Читать книгу PERSEUS Pyramid - Manfred Rehor - Страница 4
ОглавлениеKapitel 1
Granger stand in der Zentrale seines neuen Schiffs und starrte missmutig auf die Konsolen. Alles sah aus wie noch nie benutzt, und das störte ihn. Nicht einmal ein Testflug war durchgeführt worden, so eilig hatte man es damit, ihn loszuwerden.
„Alle Systeme funktionieren, wir verlassen in wenigen Minuten das Gaia-System“, meldete die Stimme der Künstlichen Intelligenz über Lautsprecher.
Granger lehnte es ab, den holographischen Avatar einzuschalten, den man bei diesen neumodischen Computersystemen installiert hatte. Auch wenn es unter den zwei Dutzend Schablonen durchaus einige junge hübsche Frauen gab. Aber Computer war Computer, egal in welcher Gestalt.
„Dann nichts wie weg hier!“, sagte er lauter, als er es wollte. Seine Stimme hörte sich hallend und rau an, denn er war alleine in der großen Zentrale. Die KI schien das auch zu merken. Ein kaum hörbares Rauschen kam auf, das eine angenehmere akustische Umgebung schuf.
Granger blieb stehen, was sonst nicht seine Art war. Aber der Sessel des Piloten sah so neu und sauber aus, dass er es nicht über sich brachte, sich zu setzen.
Die Adausy beschleunigte auf dem vorberechneten Sprungvektor und verließ das System Gaia. Im selben Moment materialisierte sie in einem anderen Sonnensystem. Es war unbewohnt und lag von der Zentralwelt der Perseus-Kolonie aus fünf Lichtjahre weit einwärts. So nannte man die Richtung, die im Spiralarm nach innen führte, in einem abertausende Lichtjahre langen Bogen auf das Zentrum der Milchstraße zu.
„Nächster Zielstern ist erfasst, Kurskorrekturen werden zwei Stunden dauern“, meldete die KI.
„Ich gehe solange in meine Kabine“, antwortete Granger. Das dem Bordcomputer zu sagen war eine überflüssige Gewohnheit von ihm, denn natürlich wusste die KI immer, wo er sich aufhielt. Aber auf seinem alten Schiff, der Mardora, hatte sich im Laufe vieler einsamer Langstreckenflüge so etwas wie eine Partnerschaft zwischen Mensch und Maschine herausgebildet. Es blieb abzuwarten, ob das auch diesmal gelang. Eine KI war lernfähig und passte sich den Eigenheiten der Besatzungsmitglieder eines Raumschiffes nach und nach an - sie war als Teamplayer programmiert.
Granger war allerdings der einzige Mensch an Bord. Ob sich die KI damit zurechtfand, es nicht mit einem Team zu tun zu haben, blieb abzuwarten. Er wandte sich um und wollte gehen, doch die künstliche Stimme hielt ihn zurück.
„Soeben bekomme ich über Hyperfunk Kontakt mit Gaia. Es handelt sich um eine verschlüsselte Verbindung.“
„Wer will etwas von mir?“
„Vizeadmiralin Lydia Vendaar.“
Granger machte kehrt und setzte sich nun doch in den Pilotensessel. Fast schon enttäuscht spürte er, wie der sich seiner Körperform perfekt anpasste. Das Teil war so bequem, wie man es von einem modernen Hightech-Produkt erwarten durfte „Stell die Verbindung her!“, forderte er.
Er erwartete, jetzt eine Abbildung seiner Gesprächspartnerin auf einem der Monitore zu sehen, wie es üblich war. Als er ihre Stimme hinter sich hörte, fuhr er erschrocken herum. Eine lebensgroße Projektion der schlanken Frau stand mitten in der Zentrale. Granger hasste diese technischen Spielereien, aber er nahm an, dass es seine KI war, die ihn foppte, nicht die Vizeadmiralin. Deshalb hielt er sich zurück und fragte mit gespielter Höflichkeit: „Was kann ich für Sie tun?“
„Granger Tschad, ich möchte mit Ihnen über Ihren Auftrag sprechen. Die Regierung hat Ihnen die Adausy zur Verfügung gestellt, um nach isolierten, versprengten menschlichen Kolonialplaneten im Perseus-Arm zu suchen. Wir wissen, dass es Dutzende von diesen unabhängigen Welten geben muss, weil viele Kolonialschiffe in weit entfernte Regionen vorgestoßen sind. Meist waren es politische oder religiöse Sektierer, die sich nicht der Regierung auf Gaia unterstellen wollten. Diese Planeten sind ebenso wie wir gefährdet durch die Scarabs und die Praan-Saat.“
Granger fragte sich, warum die Vizeadmiralin ihm diese Selbstverständlichkeiten erzählte. Er erfuhr es einen Augenblick später, als eine zweite Person in der Projektion auftauchte. Es handelte sich um einen kleinen Mann, der mit einem strahlenden Lächeln so tat, als würde er sich in der Zentrale der Adausy umsehen. Vielleicht hatte man sogar extra für ihn diese Zentrale virtuell in seinem Büro nachgestellt. Denn er war nicht irgendjemand, sondern Ferit Marandi, Präsident der Perseus-Kolonie.
„Ich freue mich, Sie kennenzulernen“, sagte Marandi. „Beeindruckend groß ist das Schiff, das Sie da haben. Sie sind tatsächlich alleine an Bord?“
„Wie es bei Tradern üblich ist“, antwortete Granger. Er ersparte sich die Anrede, Herr Präsident‘ oder gar ,Eure Präsidiale Exzellenz‘, wie es in politischen Kreisen in Mode gekommen war.
„Sie sind nicht als Trader unterwegs, sondern als Beauftragter der Regierung“, konterte Marandi. Aber er lächelte weiterhin so sympathisch, als wäre er überglücklich, mit Granger sprechen zu dürfen. „Sie gelten als besonders vertrauenswürdig und zuverlässig. Deshalb haben wir Ihnen ein für Frachtflüge modifiziertes Schiff des Seeker-Typs anvertraut. Aber ich hätte es trotzdem für gut befunden, eine vollständige Besatzung an Bord zu wissen.“
Man hat mir das teure Schiff und den Auftrag gegeben, um mich loszuwerden, dachte Granger. Ich weiß zu viel und lasse mir nicht einfach den Mund verbieten. Also soll ich so weit wie möglich weg. Laut sagte er in schärferem Ton, als er eigentlich wollte: „Ich finde es ungewöhnlich, dass Sie sich persönlich mit solchen Themen beschäftigen.“
„Small Talk ist nicht Ihre Stärke“, antwortete Marandi, ohne dass das entnervende Lächeln aus seinem Gesicht verschwand. „Kommen wir direkt zum Anlass dieses Gesprächs: Sie mit dieser Mission zu betrauen, war eine Entscheidung, die auf höchster Regierungsebene getroffen wurde. Einerseits wissen Sie genug, um die aktuelle Lage richtig einschätzen zu können, andererseits sind Sie Zivilist und daher unverdächtig. Sie haben den Ruf, ein Freigeist zu sein, der sich nicht gerne sagen lässt, was er zu tun hat. Ich vermute, dass dieser Ruf sogar ferne, uns unbekannte Kolonialplaneten erreicht hat.“
„Präsident Marandi möchte damit zum Ausdruck bringen, dass man auf diesen Planeten mit Gaia nichts zu tun haben will“, warf Lydia Vendaar ein. „Ihnen dagegen werden diese Leute unvoreingenommen zuhören.“
„Welche Leute?“, fuhr Granger dazwischen.
„Das wissen wir nicht“, antwortete der Präsident und lächelte weiterhin.
Granger kam der Verdacht, dass er kein Bild des Mannes sah, sondern eine vom Computer manipulierte Kopie, die besonders sympathisch wirken sollte.
Vendaar ergänzte: „Wir kennen nur die Positionen von wenigen unabhängigen Kolonialplaneten. Wir haben seit Jahren keinen Kontakt mehr mit ihnen. Gerüchte, die uns erreichen, berichten von erheblichen Veränderungen. Es scheint, als würde jemand versuchen, die Herrschaft über diese Planeten zu übernehmen.“
„Ich bin kein Spion und kein Diplomat!“, sagte Granger mit Nachdruck.
„Aber Sie kommen sogar mit den Prospektoren gut aus. Also werden Ihnen auch diese eigenbrötlerischen Kolonisten zuhören. Finden Sie heraus, was sich dort tut. Gewinnen Sie das Vertrauen der Hintermänner.“
Es gärte in Granger. „Sie wollen mich also wieder für politische und militärische Ränkespiele einspannen? Nicht mit mir, ich kehre sofort um!“
„Nicht so hastig!”, rief Marandi, und zum ersten Mal lächelte er weniger intensiv. „Niemand verlangt, dass Sie etwas gegen Ihren Willen tun. Aber es geht um Abermillionen menschliche Kolonisten. Falls tatsächlich jemand beginnt, die Herrschaft über sie zu übernehmen, ist das eine ernsthafte Bedrohung ihrer Freiheit.“
„Geben Sie es zu: Sie haben nur Angst, dieser Jemand könnte ein Gegengewicht zu der von Gaia kontrollierten Kolonie im Perseus schaffen!“
Das knipste das Lächeln des Politikers endgültig aus. „Wir stehen ein für die gesamte Menschheit!“, sagte er mit Nachdruck - aber auch diesen übertrieb er, so wie vorher die Freundlichkeit. „Sie kennen die Situation im Orion-Arm so gut wie wir: Die Erde wird bedroht und ist knapp an Hypersprungkristallen; die Planetengruppe des Freien Orion hat sich in Zeiten der Gefahr von der Erde losgesagt. Wollen Sie solche Zustände auch bei uns, während die Scarabs und die Praan-Saat darum wetteifern, uns zu vernichten?“
„Weiß ich nicht“, provozierte Granger. „Vielleicht gibt es woanders bessere Politiker.”
Wieder mischte sich die Vizeadmiralin ein: „Dort draußen, weit jenseits des Bereichs, den wir kennen, geht etwas vor sich. Wir müssen herausfinden, wer dahinter steckt. Sollte es sich um eine friedliche, demokratische Vereinigung verschiedener Planeten unter einer gewählten Regierung handelt, so werden wir dies akzeptieren. Aber es könnte auch eine Bedrohung für Gaia sein.“
„Ich habe mich für diesen Flug entschieden, um nichts mehr von Politik und Militär und Betrug zu hören!“, rief Granger. „Kurz gesagt, um nichts mehr mit Menschen Ihres Typs zu tun zu haben.“
„Aber unser Geld und das Schiff haben Sie gerne genommen“, spottete Vendaar und traf damit einen wunden Punkt.
„Ich gebe Ihnen beides gerne zurück, wenn Sie mich in Ruhe lassen“, behauptete er und hoffte, dass man ihm nicht ansah, wie sehr er log.
„Das geht leider nicht. Und Sie können auch nicht mehr umkehren.“ Präsident Marandi lächelte nun so kalt, dass Granger Angst vor ihm bekam. „Wir haben nämlich die Nachricht verbreiten lassen, dass Sie wieder Drogen schmuggeln. Man sucht Sie per Haftbefehl.“
„Das haben Sie nicht!“, brüllte Granger die 3D-Abbildung des Mannes an.
„Aber ja“, sagte der mit einem Schulterzucken. „Die Tonne Rauschgift, die in den Transportcontainern Ihrer Adausy versteckt sind, sprechen ja wohl für sich. Tut mir leid, Granger Tschad, aber Sie sind ab sofort ein Outlaw. Fliegen Sie so schnell und so weit wie möglich weg, um unseren Behörden zu entkommen. Denn ...“ Marandi machte eine Kunstpause und hob die Augenbrauen, bevor er fortfuhr: „... wenn Sie gefasst werden, wird man Sie aburteilen. Dieses Hyperfunkgespräch hat niemals stattgefunden. Ihre einzige Chance auf Wiederherstellung Ihres Rufs ist es, mit möglichst umfassenden Informationen über das zurückzukehren, was jenseits unserer Grenzen vor sich geht.“
Das Hologramm der beiden Personen erlosch.
„KI, speichere eine Aufzeichnung dieses Gesprächs ab und drucke mir eine Abschrift davon sicherheitshalber aus. Ich brauche Beweise.“
„Ich weiß nicht, wovon du redest“, behauptete die KI. „Du bist, glaube ich, kurz eingenickt, während ich das Schiff auf den Sprungvektor ausgerichtet habe. Hypersprung in wenigen Sekunden.“
„Warte!“, rief Granger.
„Zu spät, wir sind schon im Zielsystem“, entgegnete die KI.
„Sofort Kurs zurück nach Gaia berechnen!“
„Ich rate davon ab. Soeben ist eine Fregatte der Raumstreitkräfte im System erschienen. Sie fordert dich auf, dich zu ergeben.“
„Einverstanden. Funke eine Nachricht an sie.“
„Leider lässt das meine Programmierung nicht zu“, behauptete die KI. „Ich beschleunige mit Höchstwerten, um der Fregatte zu entkommen. Es sollte uns gelingen, in den Hyperraum zu gehen, bevor sie in Schussreichweite ist.“
„Dann wird sie uns im nächsten System erwischen“, sagte Granger. „Flucht ist sinnlos, also schick einen Funkspruch an sie ab.“
„Die Adausy ist mit einem Hypersprungantrieb besonderer Reichweite ausgestattet“, belehrte ihn die KI.
„Aber sicherlich mit keinem besseren, als in einem modernen Kriegsschiff.“
„Doch. Wir sind das erste Schiff, das über einen Antrieb mit den von den H’Ruun zur Verfügung gestellten Technologien verfügt. Wir erreichen höhere Beschleunigungswerte und können weiter springen als eine Fregatte.“
„Du warst also von Anfang an in diese Gemeinheit eingeweiht?“
„Richtig.“
Granger lehnt sich im Pilotensitz zurück. „Stimmt die Geschichte mit der Tonne Rauschgift?“
„Es handelt sich um die letzten Vorräte von Oon-Pulver, das vom Planeten Wolkental stammt. Sein Wert ist kaum zu beziffern.“
„Verdammt!“ Granger dachte nach. „Wir sprengen den Container ab, in dem es sich befindet. Am besten so, dass er in eine Sonne stürzt.“
„Das würde uns der meisten Vorräte berauben. Das Rauschgift ist in versteckten Hohlräumen des Nahrungsmittelcontainers gelagert.“
„Warum ist das fehlende Lagervolumen niemandem aufgefallen?“
„Wir haben dafür einige Tonnen weniger Lebensmittel dabei. Ich musste entscheiden, was am ehesten verzichtbar ist, und habe die Biervorräte von Bord bringen lassen.“
Von diesem Moment an hasste Granger die KI und sein Schiff.