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Kapitel 1

Der Übergang vom Weltraum auf die Planetenoberfläche erfolgte so plötzlich wie bei Brendans erstem Besuch auf Uruvela. Die Raumyacht Jool steuerte auf die bekannten Koordinaten im System einer namenlosen Sonne zu und Brendan dachte intensiv an den Planeten, der sich hier in einer Falte des Raum-Zeit-Gefüges verbarg.

Im nächsten Moment stand die Jool bewegungslos auf der Kuppe eines Hügels. Die Triebwerke waren abgeschaltet, das Bewegungsmoment des Raumschiffs aufgehoben, alles im Bruchteil einer Sekunde. Keine Technologie vermochte Ähnliches - das war Magie!

„Wir sind diesmal nicht bei Nandaras Haus gelandet“, sagte Koumeran, der wie immer im Pilotensitz saß. „Außerdem ist das Wetter nicht so schön.“

Durch die großen Panoramafenster in der Zentrale sah Brendan graue Wolken, die von einem Sturm über den Himmel getrieben wurden. Vereinzelte Regentropfen landeten auf den Scheiben.

Die Künstliche Intelligenz der Raumyacht meldete sich: „Wir befinden uns am Rande einer Stadt. Viele der Häuser sind zerstört. Ich lege die Bilder der Telekameras auf die Monitore.“

Erschrocken sah Brendan die Überreste eingestürzter Bauwerke. Die Trümmer waren geschwärzt, es musste ein heftiger Brand gewütet haben. Zwischen den Ruinen hatte man schmale Wege freigeräumt. Undeutlich erkannte er Gestalten, die dort unterwegs waren. Manche hatten die Silhouette von Menschen, andere schienen eher Tieren zu gleichen.

„Was ist da geschehen?“, fragte Ari. Ihre Stimme klang rau.

„Entweder es gab eine Feuersbrunst, die man nicht unter Kontrolle bekommen hat“, antwortete Koumeran, „oder hier herrscht Krieg. Jool, gibt es Hinweise darauf, wann die Stadt zerstört wurde?“

„Es muss einige Monate her sein“, antwortete die KI. „Die südlichen Bezirke hat man teilweise wiederaufgebaut. Möglicherweise ist das Gebiet, das wir direkt vor uns sehen, das Armenviertel. Man hat sich dort noch nicht die Mühe gemacht, alle Trümmer zu beseitigen und neue Häuser zu errichten.“

Die Bilder auf den Monitoren zeigten nun weiter entfernte Teile der Stadt, die tatsächlich normaler aussahen.

„Wie werden die Bewohner reagieren, wenn sie die Jool sehen?“, fragte Ari. „Nandara hat gesagt, man kenne hier keine moderne Technik und erst recht keine Raumschiffe.“

„Wir bleiben nicht lange“, sagte Brendan. „Sobald wir mit Nandaras Hilfe Kontakt mit Uruvela hergestellt haben, werden wir unsere Bitte vorbringen. Falls Uruvela weiß, wie die Yarra-chi einst galaktische Wurmlöcher erschaffen haben und uns dieses Geheimnis verrät, können wir den Planeten gleich wieder verlassen.“

Koumeran fragte die KI: „Jool, inwieweit sind wir eingeschränkt?“

„Wie bei unserem ersten Aufenthalt funktionieren nur die konventionellen Triebwerke. Wir können ein paar Hundert Kilometer fliegen wie ein Flugzeug. So weit reicht der chemische Treibstoff. Die Antigravtriebwerke arbeiten nicht. Außerdem ist die Ortung gestört. Ich muss mich auf visuelle Informationen verlassen.“

„Kannst du berechnen, wie weit wir von Nandaras Haus entfernt sind?“

„Ich suche derzeit den Himmel ab nach den zwei Monden von Uruvela. Aus deren Position und derjenigen der Sonne müsste ich in der Lage sein, unseren Standort zu bestimmen. Aber wegen der Wolken ist mir das bisher nicht gelungen.“

„Da der Treibstoff nicht weit reicht, sollten wir nicht auf Verdacht losfliegen“, sagte Koumeran. „Bringt es etwas, wenn wir hinausgehen und uns umsehen?“

„Ich rate davon ab“, antwortete die KI. „Inzwischen habe ich die Bilder der Bewohner dieser Stadt genauer analysiert. Ich zeige euch einige typische Vertreter.“

Zunächst erschienen auf dem Bildschirm Menschen, von denen manche zerlumpte Kleidung trugen. Es waren Frauen und Männer, vereinzelt auch Kinder. Doch dann tauchte zwischen ihnen eine Gestalt auf, die einem großen Hund mit dicken Hinterbeinen glich.

„Ein H’Ruun!“, rief Ari. „Wir müssen mit ihm reden. Vielleicht ist er auch mit einem Raumschiff hier.“

„Du vergisst, dass Nandara sagte, die Wesen auf dieser Welt seien alle von der intelligenten Ökosphäre Uruvela geschaffen worden“, entgegnete Brendan. „Manche von ihnen gleichen H’Ruun, aber es sind keine.“

„Zumindest leben sie friedlich mit den Pseudo-Menschen zusammen“, sagte Ari.

„Ein Wesen, das einer mir unbekannten Rasse angehört, kommt auf die Jool zu“, meldete die KI. „Ich zeige es euch.“

Was Brendan nun sah, glich keiner Lebensform, die er kannte. Der Fremde war dürr, fast drei Meter hoch und bewegte sich auf zwei kurzen, krummen Beinen vorwärts. Seine Kleidung verdeckte den Körperbau, doch wenn Windstöße sich darin verfingen, war erkennbar, dass er sehr dünn sein musste. Der Kopf war groß, die Gesichtsform fast dreieckig. Oben saßen zwei kreisrunde Augen, darunter eine flache Nase und ein Mund, der doppelt so breit war wie der obere Teil des Schädels. Die Haut des Wesens wies einen grünlichen Farbton auf.

„Wie weit ist er noch entfernt?“, fragte Brendan.

„Siebenhundert Meter“, sagte die KI. „Er hat Mühe, den Hügel hochzukommen, weil es keinen geebneten Weg zu unserem Landeplatz gibt. Aber er zeigt keine Anzeichen von Angst, wie ich es bei einem Wesen erwarten würde, das zum ersten Mal ein Raumschiff sieht. Die Jool übertrifft mit einhundertdreißig Meter Länge das größte Gebäude der Stadt.“

„Bis er hier ist, versuche ich, Uruvela zu erreichen“, sagte Brendan.

Er schloss die Augen und stellte sich vor, er würde mit der intelligenten Ökosphäre des Planeten sprechen. Doch er erhielt keine Antwort. Stattdessen machte sich eine gewisse Leere in ihm bemerkbar, als würde etwas fehlen, das eigentlich da sein müsste. Auch als er an Nandara dachte, änderte sich daran nichts. Seine magischen Fähigkeiten ließen ihn im Stich.

„Ich bekommen auch keinen Kontakt“, sagte Ari, die es ebenfalls versuchte.

„Aber Uruvela muss erreichbar sein! Als wir uns im Weltraum der richtigen Position genähert haben, reichte ein Gedanke und wir waren hier.“ Brendan sah auf die Bildschirme. Die grotesk dünne, lange Gestalt war jetzt deutlicher zu erkennen. Während die Kleidung unter dem Druck der Windböen hin und her flatterte, bewegte der Fremde sich kerzengerade weiter. Ein Mensch hätte sich gegen den Wind stemmen müssen, um vorwärtszukommen.

„Er wird in drei Minuten hier sein“, sagte die KI. „Ich empfehle euch, ihn draußen zu begrüßen und ihn nicht ins Schiff zu lassen.“

„Ich gehe“, sagte Brendan.

„Und ich komme mit“, schloss sich Koumeran an. „Mit einer Plasmapistole in der Hand. Solange wir nicht wissen, wer oder was die Verwüstungen in der Stadt verursacht hat, müssen wir mit allem rechnen.“

„Einverstanden. Ari, bleibst du hier?“

Ari nickte und setzte sich auf den Platz des Piloten, den Koumeran freimachte. „Jool, schalte die Außenlautsprecher ein, damit ich höre, was gesprochen wird“, befahl sie.

„Wenn der Fremde überhaupt unsere Sprache versteht“, sagte Brendan.

Gemeinsam mit Koumeran verließ er die Raumyacht durch die Schleuse in einem der unteren Triebwerksausleger. Draußen schlug ihm der Regen ins Gesicht. „Jool, kannst du ein Prallfeld über uns errichten?“, rief er laut.

„Das ist leider nicht möglich“, antwortete die KI über die Außenlautsprecher. „Die Projektoren funktionieren auf Uruvela nicht.“

Jetzt sah Brendan die Konturen des Fremden durch den Regen näherkommen. Zwei Meter von den Menschen entfernt blieb er stehen. Er senkte den Kopf ein wenig, um sie sich genauer anzusehen.

Brendan erkannte Facettenaugen, wie sie bei Insekten vorkamen. Aber der Mund war nicht der eines Insekts, sondern wies normale Lippen auf.

Als der Fremde zu sprechen begann, wurden auch einige Zähne sichtbar, zwischen denen aber Lücken waren. „Ich grüße dich“, sagte er mit einer hohen, durchdringenden Stimme. „Was führt dich nach Merendam?“

Er verwendete die normale menschliche Umgangssprache. Uruvela schien sie allen ihren Geschöpfen mitgegeben zu haben, vielleicht nach dem Vorbild Nandaras.

Brendan war irritiert, weil nur er sich angesprochen fühlte. Der Fremde ignorierte Koumeran, obwohl der älter, größer und kräftiger war.

„Ist Merendam der Name der Stadt?“, fragte er.

„So ist es. Wenn du noch nie von ihr gehört hast, musst du eine weite Reise hinter dir haben. Nenne mir den Grund dafür!“

Das klang für Brendan wie ein Befehl. Er wollte antworten, doch sein Freund kam ihm zuvor.

„Du nimmst dir ziemlich viel heraus“, sagte Koumeran. „Stell dich erst einmal selbst vor und erklär uns, warum du hier bist.“

„Ich heiße Irigitti und beschütze diese Stadt.“

„Vor was?“

„Die Ordnung kehrt langsam zurück, aber es gibt immer noch Verwirrte.“ Irigitti wandte sich an Brendan: „Warum lässt du es zu, dass dein Bedienter sich herausnimmt, mit mir zu sprechen wie ein Gleichberechtigter?“

„Er ist nicht mein Bedienter“, antwortete Brendan. „Er ist mein Freund. Und jetzt erkläre uns bitte, was ein Verwirrter ist und warum du diese Stadt vor ihnen schützt.“

Irigitti hob den Kopf und starrte die vor ihm in die Höhe ragende Jool an, als würde er sie nun erst sehen.

„Ich verstehe“, sagte er schließlich. „Ihr seid keine Kinder Uruvelas. Es gab Gerüchte in den letzten Tagen vor dem Ausbruch des Chaos, dass in fernen Gegenden solche Wesen aufgetaucht seien. Aber es hieß auch, sie hätten rechtzeitig die Welt wieder verlassen.“

„Wir stammen nicht von hier“, gab Brendan zu. „Deshalb kennen wir die Zusammenhänge nicht.“

„Es gab eine Erscheinung am Himmel“, begann Irigitti. „Farben, wie sie nie zu vor in der Nacht zu sehen waren, zogen über uns hinweg.“

Brendan sah Koumeran an. Sie wussten, wovon die Rede war: Keilförmige Raumschiffe mit blau-rot-silbern glänzenden Oberflächen waren aufgetaucht und hatten Uruvela angegriffen.

„Bald danach brach das Chaos aus“, fuhr Irigitti fort. „Viele Leute wurden wahnsinnig. Sie griffen sich gegenseitig an, legten Feuer, manche brachten ihre eigenen Familien um. Die Akademie hat daraufhin einen Abgesandten in jede größere Stadt geschickt, um sie vor den schlimmsten Übeln zu schützen.“

„Die Akademie?“

„Y’Woans Hütte. Dort werden Magier ausgebildet. Wer ein Talent dafür besitzt, Kontakt mit der Schöpferin Uruvela aufzunehmen und Wunder zu wirken, kann seine Fähigkeiten dort vervollkommnen. Ich spüre, dass ein solches Talent auch in dir vorhanden ist. In ihm nicht.“ Irigitti zeigte auf Koumeran.

„Allmählich macht die Sache Sinn“, sagte der. „Kennst du Nandara?“

„Sie ist mächtig und alt. Nun, da sich die Lage beruhigt hat, ist es meine Aufgabe, Nandara zu suchen. Sie kann vielleicht auch jetzt noch Uruvela erreichen. Uns Magiern gelingt es nicht mehr.“

Diese letzten Worte sprach Irigitti leiser und mit gesenktem Kopf. Es schien ihn zu belasten, dass seine Fähigkeiten nicht genügten. Doch Brendan war klar, dass er es mit einem fremdartigen Lebewesen zu tun hatte. Dessen Aussprache und Gesten zu interpretieren wie die eines Menschen, konnte in die Irre führen.

„Auch wir suchen Nandara“, sagte er. „Wir waren früher schon einmal in ihrem Haus. Weißt du, wie weit es von hier entfernt ist?“

„Vierhundert Meilen in dieser Richtung.“ Irigitti streckte einen kurzen Arm aus, der wie ein Stummel aussah und nur halb so lang war wie der eines Menschen. Bei seiner Körpergröße wirkte es fast grotesk. Statt einer Hand befand sich am Ende des Arms eine Art dreigliedriger Zange.

Die KI der Jool meldete sich über Außenlautsprecher: „Das deckt sich mit meinen Berechnungen. Eine Meile dürfte etwa eins Komma zwei Kilometer betragen. Das Haus befindet sich gerade noch innerhalb der Flugreichweite der Jool.“

Irigitti starrte das Raumschiff an, das scheinbar wie ein Lebewesen geredet hatte. Dann sagte er: „Erstaunlich. Ich spüre, dass sich innerhalb dieses Gebildes ein magisch begabtes Wesen befindet. Aber das hat nicht gesprochen. Ein weiteres Lebewesen kann ich jedoch nicht wahrnehmen. Was ist das?“

„Es würde zu lange dauern, dir das zu erklären“, antwortete Koumeran. „Wir müssen zu Nandara. Du hast uns sehr geholfen, Irigitti. Wir wünschen dir viel Erfolg bei deiner Arbeit als Beschützer der Stadt.“

„Ihr verfügt über eine Möglichkeit, schnell zu ihr zu gelangen?“, fragte Irigitti. „Nehmt mich mit!“

Während Brendan überlegte, ob etwas dagegen sprach, meldete sich die Jool noch einmal: „Ich stelle Veränderungen am Himmel fest. Durch den Regen und die Wolkendecke hindurch habe ich leider keinen guten Blick. Aber es scheinen Verschiebungen des Farbspektrums zu erfolgen.“

„Was soll das heißen?“, fragte Koumeran.

„Eventuell ziehen im Moment wieder farbige Streifen über den Himmel.“

„Das würde für einen erneuten Angriff der Keilschiffe sprechen!“, rief Brendan. „Wir müssen von hier weg.“

Irigitti starrte nach oben und sagte: „Das Chaos kehrt zurück. Uruvela hilf uns! Diesmal könnte es den Untergang der Welt bedeuten.“

Während sie versuchten, durch die Wolken hindurch etwas zu erkennen, meldete sich Ari über die Außenlautsprecher: „Brendan, die Instrumente hier in der Zentrale spielen verrückt. Jetzt reagiert auch die KI nicht mehr. Kommt zurück ...“ Ihre Stimme brach ab.

Brendan wandte sich um und stieß vor Überraschung einen Schrei aus: Die Jool war verschwunden! Die Abdrücke ihrer Triebwerksausleger im Boden füllten sich mit Regenwasser.

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