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ОглавлениеIntermezzo I
Lasst den Elch an euch vorübergehen
Erstes Wiener Heimorgelorchester
„Du bist wie ein Vergleich wenn Du hinkst / Du warst so unvergleichlich als du gingst“
Aus: „Wie ein Vergleich“ von Erstes Wiener Heimorgelorchester
Es gibt unheimlich viele gute, neue Musiker aus deutschsprachigen Landen – genannt sei an dieser Stelle zum Beispiel David Öllerer aus dem niederösterreichischen Tulln an der Donau. Analog zu Jürgen Udo Bockelmann, der als Udo Jürgens zum Star wird, wählt Öllerer den Künstlernamen Voodoo Jürgens. Sein Album „Ansa Woar“ und speziell der morbide Song „Heite grob ma Tote aus“ sind in Österreich sehr erfolgreich. Überhaupt kann sich Herr Felix Austria momentan mal wieder glücklich schätzen, denn in der Alpenrepublik sind innovative Künstler praktisch so etwas wie ein nachwachsender Rohstoff. Die Bandbreite reicht dabei von Parov Stelar, der Swing, Dixie und Blues mit modernen Dance-Sounds kombiniert, über die ausschließlich auf billigen Supermarkt-Tasteninstrumenten spielenden Minimalisten vom Ersten Wiener Heimorgelorchester, das sich im gezielten Weglassen von Buchstaben –„die letten werden esten sein“ oder „und lass den Elch an mir vorübergehn“ – übt, bis hin zu Nino Mandl, den man als Nino aus Wien kennt.
Der singt zum Beispiel im Lied „Winter in April“, thematisch die wienerische Umsetzung des Prince-Songs „Sometimes It Snows In April“ berührend-schöne Zeilen wie: „Wir haben alles besprochen/ Sind am Teppich zur Hölle gekrochen/Langsam aber sicher wird es still/ Wir haben manches verfehlt/Können nicht mal uns selber versteh’n/ Manchmal, hin und wieder, wird es wild/Es ist nur der Winter im April“.
Der moderne österreichische Künstler ist kreativ besonders vielseitig. Der Kabarettist Josef Hader singt, gibt „den Brenner“ in den Verfilmungen der Wolf-Haas-Krimis und beweist im Streifen Wilde Maus sein Können als Regisseur. Nino aus Wien schreibt Bücher, ebenso wie Daniel Wisser vom Ersten Wiener Heimorgelorchester, kurz EWHO genannt: Der gebürtige Klagenfurter ist ein Sprachvirtuose, was nicht nur der 2017 erschienene Kurz-Roman Löwen in der Einöde belegt. Er hat auch in seinem erfolgreichen, für das renommierte Forum Stadtpark erstellten Blog gezielt nach Worten gesucht, die man in Google nicht findet. Das Wort „Beschäftigungsmalus“ erzielte keinen Treffer – zumindest solange, bis das Sprachtrüffel-Schwein den Begriff der Öffentlichkeit zugänglich macht. Ab diesen Zeitpunkt wird „Beschäftigungsmalus“ von der Suchmaschine gefunden – wenn auch derzeit nur einmal, erklärt Wisser in der Bayern-2-Sendung Sozusagen! – Bemerkungen zur deutschen Sprache. Nebenbei erfährt man von ihm, dass der Begriff „Google“ vermutlich 1948 zum ersten Mal verwendet wird – und zwar vom Philosophen Russell Nieli.
Referenzen gibt es auf jeden Fall beim EWHO genug, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Januar 2018 ausführt: „Dass die Lyrik des Heimorgelorchesters mit Recht sogar für sich allein stehen kann, zeigt ein Band mit den gesammelten Liedtexten unter dem Titel Widerstand ist Ohm (Wien 2015). Wenn man die für einmal nur liest, wird der Einfluss der eingangs genannten Dichter (im Buch Widerstand ist Ohm; Anm. des Autors) noch deutlicher.
Peter Handkes ‚Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt’ etwa mit seinem Readymade-Poem über die Aufstellung einer Fußballmannschaft mag da Pate gestanden haben für das Lied ‚Vier Fußballer“ – sie heißen hier Obermayer, Untermeyer, Vordermeier und Hintermaier. Und Handkes ‚Vergleiche für nichts Vergleichbares‘ klingen ebenfalls wieder an im Text zu ‚Wie ein Vergleich‘. Das singt sich so: „Du bist wie ein Vergleich wenn Du hinkst/Du warst so unvergleichlich als du gingst.“ Robert Gernhardt, Ernst Jandl und Ror Wolf schauen bei solchen Zeilen vergnügt ums Eck. Für solche Nachfahren haben sie gedichtet.
EWHO – billige Instrumente und witzige Wortspiele Foto: Johannes Zinner
Zum Weiterhören
Erstes Wiener Heimorgelorchester: „die letten werden die esten sein“ (CD, OHM Records, 2018)
Voodoo Jürgens: „Ansa Woar“ (CD, Lotterlabel 2016)