Читать книгу PERSEUS Pyramid - Manfred Rehor - Страница 5
ОглавлениеKapitel 2
Das dreidimensionale Abbild der Sternenkarte drehte sich langsam über der Konsole vor dem Pilotensessel. Granger saß jedoch nicht davor, sondern ging mit hektischen Schritten hin und her, während er die KI seines Schiffes beschimpfte.
„Zeige mir sofort, wo wir sind, oder ich drehe dir den Strom ab, du verdammter Blechkasten! Was gibt es so Geheimnisvolles auf dem Weg nach Onistar, dass du mir nicht einmal die Position des Schiffes zeigen willst?“
„Es ist vierzig Jahre her, seit ein Mensch auf dem Planeten war und zurückgekehrt ist“, behauptete die KI.
„Was hat das damit zu tun?“, wetterte Granger.
„Der Weg dorthin ist nicht so einfach zu finden, wie du es dir vorstellst. Und die meisten, die in dieser Richtung geflogen sind, kamen nicht zurück. Egal, ob es Diplomaten, militärische Kundschafter oder Trader auf der Suche nach einem guten Geschäft waren.“
„Du meinst, man hat sie daran gehindert, zurückzukehren?“ Granger blieb stehen.
„Oder sie sind nie angekommen. Was auch immer der Grund sein mag, etwas macht den Flug dorthin gefährlich.“
„Aber jemand hat es offenbar doch geschafft, Informationen über Onistar an Gaia zu schicken. Was hat er berichtet?“
„Er schilderte den Planeten als nur teilweise terraformt und dünn besiedelt. Einige Zehntausend Angehörige einer Sekte sollen sich dort niedergelassen haben, die keinen Kontakt mit anderen Menschen wünschen.“
„Von der Sorte gibt es viele. Jedenfalls ist ihm nichts geschehen. Also kann es dort nicht so gefährlich sein, wie du behauptest.“
„Der Mann galt als unzuverlässig und käuflich, er kam wenig später bei einem Streit ums Leben. Der Bordcomputer seines Schiffes wies eine Störung auf, weshalb alle Daten über den Flug nach Onistar, den Aufenthalt dort und den Rückflug unrettbar verloren waren. Niemand weiß also, ob er die Wahrheit berichtet hat.“
„Wir werden uns dem Planeten nur weit genug annähern, um feststellen zu können, ob die Behauptungen des Mannes stimmen. Dann machen wir kehrt und suchen andere besiedelte Welten jenseits von Onistar.“
„Deine Aufgabe ist es, dort zu landen“, wandte die KI ein. „Du sollst Informationen über die kolonisierten Welten sammeln, nicht nur ihre Koordinaten herausfinden.“
„Es wird gemacht, was ich für richtig halte!“, donnerte Granger überlaut. Ein sinnloser Wutausbruch, denn er erlebte ja gerade, dass sich die KI nicht um seine Befehle kümmerte. „Also noch einmal: Warum zeigst du mir nicht unsere Position auf der Sternenkarte?“
„Weil einiges, das auf unserem Weg liegt, unter militärische Geheimhaltung fällt. Die Außengrenzen der Perseus-Kolonie sind in dieser Region gut gesichert. Sobald wir in einem Raumgebiet sind, das jenseits des Einflussbereichs von Gaia liegt, werde ich dich wieder über alles auf dem Laufenden halten.“
„Wann wird das sein?“
„In vier Wochen“, sagte die KI. „Wir fliegen einen Zickzackkurs, der die Strecke leider verlängert.“
Granger wollte fragen, was er einen Monat lang alleine hier im Schiff tun sollte. Aber er schluckte die Frage hinunter. Er war an die Einsamkeit auf Raumreisen gewohnt, ja, er liebte sie. Die Tage gingen gleichförmig dahin, die Zeit ließ sich mit Lesen, Musik hören und ähnlichen Annehmlichkeiten wunderbar vertreiben. Der eine oder andere Streit mit der KI sorgte für die nötige Abwechslung. Aber, und das war ein großes aber, dazu brauchte er eine KI, die er als Kumpel und nicht als Gegner betrachtete. Außerdem gehörte zur Einsamkeit auch reichlich Bier - sonst ging sie sogar ihm irgendwann auf die Nerven.
Vier Wochen nüchtern in einem Schiff, dessen KI tat, was sie wollte, das war eine Strafe, die er nicht verdient hatte. In ihm glomm eine Idee auf: Falls sich Onistar als einigermaßen erträglicher Planet entpuppte, würde er einfach dortbleiben. Sollte die Adausy im Orbit kreisen, so lange sie wollte. Die KI konnte ihm nicht hinunter auf die Oberfläche folgen.
Dieser Gedanke hob seine Stimmung und er ging fröhlich pfeifend in seine Kabine, um sich zur Erholung ein Nickerchen zu gönnen.
„Triebwerke aus, Fusionsmeiler aus, Energieversorgung auf Speicher umstellen!“, befahl Granger. „Nur passive Ortung.“
„Erledigt!“, meldete die KI umgehend. „Auch wenn ich den Grund dafür nicht verstehe. Das ist doch nur ein normales Frachtschiff. Es unterscheidet sich weder in Größe noch in Bauart von der Mardora, mit der du früher unterwegs warst.“
„Eben. Deshalb weiß ich, dass hier etwas nicht stimmt. Ich wäre mit der Mardora nie so nahe an einen Riesenplaneten herangeflogen. Aufgrund ihrer Länge und Struktur ist das für solche Schiffe ziemlich gefährlich. Außerdem zeigen die Messwerte, dass dort die Reaktoren auf Überlast laufen.“
„Was folgerst du daraus?“
Granger war stolz darauf, der Künstlichen Intelligenz voraus zu sein, aber ihn überlief ein kalter Schauer. „Ich würde ein solches Manöver nur fliegen, wenn es die einzige Möglichkeit ist, einer tödlichen Gefahr zu entkommen“, sagte er nach einer kurzen Pause. „Das Schiff dort nutzt den Swingby-Effekt des Planeten und unterstützt ihn mit seinen Triebwerken, um mit höchstmöglicher Geschwindigkeit von etwas wegzukommen oder einen bestimmten Kursvektor zu erreichen. Ein wesentlich schnellerer Gegner ist hinter ihm her.“
„Wo soll der sein?“, fragte die KI.
Schweigend lehnte sich Granger im Pilotensessel zurück und legte die Füße auf die Konsole.
„Ich empfange die Kennung des Schiffes“, meldete die KI nach einigen Minuten. „Es ist die Sukune, registriert auf dem Planeten Gandabar, acht Lichtjahre von Gaia entfernt.“
„Ein Trader aus der Perseus-Kolonie, der hier draußen nach einem guten Geschäft sucht. Jetzt ist er in Schwierigkeiten geraten.“
„Soll ich ihn kontaktieren und ihm Hilfe anbieten?“
„Bist du verrückt geworden?“, fuhr Granger die KI an. „Wir reagieren erst, wenn wir wissen, wer ihm auf den Fersen ist. Schließlich ist die Adausy kein Schlachtschiff.“
Nach weiteren zwanzig Minuten meldete sich die KI wieder: „Unklare Ortungsimpulse. Da ich nur die passive Hyperortung verwende, kann ich keine Aussagen über die Ursache machen. Aber es könnte wirklich ein zweites Schiff hier im System sein, das sich dem Frachtschiff nähert.“
Granger nickte nur.
„Jetzt ist die Ortung gut genug, um eine begründete Vermutung anstellen zu können“, sagte die KI wenig später. „Ein Verband aus vierzig Schiffen der Scarabs schließt zu dem Frachtschiff auf. Es hat keine Chance, zu entkommen, außer es löst den Hypersprungantrieb aus, bevor es einen passenden Vektor erreicht hat.“
„Was den sicheren Tod bedeutet.“
„Jetzt ist es zu spät! Deine Aussage über die Belastbarkeit des Schiffes war zutreffend, Granger. Soeben ist es in zwei Teile zerbrochen. Die doppelte Beschleunigung durch Triebwerke und die Gravitation des Planeten war zu viel.“
„Setzen sie ein Beiboot aus?“
„Das kann ich mit Hilfe der passiven Ortung nicht herausfinden.“
„Wir warten ab.“
Eine Stunde später nahmen die Scarab-Schiffe die Wrackteile des Frachtschiffes unter Feuer. Binnen Sekunden verglühten die durch den Raum treibenden Trümmer.
„Die Flotte der Fremden dreht ab“, meldete dann die KI.
„Also haben sie uns nicht entdeckt.“
„Sie beschleunigen auf einem von uns wegführenden Kurs, den sie immer wieder korrigieren. Das sieht nach einem Sprungvektor aus, der aus diesem System herausführt. Bestätigung. Die Scarabs sind verschwunden.“ Nach kurzem Zögern fügte die KI hinzu: „Soweit das mit passiver Ortung feststellbar ist.“
„Alle Systeme wieder hochfahren!“, befahl Granger. „Bring uns auf einen Kurs, der in eine andere Richtung führt als die Scarabs. Nutze bis zum Sprung die normale Ortung, um nach einem Beiboot zu suchen. Außerdem alle Funkkanäle nach Notrufen abhören. Obwohl ich nicht glaube, dass da jemand überlebt hat.“
Sie konnten weder größeren Wrackteile noch Funkrufe feststellen, bis sie zwei Stunden später das System verließen.
Nachdem sie das nächste Sonnensystem erreicht hatten, sagte die KI: „Was wir erlebt haben, erklärt, warum seit vierzig Jahren kein Schiff von Onistar zurückgekommen ist.“
„Hoppla!“, rief Granger. „Das ist mir eine zu gewagte These. Die Scarabs sind erst seit einigen Monaten im Perseus-Arm aktiv.“
„Sie sind vor einigen Monaten im Bereich der Perseus-Kolonie und der H’Ruun-Konglomerate aufgetaucht“, korrigierte ihn die KI. „Mehr wissen wir nicht.“
„Auch wieder wahr. Wo fliegen wir jetzt hin?“
Zu Grangers Überraschung blendete die KI die 3D-Sternkarte auf und zeigte ihm die aktuelle Position. Außerdem wiesen grüne Verbindungslinien über zwei Dutzend Sterne hinweg zu einem rot markierten Sonnensystem.
„Ich nehme an, rot ist unser Ziel und grün zeigt, wie wir hinkommen“, sagte er.
„Die Linien stellen den direkten Weg dar. Allerdings sind wir inzwischen in einem Gebiet, über das mir keine Sprungdaten mehr vorliegen. Ich vermesse die Sonnensysteme per Fernortung und wähle als nächstes Ziel jeweils dasjenige aus, das am sichersten erscheint.“
Granger spürte, wie er rot anlief. „Und das sagst du mir erst jetzt?“, brüllte er los. „Jeder Sprung kann uns ins Unglück führen. Wie kommst du dazu, alleine die Entscheidung zu treffen, wohin es geht?“
„Ein Computer kann das schneller und besser als jeder Mensch.“
„Aber Menschen haben Intuition und Erfahrung. Beides fehlt Blechkisten wie dir. Ich werde ab sofort alle deine Angaben überprüfen, bevor ich die Freigabe für den jeweils nächsten Sprung erteile.“
„Das würde den Flug unnötig verzögern, da du in den entscheidenden Minuten erfahrungsgemäß entweder schläfst oder durch etwas Anderes abgelenkt bist. Meine Programmierung gibt mir volle Entscheidungsfreiheit diesbezüglich, bis wir Onistar erreicht haben. Ich gedenke, von dieser Befugnis weiterhin Gebrauch zu machen. So wie jetzt.“
Die Adausy sprang durch den Hyperraum in das nächste System.
„Frachtschiff geortet!“, meldete die KI.
Granger schreckte hoch und starrte auf die Monitore. Er musste sich den Schlaf aus den Augen wischen, um etwas zu erkennen.
„Wieder ein Trader“, sagte er. „Wir stellen uns tot für den Fall, dass auch diesmal Scarabs in der Nähe sind.“
„Das dürfte nicht nötig sein, wir sind nur noch einen Sprung von Onistar entfernt. Funkanruf, ich schalte durch.“
Das rundliche Gesicht einer etwa fünfzigjährigen Frau erschien auf dem Bildschirm. „WaggaOne an unbekanntes Raumschiff. Was sind Sie denn für einer? So einen Typ habe ich bisher noch nirgends gesehen. Könnte ein moderner, größerer Frachter sein. Ne, doch nicht, die Energieortung zeigt unpassend starke Triebwerke und ungewöhnliche Signaturen. Tolle Kiste, alles was Recht ist. Möchte wissen, was so etwas kostet. Wo kommen Sie eigentlich her?“
Granger wartete, bis die Frau all das herausgesprudelt hatte, bevor er sich räusperte und antwortete: „Granger Tschad an Bord der Adausy. Mit wem habe ich das Vergnügen?“
„Verflixt, habe ich vor lauter Überraschung vergessen, mich vorzustellen. Miriam Goldner, Eignerin der WaggaOne. Sag Miriam zu mir. Ich fliege die Route zwischen Kanudii und Onistar. Manchmal auch nach Berenga. Ganz normaler Handel, nichts Besonderes. Weiter hinaus will ich gar nicht, von meiner Strecke kann ich leben und …“
Granger unterbrach die Frau und sagte: „Mein Schiff ist ein umgebauter moderner Explorer, den ich für den Fernhandel nutze. Ich komme aus der Perseus-Kolonie.“
Miriam riss die Augen auf. „Das ist doch kaum zu glauben. Wie hast du denn das geschafft? Es heißt, die Kolonie würde von allen möglichen Aliens angegriffen und sei beinahe ausgelöscht. Da sieht man es mal wieder: Man darf sich nicht auf das Gerede der Leute verlassen. Ich nehme an, Onistar ist dein Ziel? Ich schicke dir Infos über die besten Sprungkoordinaten. Man kommt zwischen den Umlaufbahnen des vierten und fünften Planeten heraus, wo sich nicht der kleinste Staubkrümel befindet. Oder weißt du das schon? Na, egal, ich schicke dir die Daten trotzdem. Was für Waren transportierst du denn?“
„Die meisten Container sind leer. Ich wusste nicht, was man auf Onistar gebrauchen kann und will nicht mit unverkäuflicher Ware zurückfliegen.“
„Vernünftig!“, lobte Miriam. „Eigentlich gibt es auf dem Planeten alles, was nötig ist, und den restlichen Bedarf decken wir Trader ohne weiteres ab. Aber sicherlich findest du etwas, das sich in die Gaia-Kolonie exportieren lässt. Du fliegst ja wieder zurück, nehme ich an? Obwohl ... Ich glaube, die Leute auf Onistar sind ein wenig eigen, was Kontakte mit Fremden angeht. Sie wollen vielleicht gar keine Handelsbeziehungen mit Gaia.“
„Das werde ich ja vor Ort herausfinden“, sagte Granger, dem der Gedanke kam, dass es praktisch wäre, eine so redselige Bekannte auf Onistar zu haben. „Danke für die Sprungkoordinaten. Wir können uns ja auf dem Planeten mal treffen, falls du länger dort bist.“
„Klar, ich bleibe ein paar Tage und bin immer in der Nähe des Raumhafens zu finden. Es gibt nette Bars und Restaurants dort. Frag einfach nach Miriam von der WaggaOne. Aber das weißt du ja schon. Bis dann!“
Das Schiff der Traderin sprang und die Adausy folgte wenig später. Im Onistar-System angekommen verschaffte sich Granger einen schnellen Überblick: Nur einer der Planeten hatte eine Umlaufbahn innerhalb der habitablen Zone. In seinem Orbit befanden sich vier Raumschiffe, alles Frachter, sowie die üblichen Satelliten. Aber keine Raumwerft, keine Abwehrforts, keine große Orbitalstation als Andockmöglichkeit für Raumschiffe.
„Ziemlich leer hier“, sagte er laut.
„Im interplanetaren Raum sind derzeit außer der WaggaOne und uns nur zwei weitere Schiffe unterwegs. Es handelt sich um Frachter, die dabei sind, das System zu verlassen. Ihre Sprungvektoren zeigen einwärts.“
„Frag bei der KI der WaggaOne an, wie das normale Prozedere ist. Bei welchen Behörden sich ein Trader anmelden muss, wie man Landeerlaubnis für das Beiboot bekommt und so weiter.“
Nach wenigen Minuten meldete die KI: „Ich habe einen Funkspruch an die Verwaltung des Raumhafens geschickt und unsere Ankunft angekündigt. Man ist überrascht und hat uns einen ungewöhnlich hohen Orbit zugewiesen. Eben kommt die Nachricht, dass es uns untersagt ist, mit dem Beiboot auf dem Planeten zu landen. Man wird ein Shuttle schicken, um die Besatzung der Adausy abzuholen.“
„Ziemlich unfreundlich. Hast du ihnen nicht gesagt, dass ich alleine bin?“
„Sie haben nicht danach gefragt. Ich blende jetzt eine Übersicht der Oberfläche von Onistar ein. Alle Kontinente sind besiedelt, ich schätze die Bevölkerungszahl auf zwei Milliarden. Der technologische Standard entspricht dem auf Gaia vor etwa dreißig Jahren. Es gibt vergleichsweise wenig Industrie, aber große landwirtschaftliche Nutzflächen.“
„Donnerwetter! Das ist nicht, was ich nach den Beschreibungen erwartet hätte.“
„Entweder, der Mann, von dem die Berichte über diese Welt stammen, hat gelogen, oder es ist in der Zwischenzeit viel geschehen. Ich sammle weiter alle Daten, soweit das aus dem Orbit möglich ist.“
Granger horchte auf. „Gibt es Probleme?“, fragte er.
„Ein Teil der Oberfläche ist gegen Ortung geschützt, sogar gegen optische Beobachtung, was technisch extrem aufwendig ist. Er liegt einige Hundert Kilometer von der größten Stadt entfernt. Es könnte sich um das Regierungszentrum handeln oder eine vergleichbare Einrichtung.“
Wenige Stunden später dockte ein vom Planeten kommendes automatisches Shuttle an der Adausy an. Granger stieg um und ließ sich hinunter zum Raumhafen von Onistar bringen.