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Mythos versus Denken um das ›ich‹

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Mythos versus Denken um das ›ich‹ ist eine besonders schwierige Methode, um die Denkstrukturen des ›ich‹ zu erfassen, zumal es um ihre ureigenste Deutung geht. – Denken…denken kann ein jeder, aber denken ist, wenn das Resultat einer solch beschwerlichen Sisyphusarbeit unwiderlegbar, gleichermaßen eine logische Folgerung sein soll. Und bisweilen, je nach Schwierigkeitsgrad der Klärung, eine ungleich belastende Arbeit. – Und wer möchte in eigener Person despotisch zur Ergründung eines noch unbekannten Nichts arbeiten, sei hier ergänzend streng hypothetisch nachgefragt?

Und überdies: Viele Menschen glauben, dass Denken und Schlussfolgern im Wesentlichen dasselbe sind. Eine heikle Überforderung seiner selbst, von seinem ›ich‹? Soll die Konsequenz daraus sein, dass die Art der freien Assoziation ein wesentlicher Teil menschlichen Überlegens überhaupt darstellt? Schaut das ›ich‹ den eigenen Gedanken wie einem fließenden Gewässer zu? – Kann das Nachdenken über das menschliche Denken zu einem strikten Resultat führen, oder bleiben diese Gedanken des ›ich‹, über das ›ich‹, auf unfertiger Wegstrecke einem baldigen und leider unbehaglichen Ende überlassen?

Anderseits hat es den Anschein, jemandem das Folgern beizubringen, sei unbestreitbar eine schwere Aufgabe. Wie soll man es gleichsam anfangen, einen Menschen, dem die ständige Arbeit, die Sorge um den Arbeitsplatz und die Auswahl des täglichen TV-Programms genug Leistung der Gehirnzellen abverlangt, außerdem noch dazu bewegen, über seinen Tellerrand zu blicken, hinaus in unbekanntes Terrain zu sinnen? Man muss selbstbewusst sein, um einen anderen Menschen derart zu beeinflussen, dass er sich dieser gedanklichen Mühen unterzieht.

Es gibt in der Tat eine dokumentarische Erläuterung dafür, in der uns der französische Maler-Philosoph Gustav Courbet (1819-1877) unterweist. Er bezieht sich augenscheinlich nicht stark auf seine eigenen philosophischen Denkweisen, vielmehr die der Psychologie, wenn er behauptet:

»Ich kann selbst Steine zum Reden bringen!«

Gerne wären wir darüber informiert, wie der Romantiker Courbet sich sein Innenleben vorstellt, wie er seinem eigenen ›ich‹ gegenüber argumentiert und Stellung bezieht. Anstatt eine förderliche Antwort zu erhalten, legt er sogleich wieder sein Aufsehen erregendes Maltalent in die Waagschale. Vergeblich haben wir sein ›ich‹-Menetekel erwartet.

Um logisch zu begreifen, das ist aber Vorausbedingung der Erkundigung, müssen wir uns konzentriert über die Zwischenstationen auf dem widerspenstigen Weg im Unverkennbaren klar sein. Nicht nachlassen im Erkennen des Kontinuums als kognitives Spektrum an Gedankenstilen ist die Grundtatsache des menschlichen Denkens. – Man sollte nicht sagen,

»ich denke, sondern ich werde gedacht«.

So sieht es jedenfalls Arthur Rimbaud (1854-1891). Diese Sehweise kann in Zweifel gezogen werden, wenn sie als These im Focus von Descartes belichtet wird.

Wie reüssiert zu diesen Sinndeutungen ein bekannter heutiger Schriftsteller dieses possessive Bild? Wir lassen ihn zu Wort kommen:

»In diesem Moment begriff er, dass niemand seinen eigenen Verstand benutzen wollte. Menschen wollen Ruhe. Sie wollen essen und schlafen, und sie wollen, dass man nett zu ihnen ist. Denken wollen Sie nicht.«

Trifft diese Sequenz auf den an wichtigen Themen uninteressierten TV-Schläfer zu, Herrn Jedermann also? –

Eine wissenschaftliche Charakteristik von Denkvorgängen hat der Hirnforscher Roth als Wissenschaftler der Universität Bremen erarbeitet:

»Unser Gehirn scheut das Denken, weil es eine wahnsinnig Energie raubende Tätigkeit ist. Wer nachdenke, dessen Großhirnrinde verbrauche ungeheuer viel Zucker und Sauerstoff. Deshalb versucht es, möglichst wenig nachzudenken und alles Mögliche zu automatisieren. Herrsche Zeitdruck, werde Noradrenalin ausgeschüttet; dieses Hormon aktiviert die Muskeltätigkeit, erhöht die Wachsamkeit und sorgt dafür, dass das Denken ausgeschaltet wird.«

Ebenso problematisch sei es für unser Hirn, wenn es mit ständig neuen Reizen konfrontiert werde, da wir nicht mehr als einen Gedanken gleichzeitig nachgehen können. – Vielleicht erklärt die Forschung das Verhalten mancher Menschen?

Unten sehen wir zum Titel diverse Indizien, sie verweisen auf weltbekannte Philosophen, die sich mit mystischem Fabulieren versus Denken und mit dem belassenen annehmbaren Geheimnis ›ich‹ auseinandersetzen.

Zur geschichtlichen Illustration der bedachten Fragestellung nach der persönlichen Existenz des Individuums scheint es erforderlich hinzuweisen, dass das Umhertasten nach Mystischem und Magischem der Realität nahe kommt. Uns interessieren hauptsächlich engagierte Protagonisten in Denkdisziplinen, die nach Abkunft, Sinn und Zweck des eigentlichen Daseins zu charakterisieren sind. Denn eine Replik auf die philosophische Devise ›ich‹ würde wuchernden Zwiespalt sich selbst und außerdem an einem religiösen Angebot inhibieren.

Gedankenarbeit kann von philosophischer Urkraft sein. Kann, muss es trotzdem nicht. Manch einer denkt, er sei ein Philosoph, kann sein, muss aber nicht. Eher: nicht. Beharrlich trägt uns daher das Seminar der Philosophie mit dem Titel wer bin ich?‹ in die ungefähre Sphäre ernst zunehmender Gedanklichkeit, wir müssen uns ein wenig geduldig zeigen.

Auto-Identifikation - Glück und Mühsal der Selbstfindung

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