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Der Islam
erstarkt gegenüber allem und kämpft gegen alles

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Mittlerweile sind die in ihrer Macht bedrohten Oligarchen von Mekka beunruhigt. Die egalitäre Botschaft dieses jungen Mohammed und vor allem seine antiaristokratische Respektlosigkeit sind geeignet, das Fundament ihrer von Hierarchie und Ungleichheit geprägten Welt zu untergraben. Zunächst versuchen sie, seinen Ruf zu ruinieren, indem sie ihn als Verrückten, als Zauberkünstler, als Lügner hinstellen. Doch der Koran kommt ihm zu Hilfe:

Euer Landsmann (d.h. Mohammed) ist nicht fehlgeleitet und befindet sich nicht im Irrtum. Und er spricht auch nicht aus (persönlicher) Neigung. Es ist nichts anderes als eine inspirierte Offenbarung. (Sure 53, 1–4)

Doch die Unruhe ist da: Man muss wachsam sein, um das Wesentliche zu bewahren. Daher entscheidet der Prophet, eine erste Gruppe von Schülern aus Mekka wegzuschicken, um sie eventuellen Angriffen von Gegnern zu entziehen. Die Tradition des Islam, vor allem durch Ibn Hischam niedergeschrieben (gestorben 833), der wiederum in großen Zügen die Biografie von Ibn Ishaq übernahm (gestorben 768) – die beiden ersten Biografen des Islam – berichtet von einer Begebenheit, in der es um eine Gruppe Muslime geht, die beim Negus, dem christlichen König, Zuflucht gefunden hatte, um den Verfolgungen durch die Feinde des Islam zu entkommen. Als – wir befinden uns zu Beginn des 7. Jahrhunderts – Dschaʿfar Ibn Abi Talib, der mutmaßliche Leiter dieser muslimischen Delegation, die ersten Artikel des vom Islam geforderten strikten und einheitlichen Monotheismus und den Respekt vor einem allwissenden Gott erläuterte, soll der Negus in Tränen ausgebrochen sein und gesagt haben: „Das ist die Botschaft Jesu […]“.

Die in Mekka verbliebenen Muslime sind höchst beunruhigt. Die Oligarchen wollen sie offensichtlich beschmutzen, sie verfolgen sie, wo sie nur können, und verbreiten schlimmste Gerüchte über sie. Ihr Ziel ist ganz eindeutig: einen Weg zu suchen, um diesen sog. falschen Propheten zum Schweigen zu bringen. Die Spannung in Mekka ist spürbar, man macht sich über die Verkündigung Mohammeds lustig und meint verächtlich, das sei doch nichts Neues. Die Feindseligkeit gegenüber dem Propheten ist auf dem Höhepunkt, man zeigt mit dem Finger auf ihn, beleidigt und misshandelt ihn.

Wie kann denn ein Mann ohne männliche Nachkommen – ein abtar: die größte Beleidigung in einem natalistischen und patriarchalischen Milieu, das ausschließlich nach Vermehrung der Ehefrauen und Nachkommenschaft urteilt – eine neue Religion erfinden, direkt mit Gott sprechen! Diese Kränkung ist sehr grob, hatte der Prophet doch keinen Sohn, der allein die Nachkommenschaft hätte sichern können.

Mohammed durchläuft eine Zeit größter Einsamkeit; Chadidscha stirbt im Jahr 619 in hohem Alter. Die Wirtschaftsaktivitäten sind auf ein Minimum geschrumpft. Das Klima wird immer angespannter, Informanten verbreiten Gerüchte. Nach einigen Monaten wird die Abreise Mohammeds dringlich. Er beschließt, Mekka zu verlassen, aus dem Wespennest zu fliehen, in dem er immer im Visier der Quraisch ist. Seine physische Sicherheit wie auch die seiner Angehörigen ist nicht mehr gewährleistet.

Eines Abends, während des letzten Gebets, wird die Entscheidung getroffen, Mekka zu verlassen. Das ist die Hedschra, aus dem arabischen Wort hidschra, das Exil, Flucht, Emigration bedeutet. Am selben Abend wird der Entschluss in die Tat umgesetzt. Mohammed und sein nächster Gefährte Abu Bakr müssen die Stadt verlassen. Sie nutzen die Dämmerung, um sich lautlos davonzustehlen. Mohammed geht als Erster, dann folgt ihm sein Schüler auf den Berg Thaur, wohin sich Mohammed geflüchtet hat. Sie bleiben einige Stunden dort, vielleicht auch Tage, denn man hat Verfolger ausgesandt, die ihnen auf den Fersen sind. Nach einiger Zeit verlassen die beiden Flüchtlinge ihr Refugium und gehen in Richtung Yathrib, der im Norden von Mekka gelegenen Oase. Um den Propheten zu ehren, wird der kleine Marktflecken Yathrib, der die neue Religion übernimmt, seinen Namen in Medina ändern (Madînat an-Nabî, wörtlich Die Stadt des Propheten), und zwar von dem Moment an, in dem er dort den Boden betritt. Dieser Tag, der 16. Juli 622, wird von den Historikern als Beginn der Hedschra angesehen, sozusagen als das Jahr Null im muslimischen Kalender.

11 Jahre als Prediger haben aus Mohammed einen Propheten mit allen entsprechenden Attributen gemacht. Die Botschaft des Korans wird unermüdlich wiederholt, die Schriftgelehrten, die sie auswendig lernen, rezitieren sie in den Moscheen und bei jedem Gebet. Die spirituellen Themen nehmen dabei den größten Raum ein: Glaube an einen einzigen Gott, Unterwerfung unter diesen Gott und Respekt vor den Lehren des Propheten. Die Bilder des Korans entfalten sich mit Hilfe von Wundern, Gleichnissen und Geschichten, die aus der Bibel und der Thora entnommen sind. Das Alte Testament wird fast vollständig wieder ins Gedächtnis gerufen. Der Islam richtet sich ein in der Kontinuität der anderen Religionen, indem er die alten Propheten und ihre Friedensbotschaft wieder aufnimmt.

Der politische Islam aber wird in der Begegnung des Propheten mit Medina geboren, der Oasenstadt, dem Stadtstaat, der ihn aufnimmt. Hier ist Mohammed der unbestrittene Inspirator, Monarch, Verbreiter und Künstler. Parallel entwickelt sich seit 622, dem Endpunkt der ersten Verkündigung in Mekka, eine neue Solidarität, die durch die Teilnehmer am Exodus, die Muhâdschirûn, und durch die Gläubigen, die die Ankunft des Propheten in Medina organisieren, die Ansar, gebildet wird.

Die 10 in Medina verbrachten Jahre sind der Organisation der muslimischen Gemeinschaft, Umma, gewidmet. Mit den Stämmen des Hedschas und des Rubʿ al-Chali werden Verhandlungen über mögliche Massenkonversionen geführt. Diesen Verhandlungen gehen Strafexpeditionen voraus, die die Neuankömmlinge gegen die widerspenstigen Beduinenstämme führen. Langsam konstituiert sich die muslimische Armee. Insgesamt aber gehen die Konversionen friedlich vonstatten, mit Ausnahme der Juden und Christen. Von Hunderten Götzenanbetern wird ein vollständiger Treueid verlangt, worauf sie von nun an der neuen Religion folgen. Viele Schlachten gegen Quraisch-Armeen erzwingen deren Entscheidung für den Propheten und zementieren sein persönliches Charisma. Hier ist auf jeden Fall Badr zu nennen, die erste Schlacht der Muslime, die ein außerordentliches Szenario bietet. Meteorologische Umstände sollen es sein, die den Erfolg erklären, der umso eklatanter ist, als nur einige Dutzend Muslime mehreren hundert Quraisch gegenüberstehen. Diese meteorologischen Umstände bestehen aus einer großen Wolke, die, so berichtet die Tradition, sich über der Armee des Propheten bildete und ihr so einen großen Vorteil gegenüber den Feinden bot. Auf der anderen Seite verwandelte sich das Wasser in die Form eines Gefäßes, was den Aufmarsch der Quraisch-Armee verlangsamte.

Bald tief verwurzelt in Arabien, schloss der Islam Allianzen mit verschiedenen Clan-Chefs, aber auch mit Juden und Christen. Diese anderen Monotheisten konnten ihren Glauben tatsächlich ohne jegliche Diskriminierung praktizieren, sie durften ihren Handel ausbauen, reisen, tauschen, kaufen und verkaufen. Später wird man sie dhimmis nennen (ahl adh-dhimma), die Geschützten. Kurz vor seinem Tod gelang dem Propheten das Wagnis, als Triumphator nach Mekka zurückzukehren. Dieses Ziel zu erreichen, kostete ihn viel Diplomatie und ebensoviel Selbstbeherrschung, Weisheit und Geduld. Doch halfen ihm auch die Einwohner selbst, denn sobald sie merkten, dass sich der Wind drehte, hatten die meisten von ihnen keine andere Wahl, als den Islam anzunehmen. So vereinigten sie sich mit den Bewohnern Medinas, die sechs Jahre vorher konvertiert waren. Deren Geschäfte dynamisierten sich dadurch, bereits vorhandene Reichtümer fuhren große Gewinne ein. Die Pax islamica funktionierte in Medina perfekt, bevor sie sich ohne Zögern zunächst nach Mekka ausweitete und dann auf das ganze im Aufbau befindliche Reich. Man kann das schnelle Fortschreiten des Islam im gesamten antiken Bogen, in Arabien, im Maghreb, in Asien und Anatolien, nicht begreifen, wenn man sich nicht die damaligen Umstände vergegenwärtigt, die auch charakterisiert sind durch überall herrschende Unsicherheit. Auch das Mekka von damals, mächtig, ikonoklastisch und stolz auf seinen Clan-Nationalismus, ist nicht das uns heute bekannte Mekka. In unseren Tagen empfängt die Stadt jedes Jahr mehrere Millionen Pilger, von denen die einen zur großen Pilgerfahrt, dem Hadsch, kommen, die anderen zu einem frommen Besuch, genannt ʿUmra (kleine Pilgerfahrt). Und auch wenn das uns durch Fernsehdokumentationen bekannte Mekka dasselbe ist, das den Propheten und seine Begleiter verjagte, so gibt es eine besondere Dimension, die die Beziehung des Muslims zu seiner heiligen Stadt abbildet: die Dichte, vielleicht sollte ich Masse sagen, im wissenschaftlichen Sinn des Begriffs. Denn tatsächlich ist es so, dass, wenn ein Gläubiger in Mekka ankommt, er von einer solch großen Zahl von Anhängern Mohammeds umgeben ist, dass ihm gar nichts anderes übrig bleibt, als sich angesichts dieser Größe des Islam zu besinnen. Diese Wirkung hallt im Herzen jedes Besuchers wider und bleibt sein geheimes Band zur Göttlichkeit der Koranbotschaft.

Um 630 herum sind die Ambitionen des Propheten auf ihrem Höhepunkt. Er kann über die Orte triumphieren, wo er geboren ist, er, der es versteht, die Oligarchie Mekkas mit den Färbungen des Islam zu verbinden. Auch kann Mohammed seine humanistischen Zielsetzungen verbreiten, indem er die Befreiung der Sklaven verkündet. Eine solche Entscheidung hat zwei wesentliche Konsequenzen: Zum einen etabliert sie Gleichheit zwischen den gesellschaftlichen Klassen. Zum anderen gibt sie dem Islam ein freundliches Gesicht und prägt einen Humanismus, der sich scharf abhebt von der egoistischen Haltung der Quraisch, ihrer Überheblichkeit und Anmaßung.

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