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Schlechterdings um das ›ich‹

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»Solange das ich währt,

nimmt die Pein kein Ende«

Arthur Schopenhauer

Schlechterdings um das ›ich‹, entdecken wir im Lateinischen diesen Begriff für uns, den ein jeder wie selbstredend kennt, dergestalt als Vokabel ›ego‹. Das führt uns freilich nicht notwendig wesentlich fort auf dem engen Pfad, auf dem wir vorwärts streben, eine vorbedachte Intention zu entwerfen. Doch wir haben uns augenblicklich nicht zugestanden, dass der aufreibend zu durchquerende Engpass des Hohlwegs unseres Suchens wohl doch in ein Vakuum (s. Magdeburger Halbkugeln von Otto Guericke (um 1657)) von unendlicher Öde führen könnte? Dann wäre der Hohlweg wohl doch eher als Holzweg zu charakterisieren? Mithin ein vorwiegend großes Zugeständnis an die Unlösbarkeit des Grundgedankens, um eine bestätigte Antwort auf das Ego-›ich‹ zu entwerfen?

So werden wir mutmaßlich ebenfalls mit der Vokabel ›ego‹ nicht das treffen, was hinter einer fiktiven Versteckbarrikade vorborgen ist, zu dem bis hierher reichlich nachgespürten ›ich‹. Ungeachtet dessen wollen wir in schwarzer Nacht umhertasten, wie der blauäugige Philosoph, der in einem völlig dunklen Raum eine als vorhanden angesagte schwarze Katze nicht findet, augenblicklich und ohne Skrupel dieses Vexierspiel an einen Theologen vermittelt. Unter der fixen Usance entdeckt der Pater tatsächlich den schwarzen Kater.

Gewissermaßen als Erläuterung, um so zu dem literarisch populären Goethischen Pudelskern vorzudringen? Ob nun der zu seiner Zeit mit allem Wissen der damaligen Epoche ausgestattete Geheimrat aus Weimar um den auf diese Weise aufgefundenen possierlichen Wau-Wau weiß, da er ihn doch selbst – ergebnislos – in seinem zweiten Faust artikulieren und anzutreffen wünschte? Deshalb: Goethe (1749-1832) AllerortenAllertexten. Wir aber werden diese Erscheinung exakter wahrnehmen und erbitten ein wenig Geduld.

Experimentieren wir derweilen gewissermaßen mit der Analyse unseres festgestellten Forschungsgegenstandes und dem, was uns dazu sinngebend einfällt:

Position 1:

»Das ›ich‹ ist der Ausdruck für den Bewußtseinskern des Trägers des Selbstbewusstseins. Es ist die leiblich-seelische-Ganzheit des Menschen.«

Punktum

Position 2:

»Vom Standpunkt der Psychologie her wird das ›ich‹ als Quellpunkt des eigenen Verhaltens und als Verankerungspunkt der Person in ihrer menschlichen Umgebung betrachtet.«

Punktum

Wir kommen des ungeachtet nicht umhin, uns in dieser Gedankenkette obendrein der ›ich‹-Bewusstheit zuzuwenden, wie wohl definitiv eine unmittelbare Wechselbeziehung nicht leicht erklärbar sein kann.

Vielleicht wird die Definition leichter mit der Anmerkung zu erfassen sein, die Anordnung sei einfacher zu verstehen, wenn stattdessen ein ›ich‹-Gefühl zu vermitteln ist. – Dieser angewandte Terminus wird, Gott sei es geklagt, in heutiger Zeit erwiesenermaßen täglich auf das Gröbste strapaziert und mit Egoismus gleichgesetzt. –

Letzerer ist uns zur Illustration als das Prinzip aus der Bankenkrise von 2008 hinlänglich bekannt, eine Erscheinung, die wir gesetzmäßig nicht erst seit dem Postskriptum zu beklagen haben. Von der Gier der Menschen, insbesondere der Finanzgurus, ist unbestreitbar das Jahr 2008 als das anus horribilis zu beurteilen.

Zurückgewandt zur ›ich‹-Bewusstheit, ein seelisch-geistiger Zustand, in dem das ›ich‹ als Bewusstseinsinhalt vorgegeben ist. Es gibt aber nicht nur ein ›ich‹, sondern viele verschiedene ›ich‹-Zustände.

Alexander Mitscherlich (1908-1982) spricht davon, dass das Bewusstsein mit der Summe der ›ich‹-Erfahrungen wiederzugeben ist. Sie stehen infolge ihrer durchgängigen ›ich‹-Bezogenheit im Zusammenhang mit der Auskunft über deren Inhalte.

Das Wissen um die Identität des eigenen Subjektes und der Persönlichkeit in den verschiedenen Bewusstseinsabläufen heißt in sofern auch Selbstbewusstsein. Der Träger dieses Bewusstseinsinhaltes ist das Einzelwesen. (Individual-Bewusstsein) Im übertragenen Sinne kann es eine Gemeinschaft sein, also ein Kollektivbewusstsein. Vorbewusste, vergessene und verdrängte Inhalte liegen im Unterbewusstsein und bilden mit noch nicht Bewusstem und mit speziell nicht Bewusstseins fähigem das Unterbewusstsein. Damit berufen wir uns auf den brillanten Frankfurter Psychologen, der seinerseits versucht hat, zu ergründen, ›wer bin ich?. Ob er uns bei der Lösung unseres Problems weiterhelfen konnte?

Das ›ich‹-Gefühl reicht vom völligen Aufgeben des ›ich‹ gegenüber dem Inhalt – so dass das ›ich‹ nur so lange als ideeller Bezugspunkt fungiert – bis zur völligen ›ich‹-Klarheit.

Dieser tritt bei seelischen Erlebnissen, wie zusätzlich bei unkörperlichen Handlungen auf: Ich kann einen Sonnenuntergang am See ›ich‹-verloren, und mithin ein erhöhtes Wachgefühl der Entzückung, erleben. Oder ich kann mich in eine mathematische Aufgabe in völliger ›ich‹-Entrücktheit, ganz der Lösung und dem Inhalt hingeben. Man könnte dies gerne als ›ich‹-Leistung registrieren.

Genug nun des ›ich‹? – Derweil liegt nebenbei bemerkt, eine lange Wegstrecke vor uns, auf der wir formidable Klarsichten einsammeln können.

Wie viele Begebnisse erkennen wir bei einer tatsächlichen beliebigen Wanderung zu Fuß und in Gedanken an das ›ich‹? Man kann verbleiben, fortschreiten oder aber umkehren. – Wie befriedigend intellektuelle Bemühung sein kann, sind die Mühsale des Fortschreitens mitunter gravierender und oft allerdings aufschlussreicher.

Ehedem lehrt uns Teilhard de Chardin, Wandern und Nachdenken können vorbehaltlos Glücksmomente potenzieren. Mit der Illustration, wie gleich zugereicht, ist es vermutlich einfacher, den schwierigen Pfad zur Erleuchtung unseres Rebus zu beschreiten, weil eine für den Alltagsmensch ausführbare Situation nachzuzeichnen ist.

Es hat uns Marie-Joseph Pierre Teilhard de Chardin (SJ)?(1881-1955), französischer Anthropologe, Philosoph und Theologe, ein Lehrstück zugeeignet, das als Orientierungszeichen in den oben betrachteten Hintergründen gleichermaßen behilflich ist. Es ist gewissermaßen ein möglicher und außerdem eigener Wegweiser zum Erleben des für jeden anderen Charakter gearteten und empfundenen uralten Wortes irdischen Glücks:

Eine Gruppe von Urlaubern unternimmt einen Ausflug in das französische Massif Central. Der Autobus steuert einen malerischen kleinen Moränesee an, inmitten umgeben von Zweitausendern. Die Kaffetafel vor einem einladenden Seehaus ist bunt gedeckt, lästige Sonnenstrahlen werden von Schirmen auf erträgliches Maß ferngehalten, ohne jedoch die angenehme Temperatur zu beeinflussen. Die allgemeine Stimmung ist als auffallend heiter einzuschätzen. Der Panoramablick auf die pittoresken Gottesgipfel, mit einem Wort, es ist ein höchstmöglich brillantes Ambiente.

Kaffee und Kuchen werden mit großem Appetit frequentiert, fröhliche Unterhaltungen geben das Zeremoniell an. – Nachdem die Reisenden den Erfrischungen zugesprochen haben, befindet der Reiseleiter, es sei nun an der Zeit, für die Damen und Herren, die eine Bergtour gebucht haben. Behänder Aufbruch der agilen Bergwanderer, doch nicht alle erträumen den beschwerlichen Aufstieg und so bleibt ein Drittel der Touristen lieber am idyllischen See mit herrlichem Ausblick auf die im Sonnenlicht blinkende Wasseroberfläche und die erstrahlenden Wipfel. »Wie schön es doch wirklich ist«, ruft eine Dame verzückt aus, »dies ist das ganze Glück meines ich«. –

Leutseliger Beifall ist ihr sicher.

Dies Glück ist das der passiven Menschen‹

Derweil zieht es die anderen Ausflügler bergwärts, um die reizvolle Erkletterung zu genießen, wenn zugleich so mancher Tropfen Schweiß infolge der Mittagshitze rinnt. Doch nach Ankunft auf der malerischen Berghütte, der Gipfel ist näher sicht-bar, wird der Aufstieg und die bezaubernde Aussicht genüsslich vermerkt. Die kräftige Brotzeit veranlasste einen Bergwanderer zum dem fröhlichen Ausruf: »Das ist mein totales Glück.« Der Begeisterte gehört zu der Gruppe, die auf der Hütte verweilen möchte. Sie erkannten ihr ›ich‹ und geben sich dem Füllhorn des hiesigen wundervollen Eindrucks völlig hin.

Dies Glück ist das der aktiven Menschen‹

Wie unschwer abzusehen ist, ein kleiner Teil der Seilschaft wollte die Kuppe erklimmen und kletterte daraufhin nach oben, den beschwerlichen Weg vor Augen. – Das absolute Heil, darüber waren sich die Gipfelstürmer später nach dem schwierigen Besteigen des Berges und ganz nahe am Gipfelkreuz angelangt einig, können wir nur ganz oben genießen.

Dies ist das Bekenntnis des dem köstlichen Glückszustand entgegen eilenden Menschen, der aktiv das absolute Glück, auch wenn es allein mit großen Hindernissen zu erlangen ist, anstreben möge.‹

Mithin ist Glück von der ›ich‹-Disposition und vom persönlichen Gusto motiviert, es ist nicht übertragbar auf andere Zeitgenossen und nicht von einer Fremdbeeinflussung her zu bestimmen, zu erklären. – Genug des Lohnes, den wir einem für uns wohlmeinenden Muster entnahmen, wir müssen uns nunmehr, wie es unsere Absicht vorgibt, dem Fragesatz, ›wer bin ich?‹, abermals zuwenden.

Nicht gründlich hinreichend können wir mit dem zuvor anführten französischen Aufklärungsphilosophen alles in allem agieren, doch schließendlich ist das Ergebnis wie:

Wir existieren denkend als Descartes-Adepten‹

Wem es augenblicklich zu inferior wird, sollte jetzt besser aus dem Gedankenzyklus aussteigen, es ist Zeit genug, um dem großen Philosophen in seiner gedachten Werkstatt über die Schulter zu schauen, so versuchen wir auf späteren Seiten mit Descartes zu sinnieren.

Die Recherche nach dem ›ich‹ seit dem Erscheinen des Menschen im Holozän – so erklärt uns der bedeutende Schweizer Romancier Max Frisch (1911-1919) den Anbeginn der Weltbevölkerer auf unserem Erdenrund – begehrt der Homo erectus, wenn er in zeitnaher Ermittlung rechtzeitig eine urwüchsige, vielleicht noch animalische Denkkraft sein eigen nennen konnte, zu erfahren, wie es etwa um seine individuelle, ganz persönliche Existenz bestellt ist.

Woher er kommt und wohin es ihn treibt, mit der nicht einmal zuverlässig kalkulierbaren Fragestellung ›wer bin ich?‹, einer in etwa allgemein verlässlichen Begriffsbestimmung näher zu kommen und eine in diesem frühen Moment der Menschheit befriedigende und unverfälschte Beantwortung zu erhalten.

Die Frage nach seinem eigenen Dasein wurde für unseren Urvater selbst umso drängender, je mehr er sich von Not und Bürde um hinreichende Nahrungs- und Obdachsuche entfernte und als ihm das Joch um das tägliche Brot geringer erschien, körperlich und kulturell erträglicher erging. Gegebenenfalls war das der Zeitpunkt angesagter Wende vom fleißigen Sammler zum ansässigen Landmann, der seine Scholle zum Nutzen der Sippe besorgte.

Nicht zu unterschätzen für den Entwicklungsgang des Menschen ist seine Verhaltungsweise zur Deutung der Naturphänomene, die ihn teilweise als ungeheuer gefahrvoll für Leib und Leben dominierten. Mit seiner Kennzeichnung dieser Erscheinungen, deren Ausgangspunkt er selbst nicht definieren konnte, da sie ihm un-ein-sichtig waren, galt der Versuch, Dogmen anzunehmen, die für ihn folgerichtig erschienen. So benannte er die bedrohenden Phänomene wie desgleichen positive Nutzerscheinungen mit anfänglich willkürlichen Wesen, die in das Mythische eingingen, die ihm de facto haptisch nicht erreichbare Sphäre überhaupt mit seiner Identität in Einklang zu bringen war.

Die in der Frühzeit des Menschseins unerklärbaren Urwelterscheinungen wurden alsbald mit außerirdischen, das heißt nicht belegbaren materiellen Menetekeln, mit mystischen Quellen in Verbindung gebracht. –

Als erfassbares und bekanntes Exempel könnte dienen, dass bei den Germanen der beängstigende Donnerbegriff dem Gott Donar – Thor – beigeordnet wurde. Als Sprachfamilie fand man diese Gottheit, die das Mirakel der verderbend drohenden Phänomene veranschaulichte. Er war der bedeutsamste germanische Gott aus dem Geschlecht der Asen. (s. Edward Grieg (1843-1907) ›Der Tod der Ase‹)

Neue Gottheiten wurden nach fortschreitender Glaubensverbreitung legitim und zur Überzeugungskraft den Heiden gegenüber erforderlich. Sie standen jedoch bei der Christianisierung durch angelsächsische Missionare – z. B. Bonifazius (672-754), Switbert (bis-712) und andere mehr – im 6./7. Jahrhundert dem Glauben des christlichen Monotheismus zuwider. Aber musste für die Urbewohner ein Zugeständnis gemacht werden? Ist dies die Urform und Entstehungsgeschichte der Heiligen in der christlichen Kirche?

Auto-Identifikation - Glück und Mühsal der Selbstfindung

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