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Dienstag

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Der nächste Vormittag verging ohne besondere Vorkommnisse. Onno erinnerte Petersen noch einmal an die Gemeinderatssitzung am Abend.

„Wir kommen in Uniform, das macht ‘nen besseren Eindruck“, instruierte Onno Petersen, der sichtlich Schwierigkeiten hatte, sich zu konzentrieren. Die Folgen des gestrigen Bierabends machten ihm zu schaffen und er wunderte sich, dass Onno so fit war.

Am Abend machten sich beide Beamte auf den Weg zum Restaurant „Strandlust“ an der Promenade. Hier sollte die Sitzung stattfinden. Unterwegs trafen sie einige Insulaner, die auch auf dem Weg zur Sitzung waren und die beiden Polizisten freundlich grüßten. Der Sitzungsraum war eine Art Clubraum. Vorne hatte man in U-Form die Sitzordnung des Gemeinderates festgelegt. Auf den Tischen standen Namensschilder mit dem Hinweis auf die Parteizugehörigkeit. Ab der Mitte des Raumes waren Stuhlreihen für die Besucher aufgestellt. Der Saal war schon recht gut gefüllt, als Onno und Petersen eintraten. Onno schüttelte viele Hände und stellte Petersen einigen Leuten vor u.a. dem Chef der freiwilligen Feuerwehr und einem der Inselärzte. Sie nahmen beide in der ersten Besucherreihe Platz und warteten auf den Sitzungsbeginn. Nachdem die Mitglieder des Gemeinderates Platz genommen hatten, begann die Sitzung. Im Tagesordnung Punkt 1 ging es um die Bebauung des Grundstückes an der Promenade. Von diesem Streitpunkt hatte Onno Petersen erzählt. Die beiden Grünen Ratsmitglieder versuchten den Bürgermeister mit Fragen in die Enge zu treiben, ob die Sache mit dem versprochenen Hotelbau nur eine Täuschung gewesen sei, um die Eigentumswohnungen durchzusetzen und ob es einen Zusammenhang zwischen dem Wunsch nach Ausbau des Golfplatzes und Zusagen an den Investor der Appartementanlage gäbe.

Petersen verstand nicht alle Zusammenhänge. Die kritischen Fragen der Grünen wurden häufig mit Beifall bedacht, obwohl die anderen Parteien immer wieder darauf verwiesen, dass auch die Grünen dem Bau der Eigentumswohnungen zugestimmt hätten. Für Petersen auffällig war die grüne Ratsfrau mit Namen Brigitte Dunker. Sie fiel durch ihre scharfe Rhetorik auf und war offensichtlich in dieser Hinsicht den anderen Mitgliedern des Rats deutlich überlegen. Petersen schätzte sie auf Ende 50. Sie war schlank, machte einen sportlichen Eindruck. Ihre Haare waren augenscheinlich silbergrau gefärbt, dies verlieh ihr eine gewisse Eleganz. Das Gesicht empfand Petersen als maskenhaft. Man konnte nicht erkennen, was in dieser Frau vorging. Irgendetwas erinnerte ihn an diese Frau, er wusste nur nicht was.

Im Tagesordnungspunkt 2 wurden die Polizeikontrollen in der Fußgängerzone der Insel angesprochen. Unverholt stand der Vorwurf im Raum, die Polizei täte hier zu wenig. Nun kam Onnos Auftritt. Er verwies auf die mangelnde personelle Ausstattung der Polizei auf der Insel, versprach aber für die kommende Saison die Kontrollen zu verstärken. Genüsslich wies er dann noch darauf hin, dass die Verwaltung in den letzten Weihnachtsferien versäumt habe, die Fahrrad-verbotsschilder anzubringen. Der Bürgermeister reagierte verärgert und kündigte an, dies zu überprüfen. Die anderen Ratsmitglieder unterstützten Onnos Beobachtung. Nach allerlei Kleinkram war die Sitzung gegen 21:30Uhr beendet. Es bildeten sich noch einige Gesprächstrauben. Petersen stand sehr verloren im Raum, bis ihn ein bärtiger Mann mittleren Alters ansprach:

„Mein Name ist Sönke Meiners, ich bin hier Lehrer an der Schule und leite den Shantychor „die Knurrhähne." Ich habe gehört, dass Sie sehr gut Gitarre spielen können. Kann ich Sie gewinnen, mal bei einer Probe vorbeizuschauen?“

Petersen stutzte, die Sache mit seinem Gitarre spielen schien sich tatsächlich wie ein Lauffeuer verbreitet zu haben.

„Erst mal, ich bin Lars, Shanties sind nicht unbedingt mein Ding, aber Lust auf Musik hätte ich schon.“

„Gut Lars, ich sehe das ähnlich. Aber auf so ´ner Insel muss man irgendetwas auf die Beine stellen, sonst dreht man hier durch. Wenn du einverstanden bist, Mittwoch in der Inselschule 20 Uhr, bring nur deine Gitarre mit. Alles andere ist vorhanden. Ich freu mich!“

„Okay, ich komme“, antwortete Petersen, der nicht bemerkt hatte, dass Onno schon hinter ihm stand:

„Geht doch! Die suchen den Kontakt zu dir. So jetzt komm, ich hab von dem vielen Sabbeln eine trockene Kehle.“

Gemeinsam verließen sie den Versammlungsort und gingen langsam die Zedeliusstraße hinunter. Kurz bevor sie beim „Störtebeker“ angekommen waren, stieß Onno Petersen an:

„Jetzt verarschen wir den Magister!“ Er riss die Kneipentür auf und brüllte:

„Razzia, keiner bewegt sich von der Stelle!“

Die Kneipengäste blickten erschrocken auf, nur die Thekenbesatzung, die gerade knobelte, reagierte gelassen.

Mit tiefer Stimme konterte der Magister: „Mit deinem Insel-SEK kannst du hier niemanden erschrecken. Was wollt ihr trinken?“

„Na ja, ein kleines Bier dürfen wir ja wohl, auch wenn wir Uniform an haben?“

Onno lief zur Hochform auf: „Mein neuer Kollege hat mich neulich gefragt, ob es auf Wangerooge einen Puff gibt? Magister, was sagst du dazu. Jetzt muss der Klassiker kommen."

Der Magister reagierte sofort: „'nen Puff brauchen wir hier nicht. Du musst nur klingeln.“

Grölendes Gelächter in der gesamten Kneipe, am lautesten lachte der Magister selbst. Petersen erinnerte sich an seine Zeit mit dem Magister in Bremen, auch dort konnte er über seine eigenen Witze am lautesten lachen.

Nach einer halben Stunde unterbrach der Magister alle Unterhaltungen:

„Männer, der Magister hat jetzt Pause!“ Er holte aus seinem Thekenschrank ein riesiges Schild, auf dem „Pause“ stand, hängte es sich um den Hals und zündete sich eine Zigarette an.

Diesen Gag kannte Petersen noch nicht. Nach drei Bieren zahlten Onno und Petersen. Beide hätten gerne noch weiter getrunken, aber in voller Uniform war das ein Risiko. Auf dem Nachhauseweg murmelte Onno:

“Ich wär‘ noch gern geblieben. Aber du weißt nie, wer dich dann anscheißt. Du wirst einfach angreifbar, wenn du in Uniform säufst.“ Sie verabschiedeten sich und Petersen ging in seine Polizeistation.

Schatten über Wangerooge

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