Читать книгу Islam für Anfänger - Malek Chebel - Страница 7
Vorwort Der Islam, das unbekannte Wesen.
ОглавлениеEin Wesen, das Angst macht! Man hat alles Mögliche versucht, um ihn zu erklären, um ihn zu relativieren, um über ihn zu diskutieren; er ist von völliger Undurchsichtigkeit umgeben. Nur wenigen gelingt es, die großen Gemeinschaften des Islam, seine Doktrin oder seine historische Entwicklung zu erfassen.
Seit Johannes von Damaskus (650–749), der die Geburt und Ausbreitung des Islam im Vorderen Orient praktisch erlebt hat, unterliegt diese „Lehre des falschen Propheten“, wie er sich ausdrückte, beharrlichen Vorurteilen und wird vielfältig verquickt. Der Prophet des Islam galt als Mann ohne Treu und Glauben, seine Botschaft wurde von vielen für nicht mehr als ein „falsches Wunder“ gehalten.
Abt Theophanes (751–818), der die byzantinische Krise im Zuge des Bildersturms miterlebte, charakterisierte Mohammed als „betrügerisch, barbarisch, Feind Gottes, dämonisch, atheistisch, zügellos, räuberisch, blutrünstig, blasphemisch, dumm, bestialisch und arrogant“. Seitdem hat die pejorative Sichtweise des Islam nicht mehr aufgehört, sich stetig zu steigern, so dass auch Dante den Propheten in seiner Divina Commedia in der Hölle platzierte. Diese Sicht wird genährt durch den Hass und den Argwohn jener, die fürchten, von den Soldaten Allahs überfallen oder verfolgt zu werden, auch wenn dies nur Phantasievorstellungen sind, im Orient selbst gepflegt von den Verfechtern einer auf Konflikt und Rentabilität gegründeten Ordnung. Jenseits dessen lässt sich ein abgekartetes Spiel zwischen den aktuellen autokratischen Regimes erkennen, die auf islamischem Boden regieren, und den Fundamentalisten, die ihnen ihre Macht streitig machen.
Der Islam ist pluralistisch. Die Gesellschaften, die ihn bilden, die Völker, die sich auf ihn berufen, die unterschiedlichen Lehren, die ihn durchziehen, gestalten ihn kompliziert. Muss man als Muslim geboren sein, um ihn zu verstehen? Ich glaube nicht. Tatsache ist aber, dass die Informationen über den Islam eine bisher nicht da gewesene Ebene erreicht haben, von einer Unmenge an Büchern über Fernsehdokumentationen bis hin zu intellektuellen Debatten. Doch wie lässt sich die Spreu vom Weizen trennen? Manche Werke sind reine Propaganda, Objekte der Verkündigung, in proselytischer Absicht geschrieben, andere bauen auf persönlicher Überzeugung auf und predigen einen idealen Islam, der ohne Sprünge und in sich geschlossen ist. Es ergeben sich Fragen: Ist der Koran vor der Geburt Mohammeds geschrieben worden? Ist er ein himmlisches Diktat oder eine langsame, geduldige Erfindung des Propheten und seiner Berater? Wurde er aus nestorianischen, jüdischen oder äthiopischen Texten abgeleitet, wie es manche christliche und jüdische Autoren behaupten? Solche Fragen zu stellen, bedeutet an sich schon eine Schmähung des durch Mohammed offenbarten Wortes, einen heute von mehr als einer Milliarde Gläubigen verehrten Mann. Das Problem liegt darin, dass die religiösen Autoritäten sich einer solchen Fragestellung verweigern. Wer also könnte eine solche Unmöglichkeit besser beweisen als die Archäologen? Gott bewahre! Die Archäologie genießt als Wissenschaft nur schlechtes An sehen, seitdem sie versucht, eine Kohärenz zum vorislamischen Heidentum zu finden, das laut Dogma als bestechlich und unrein angesehen wird. Die Wissenschaft wird Thema des letzten Kapitels sein, da sich die Integration des Islam in das breite Spektrum der aktuellen Glaubensanschauungen nicht von selbst zu verstehen scheint.
Genau das ist das Bestreben dieses Buches: in knapper, aber peinlich genauer Form den Islam zu präsentieren, ohne dabei seine Widersprüche und Schattenseiten zu verbergen. Paradoxerweise ist diese Präzision immer fraglicher, je zahlreicher die Werke über den Islam sind, sie wird beinahe künstlich, so als ob der Wettbewerb unter den Autoren einen Teil der Kenntnisse verbergen müsse, um auf der Höhe der Zeit zu sein. Die Kapitel, die das Gerüst dieses Buches bilden, sind so angeordnet, dass sie den Fortschritt der Lektüre begleiten und die Neugierde des Lesers nähren, von der Geburt des Propheten bis in unsere Tage. Ich werde auch ganz aktuelle Fragen behandeln: Was ist ein Ayatollah, was ist seine Funktion? Was steckt hinter einer Fatwa? Warum versteht der Islam die Laizität nicht? Was bedeutet das Wort Harem? Gibt es im Islam Sekten? Existieren die Jungfrauen des Paradieses wirklich? Wie ist die Stellung der Frau im Islam heute? Wie werden die neuesten Entwicklungen in der Bioethik gesehen, zum Beispiel das menschliche Klonen, genmanipulierte Organismen, wie geht man mit der Krankheit Aids um? Kurz gesagt: Es geht um den Islam und die Frage der Moderne. Und falls der Islam mit der Moderne kompatibel ist: Wie hat sich die Moderne konkret eingebracht und wie äußert sie sich in der Realität, im täglichen Leben eines Muslims?