Читать книгу Die Hexentochter - Maj Bylock - Страница 4
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ОглавлениеDie Sonne hatte sich hinterm Wald versteckt und war schlafen gegangen. Jetzt hing der Mond groß und rot hinter den Wolken und hielt Wache.
Anneli hatte einen schweren, anstrengenden Tag hinter sich. Es gab mindestens tausend Dinge zu erledigen. Vater mit seinem verletzten Bein konnte selbst nicht viel tun, verlangte aber, daß vieles getan wurde. Und Tapio war noch nicht erwachsen. Er rackerte sich ab, so gut er konnte, aber seine Arme und Beine waren noch kurz.
Anneli gab sich große Mühe, Vater alles recht zu machen. Sie schrubbte den Boden, und sie spülte das Geschirr. Sie kochte Grütze und Mehlsuppe. Die Ziegen brauchten Futter, und die Kuh mußte gemolken werden. Obwohl Anneli müde war, lag sie noch wach. Die Nacht gehörte ihr. So viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Tapio schlief tief und fest, und Vater schnarchte auf der Bank neben dem warmen Herd.
Alt und steif war Vater geworden, sein Bart war grau wie die Flechten auf den Zweigen der alten Tanne hinterm Haus. Anneli erinnerte sich daran, wie Vater ausgesehen hatte, als sie klein war. Damals war er aufrecht und stark gewesen, und sein Bart hatte rot geleuchtet wie der Mond.
Schon damals war Vater sehr streng gewesen, nur gegen Tapio nicht, denn Tapio war sein ein und alles. Aber Anneli und ihre kleine Schwester Tuija mußten gehorchen und stets den Mund halten.
Jetzt seufzte und jammerte der Vater im Schlaf. Ob er Mutter wohl vermißte? Oder vielleicht war es auch sein Bein, das schmerzte?
Anneli dachte an eine Medizin, die ihm helfen könnte. Vielen Kranken, die bei Ylva Heilung gesucht hatten, hatte diese Medizin bereits geholfen. Aber wie waren die Zutaten gewesen? Mußte man Bilsenkrautsamen oder Basilikum hineinrühren?
Anneli beschloß, in dem schwarzen Buch nachzuschauen. Leise schlich sie aus dem Bett. Das Bündel mit dem Buch darin hatte sie sorgfältig hinter einem Balken auf dem Dachboden versteckt. Das Buch war Annelis Geheimnis. Nicht einmal Tapio wußte, was sie in aller Eile ins Bündel gepackt hatte, bevor sie Ylvas Häuschen verlassen hatten. In dem Bündel befanden sich Dosen mit Kräutern und Tinkturen und Beutel voller Heilpflanzensamen.
„Im Frühling“, dachte Anneli und spähte durch das kleine Fenster hinaus. „Im Frühling grabe ich mir ein Beet an der Südwand. Und dort säe ich dann meine Samen aus. Ich habe ja so oft zugeschaut, wie Ylva es gemacht hat.“
Ein Glück, daß Anneli noch ein paar Samen hatte retten können! Ohne Kräuter ließen sich nämlich nicht viele Medizinen zubereiten.
Doch da kam das Entsetzen durchs Fenster geflogen. Ihr Herz wurde kalt wie Eis. Nie würde sie es wagen, Heilkräuter zu ziehen und Medizinen anzurühren! Wenn sie Kranken half, konnte sie ja wegen Hexerei angezeigt werden!
Nein, nicht einmal Vater wagte sie mit ihrem Wissen zu helfen.
Sie kroch wieder ins Bett und zog sich das Schaffell über die Ohren, um sein Jammern nicht mehr hören zu müssen. Draußen färbte der Mond sich gelb wie heranreifende Moltebeeren. Schweigend zog er über den Himmel. Die Bäume streckten ihre zackigen Finger drohend nach der goldenen Scheibe aus.
Aber sie würden sie niemals erreichen.