstellen wird, den Azteken unbekannt sind und ihnen große Furcht einjagen.

Am 18. Februar 1519 setzt Cortéz in Santiago de Cuba Segel. Er tut das gegen den Willen des kubanischen Gouverneurs. Es ist der Schachzug eines Spielers. Eines Spielers, der große unbekannte Risiken einzugehen bereit ist.

Cortéz' Geschichte wird von einer Reihe einzigartiger Dokumente erzählt, darunter seine eigenen Briefe aus der Neuen Welt. Erstaunlicherweise haben wir auch Material von Seiten der Azteken. Der faszinierendste und detailreichste Bericht wurde von einem Franziskaner, Bernardino de Sahagún, in Nahuatl, der Sprache der Azteken, geschrieben. Sie stützt sich auf Gespräche mit aztekischen Augenzeugen. Zusammen mit Liedern und Gedichten der Azteken gibt dieser Bericht einen unschätzbaren Einblick in die Geschehnisse, deren Tragik noch heute, fast 500 Jahre später, unter die Haut geht.

Verständigung ist ein entscheidender Faktor bei der Eroberung fremder Reiche. Und in diesem Punkt hat Cortéz von Anfang an unverschämtes Glück. Auf Cozumel, seiner ersten Station vor der Küste Yucatáns, trifft er auf einen Spanier mit Namen Aguilar, der nach einem Schiffbruch acht Jahre als Gefangener unter den Einheimischen gelebt hat. Damit hat Cortéz einen Dolmetscher für die Sprache der Mayas – unverzichtbar für das Vordringen ins Landesinnere.

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