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Mittwoch

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Am nächsten Morgen erledigten sie auf der Wache bürokratische Dinge. Petersen bemerkte aber die zurückhaltende Art Onnos:

„Hast du was?“

„Na ja, es wird dir nicht gefallen, aber Freitag ist erst mal mein letzter Arbeitstag“, druckste Onno herum.

Petersen spürte ein Grummeln in seiner Magengrube: „Das ist ja denn schon früher als erwartet.“

„Ja, ist mir auch unangenehm, aber ich kann doch schon früher in die Kur, umso eher bin ich wieder da. Übrigens Wilhelmshaven schickt den Polizeianwärter schon nächstes Wochenende, am Sonntag mit dem Abendschiff.“

Petersen war die gute Laune vergangen. Kaum hatte er zu Onno Vertrauen gefunden, wurden sie wieder getrennt. Vor dem Hintergrund seiner eigenen Geschichte war ihm Vertrauen sehr wichtig und nun stand er wieder allein da. Das Telefon klingelte. Ein benachbartes Hotel hatte Schwierigkeiten mit einem ehemaligen Angestellten, der lautstark in der Lobby des Hotels randalierte.

„Ich mach das“, mit diesen Worten verließ Onno die Wache. Ihn schien die etwas angespannte Stimmung zu nerven, deshalb nahm er den Einsatz sofort an. Erneut klingelte das Telefon. Diesmal war der Magister dran:

„Kannst du mal eben kommen, die wollten bei mir einbrechen!“

„Bin schon unterwegs."

Petersen nahm den Spurensicherungskoffer aus dem Schrank und ging die paar Schritte zum „Störtebeker." Vor der Eingangstür stand auch schon der Magister und zeigte ihm die Einbruchsspuren an der Eingangstür. Jemand hatte versucht die Tür aufzuhebeln, was ihm aber nicht gelungen war. Offensichtlich wurde er gestört oder die Tür war zu robust. Petersen fotografierte den Schaden und suchte nach Fingerabdrücken. Spuren waren aber nicht zu finden. Der Magister unterbrach plötzlich Petersen bei der Arbeit:

„Vielen Dank Sheriff, dass du nichts gesagt hast, du weißt schon,.... dass wir uns aus Bremen kennen und so. Das geht niemanden etwas an oder?“ Er blickte sein Gegenüber zweifelnd an.

„Sehe ich genauso“, kam von Petersen zurück.

„Du musst mir mal in einer ruhigen Minute erzählen, was in Bremen abgegangen ist und warum du hier bist. Ich habe das nur am Rande mitgekriegt, dass gegen dich ermittelt wurde“, fuhr der Magister fort.

„Sei froh, dass du nicht mehr in Bremen warst, sonst hätten sie dich auch noch als Zeugen vorgeladen“, unterbrach Petersen den Magister.

„Aber ich hätte nie gegen dich ausgesagt“, versicherte der Magister.

„Lass es gut sein, die Wunden sind noch nicht verheilt.“ Der Magister spürte Petersens Unwillen, weiter über die Sache sprechen zu wollen.

Petersen nahm noch die Anzeige auf, gab dem Magister die Tagebuchnummer und ging wieder zurück zur Wache. Dort saß bereits Onno mit dem Randalierer vom Hotel und schrieb Anzeigen wegen Hausfriedensbruch, Beleidigung und Sachbeschädigung.

„Du gehst heute Abend zum Shantychor habe ich gehört?“ fragte Onno plötzlich Petersen.

„Woher weißt du das denn schon wieder?“ tat Petersen erstaunt.

„Du weißt doch, auf der Insel bleibt nichts geheim. Ich find das übrigens gut, dass du hingehst, auch wenn das nicht unbedingt deine Musik ist. Da sind wichtige und nette Leute".

„Ich weiß bloß nicht, was die in einem Shantychor mit einem Gitarristen wollen, da ist doch Schifferklavier angesagt."

„Sönke wird sich schon was dabei gedacht haben, der hat hier schon viel auf die Beine gestellt. Lass dich überraschen“, mit diesen Worten beendete Onno die Unterhaltung, packte seine Sachen und machte Feierabend.

Petersen brach noch zu einer Streifenrunde auf. Er musste noch einmal Seeluft schnuppern. In der Zedeliusstraße kam ihm die grüne Gemeinderätin Birgit Dunker entgegen. Sie hatte einen blauen Jogginganzug an und hatte Nordic-Walking-Sticks unter dem Arm, mit einem freundlichen Lächeln grüßte sie Petersen. Irgendetwas ist mit dieser Frau, grübelte Petersen in sich hinein. Er musste unbedingt mit dem Magister darüber sprechen. Vielleicht kannten sie sich aus Bremen. Solche Dinge wusste der Magister immer, schon damals war er für ihn eine wichtige Informationsquelle. Auf der Promenade angekommen, blickte er auf das unruhige Meer. Er musste dann über sich selbst lachen, weil er anfing „Rolling Home“ zu summen.

„Willkommen in der Shantywelt“, murmelte er in sich hinein.

Am Abend zog er zum Trotz seine alte schwarze Lederjacke an. Darunter trug er ein Boss Hoss Kapuzenshirt mit der Aufschrift „Don’t control my Rock’n Roll." Wenn er schon Shanty-Musik machen sollte, wollte er wenigstens wie ein Rocker aussehen. Er nahm seinen Gitarrenkoffer und den Koffer mit dem Effektbrett und stiefelte in Richtung Inselschule. Unterwegs wurde er von einigen recht alten Männern auf Fahrrädern überholt, die augenscheinlich auch die Inselschule zum Ziel hatten. In diesem Moment fühlte sich Petersen sehr alt und er haderte mit der Vorstellung, jetzt Mitglied eines Shantychores zu werden.

In der Inselschule traf man sich im Musikraum. Sönke Meiners stellte Petersen den anderen Chormitgliedern vor:

„Männer, das ist unser neuer Sheriff Lars Petersen. Ich habe gehört, dass er ganz gut Gitarre spielt. Wir sollten mal ausprobieren, ob er uns unterstützen kann. Ich würde die Begleitgitarre von Friedo gerne mal mit der E-Gitarre von Lars koppeln. Wir hätten dann einen besseren Sound und könnten auch modernere Sachen machen, wie z. B. Stücke von Santiano, das wolltet ihr ja immer.“

An Petersen gewandt fuhr er fort: „Wir singen mal ein paar Stücke und du spielst einfach mal mit. Die Akkorde hab‘ ich hier."

Bei den ersten Stücken hatte Petersen keine Schwierigkeiten,

sie stellten keine große harmonische Herausforderung dar. Dann kam Aloha Heja von Achim Reichel. Dieses Stück hatte er schon in verschiedenen Bands gespielt. In seinem Effektbrett hatte er den Originalsound der Sologitarre einprogrammiert. Die Männer sangen, Petersen gab Sönke ein Zeichen und dann legte er los. Das Solo war nur kurz, aber es erzeugte bei den Shantymen Begeisterung, auch Sönke war vollauf zufrieden. Die Stimmung lockerte sich und Petersen fühlte sich sichtlich wohler. Man probierte dann noch den Titel Santiano von der Gruppe Santiano, auch ein alter Shanty. Petersen übernahm mit seiner Gitarre den Geigenpart, dass Stück bekam dadurch einen guten „Drive“, wie sich Sönke ausdrückte. Am Ende der Probe wurde Petersen zum Bier im „Störtebeker“ eingeladen.

Der Magister staunte nicht schlecht, als Petersen mit den Shantymännern die Kneipe betrat. Man zog sich auf die Empore zurück, am Tresen waren wieder die Knobler in Gange. An der Zahl der leeren Jever-Flaschen konnte man den Stand des Spieles erkennen. Auch der Magister schien schon schwer getankt zu haben. Er wollte partout wieder die Geschichte von Magister Wigbold, dem intellektuellen Seeräuber erzählen.

„Bitte nicht“, rief es aus allen Ecken. Der Schwede, den Petersen schon vom „Café Treibsand“ kannte, sprach den Magister recht forsch an:

„Ich geb‘ dir jetzt einen aus, dafür hältst du aber die Schnauze!“

„Keiner hat mich lieb“, säuselte der Magister mit trübem Blick durch seine beschlagenen Brillengläser.

„Nein, wirklich nicht!“ entgegnete der Schwede. Allgemeines Gelächter ertönte von allen Seiten. Die Knobler nahmen ihr Spiel wieder auf und Petersen bestellte eine Einstiegsrunde für den Chor. Als Petersen gegen Mitternacht die Kneipe verließ, war für ihn klar.

„Wenn das jetzt so jeden Abend weiter geht, werde ich endgültig zum Alkoholiker."

Schatten über Wangerooge

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