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Der Kampf gegen die Menschenopfer
ОглавлениеCortéz bricht ins Landesinnere auf. Er nimmt eine Nebenroute nach Tenochtitlan. Er hofft so, unter den Feinden Montezumas Verbündete zu finden. Fast in jeder Stadt, die sie passieren, sehen sie Altäre, wo Menschen geopfert wurden. Die Spanier sind entsetzt. Mit Hilfe von Malinche drängen sie die Einheimischen, die Götter der Azteken aufzugeben und stattdessen den christlichen Glauben an einen einzigen, allmächtigen Gott anzunehmen. Und sie sagen ihnen, dass der Papst ihrem König die Vollmacht gegeben habe, dieses Land in Besitz zu nehmen – im Namen ihres Gottes. Der Papst müsse wohl betrunken gewesen sein, erwidert darauf ein Stadtoberhaupt – so sagt zumindest die Legende. Täglich hören die Spanier von den Einheimischen grauenvolle Warnungen. Die Azteken würden sie töten und ihr Fleisch verzehren. Und ein warmes Getränk würde dazu gereicht, das aus einer Bohne gewonnen wird, die sie ‚Chocolatel’ nennen – Kakao.
Cortéz lässt sich nicht beirren und drängt weiter, hinauf in die Gebirgskette von Orizaba, über 3000 Meter hoch. Sein Ziel: der unabhängige Stadtstaat der Tlaxcalaner, ein erbitterter Feind der Azteken. Doch hier wird Cortéz nicht mit Geschenken, sondern mit Waffen empfangen. Mit 150.000 Kriegern, so schätzt Cortéz, ziehen die Tlaxcalaner gegen ihn ins Feld. Es ist ein Furcht erregender Anblick. Bewaffnet mit Stein-Schwertern, Knüppeln, Pfeil und Bogen, die Gesichter in voller Kriegsbemalung und in Grimassen verzerrt, machen die Krieger riesige Sprünge, begleitet von gellenden Schreien. Nicht wenige Spanier legen die letzte Beichte ab. Cortéz' Männer – zusammen mit indianischen Verbündeten etwa 500 an der Zahl – schlagen eine verzweifelte Schlacht. Trotz der großen Verluste, die ihre Gewehre bei den Tlaxcalanern anrichten, müssen sie sich mit letzter Kraft auf einen kleinen Hügel zurückziehen. Zwei Wochen halten sie dort wie durch ein Wunder den Angriffen der Tlaxcalaner stand, bis diese aufgeben und den Frieden anbieten. Nach langen Verhandlungen erreicht Cortéz schließlich, was er wollte: Die Tlaxcalaner sind bereit, mit ihm gegen Mexiko zu ziehen.
Diese Allianz ist der Wendepunkt in Cortéz' Geschichte, vielleicht sogar der Geschichte der Neuen Welt. Sie besiegelt das Schicksal der Azteken. Weit mehr noch als die Überlegenheit der europäischen Waffen ist es die Unterstützung durch die einheimischen Völker, die Cortéz zum Sieg verhelfen wird. In Mexiko werden die Tlaxcalaner noch heute für diesen „Verrat“ bitter kritisiert. Ein Sprichwort sagt: „Schuld sind die Tlaxcalaner“.
Cortéz marschiert weiter – gefolgt von 7.000 Kriegern von Tlaxcala. Sein Weg führt zur bedeutendsten Pilgerstätte Amerikas, Cholula, unter dem Vulkan Popocatepetl. Es ist die Stadt Quetzalcoatls, der hier noch in einem großen, pyramidenförmigen Tempel verehrt wird. Die Einwohner sind Freunde Montezumas, und die Tlaxcalaner warnen Cortéz vor Unheil. Malinche hört das Gerücht, dass die Cholulaner sie in eine Falle locken und dann massakrieren würden.
Wahr oder nicht, damit hält sich ein Mann wie Cortéz nicht auf. Er ruft die 100 Führer der Stadt zu einem Treffen im Tempelhof. Unbewaffnet, ahnungslos – oder naiv? – kommen sie und werden gnadenlos niedergemetzelt. Ebenso wie die Tausende außerhalb der Hofmauern. Cortéz rühmt sich, mindestens 3.000 Cholulaner getötet zu haben. In den Berichten der Azteken heißt es: „Und so kam der Tod nach Cholula. Die Nachricht ließ uns vor Furcht zittern. Es war, als ob die ganze Erde erschüttert wurde. Und Montezumas Herz brannte, als ob es in Chilis gewaschen worden wäre.“ Aber der Herrscher unternimmt nichts, um die Schlächter zu stoppen. Im Gegenteil: Er schickt ihnen eine Gesandtschaft mit Goldgeschenken entgegen.
Von Cholula aus nimmt Cortéz die alte Herrscherstraße durch die nebelverhangenen Bergwälder des Popocatepetl – auch damals ein aktiver Vulkan. Schließlich kommt die Truppe hinunter in das Tal von Mexiko. Im Dunst des Horizonts glauben die Männer einen riesigen See zu sehen, und je näher sie kommen, desto klarer wird das Bild: Mitten im See, über breite Dammwege mit dem Ufer verbunden, liegt die Stadt, von der Cortéz geträumt hat: Tenochtitlan, die Hauptstadt des Aztekischen Reiches.