Читать книгу PERSEUS Scarab - Manfred Rehor - Страница 5
ОглавлениеKapitel 2
„Kommt zurück an Bord!“, rief Ari in das Mikrofon.
Dann sah sie auf den Monitoren, dass sich die Jool nicht mehr auf dem Planeten Uruvela befand, sondern im Weltraum.
Die KI meldete sich: „Wir sind soeben mitten zwischen vierzig Keilschiffen materialisiert. Ich beschleunige mit Höchstwerten, um Abstand zu gewinnen. Sollen wir hier im System bleiben oder fliehen?“
Ari starrte die Bilder der fremden Raumschiffe an. Sie waren vierhundert Meter lang und mit farbigen Längsstreifen verziert. Die Farben Rot, Blau und Silber verliehen den Schiffen ein martialisches Aussehen. Zahlreiche kleinere Aufbauten waren über die Hüllen verteilt, vielleicht Waffentürme oder Sensoren.
„Wir müssen hier bleiben“, sagte sie. „Brendan und Koumeran sind noch auf Uruvela. Greifen die Schiffe den Planeten an?“
„Sie gruppieren sich um den Ort, an dem Uruvela sein müsste. Jetzt entstehen die Energiebänder, die wir schon beim ersten Angriff gesehen haben. Sie kreuzen sich genau an der Stelle, an der die Jool sich eben noch befunden hat.“
„Aber es waren das letzte Mal über zweihundert Schiffe, und sie konnten Uruvela nicht vernichten. Warum versuchen sie es jetzt mit nur vierzig noch einmal?“
„Die Aussage des Wesens Irigitti lässt die Vermutung zu, dass die Angriffe immenses Chaos unter den Bewohnern des Planeten anrichten.“ Die KI schwieg kurz und fuhr dann fort: „Wir sind jetzt eine halbe Million Kilometer von den Schiffen entfernt. Ich gehe auf Gegenbeschleunigung, so dass wir mit einer Million Kilometer Abstand zum Stillstand kommen.“
„Können wir etwas tun, um den Angriff zu stören?“
„Nein. Die Jool ist eine Raumyacht, kein Kampfschiff. Es sind zwar einige Waffen eingebaut, aber wir würden vermutlich selbst gegen ein einzelnes Keilschiff keine Chance haben.“
„Also müssen wir abwarten.“
„Bei der ersten Begegnung mit dieser Lebensform kam keine Kommunikation über Funk zustande. Aber auf Nachrichtenübertragung mit Hilfe eines gepulsten Laserstrahls erhielten wir eine Antwort, wenn auch eine unverständliche. Ich versuche, über Laser eine Verbindung aufzubauen. Vielleicht haben wir diesmal mehr Erfolg.“
Während die Jool damit begann, Signale an die Fremden zu schicken, nahm Ari über Hyperfunk Verbindung mit Gaia auf, der Zentralwelt der menschlichen Kolonie im Perseus-Arm der Milchstraße. Vizeadmiralin Vendaar war nicht erreichbar, deshalb hinterließ Ari eine Nachricht für sie, in der sie die Vorgänge kurz schilderte.
„Die Keilschiffe antworten“, meldete die KI. „Aber ich kann auch diesmal mit den Signalen nichts anfangen. Es ist keinerlei Muster erkennbar, das man auswerten könnte. Ihr Angriff auf die Position von Uruvela hat jetzt seinen Höhepunkt erreicht, die Energiebänder kreuzen sich. Das Gebiet leuchtet im sichtbaren Spektrum auf. Es macht aber nicht den Eindruck einer Explosion. Achtung: Die Keilschiffe starten die Triebwerke.“
„Kommen sie auf uns zu?“
Die KI antwortete nicht auf Aris Frage, sondern fuhr fort: „Ich glaube, ich habe bisher etwas in den Lasersignalen der Fremden übersehen. Daraus lässt sich einiges herauslesen, wenn auch keine direkte Information. Einen Augenblick, ich analysiere alles noch einmal.“
Eine Minute später meldete sich die KI wieder: „Die Keilschiffe kommen direkt auf uns zu. Tut mir leid, ich muss jetzt schnell reagieren.“
Ari nahm einen seltsamen Geruch wahr. Im nächsten Moment verlor sie das Bewusstsein.
Als Ari zu sich kam, lag sie auf dem Boden neben dem Sitz des Piloten. „Was ist passiert?“, fragte sie. Sie fühlte sich schwindelig, als sie aufstand, und setzte sich gleich wieder hin.
„Du warst zwei Stunden lang bewusstlos“, antwortete die KI. „Bevor ich dir berichte, wie es dazu gekommen ist, erkläre ich dir, wie die Situation jetzt aussieht. Wir sind wieder exakt an der Position, an der sich Uruvela befinden müsste. Die Keilschiffe haben dieses Sonnensystem vor wenigen Minuten verlassen.“
„Sie haben uns nicht angegriffen?“
„Ich konnte sie rechtzeitig davon abhalten. Jetzt ist aber erst einmal wichtig, dass du versuchst, mit Hilfe deiner magischen Fähigkeiten eine Verbindung zu Uruvela herzustellen. Wir müssen zurück auf die Oberfläche des Planeten. Vielleicht finden wir Brendan und Koumeran wieder.“
„Wieso vielleicht?“, fragte Ari erschrocken.
„Wir sind vorhin mehrere hundert Kilometer von dem Ort entfernt gelandet, an dem wir das erste Mal waren. Es kann also sein, dass wir nicht in der Nähe der beiden ankommen, wenn wir auf Uruvela materialisieren.“
Ari konzentrierte sich und versuchte, das seltsame Gefühl in sich wach zu rufen, das sie überkam, wenn sie mit Hilfe ihrer magischen Fähigkeiten die Nähe eines anderen Wesens spürte. Die intelligente Ökosphäre des Planeten Uruvela war nur auf diesem Wege zu erreichen. Gewöhnlich genügte ein kurzer Gedanke und Uruvela reagierte. Doch Ari erhielt auf ihre drängenden Bitten keine Antwort.
„Ich bekomme keinen Kontakt“, sagte sie in die leere Zentrale hinein.
„Versuche es weiter“, forderte die KI über Lautsprecher. „Es kann sein, dass der Angriff der Keilschiffe die Bevölkerung wieder in Verwirrung gestürzt und ein Chaos angerichtet hat.”
„Ein paar Minuten warte ich noch ab. Warum bin ich vorhin bewusstlos geworden? Hat das auch etwas mit den Fremden zu tun?“
„Ich habe ein Gas in die Luftversorgung geleitet, das zu einer vorübergehenden Bewusstlosigkeit führte“, sagte die KI. „Nach der Analyse der Signale der Fremden und ihres Verhaltens bei der ersten Begegnung mit Menschen schien mir das die einzige Möglichkeit, einen Angriff auf die Jool zu verhindern.“
„Du hast was?“, fragte Ari. Sie war fassungslos. Die Künstliche Intelligenz eines Raumschiffes war ein hochentwickelter Computer. Seine Aufgabe war es, der Besatzung Arbeit abzunehmen und die unzähligen technischen Vorgänge an Bord zu regeln. Außerdem konnte nur ein Computer die extrem genauen Kalkulationen durchführen, die für einen Sprung in den Hyperraum notwendig waren. Eine KI hatte jedoch nicht die Möglichkeit, sich gegen die Besatzung zu wenden.
Aber dann erinnerte sich Ari daran, dass Brendans Vater vor vielen Jahren in diese Raumyacht einen Computer hatte einbauen lassen, der über wesentlich mehr Freiheitsgrade verfügte als üblich. Die KI hatte Brendan mehrmals das Leben gerettet, weil sie eigenständig handeln konnte, wenn es erforderlich war.
„Tut mir Leid“, behauptete die KI nun.
Ari wusste, dass dies nur eine Floskel war, denn eine Künstliche Intelligenz konnte keine Gefühle empfinden. Es war der Menschheit nie gelungen, eine Maschine zu konstruieren oder zu programmieren, die wahres Bewusstsein entwickelte. Aber man hatte Wege gefunden, einen Computer so agieren zu lassen, als wäre er ein Mensch.
Die KI fuhr fort: „Wie du weißt, haben uns die Keilraumer auch bei unserer ersten Begegnung nicht sofort angegriffen. Als Brendan aber versuchte, auf magischem Weg Kontakt mit ihnen aufzunehmen, gingen sie auf Angriffskurs. Granger Tschad hat schon damals den Verdacht geäußert, dass sie etwas gegen Magie haben. Du bist magisch begabt. Deshalb habe ich dich außer Gefecht gesetzt, damit sie deine Anwesenheit an Bord nicht feststellen konnten.“
„Du hast mich also absichtlich betäubt“, fasste Ari zusammen. Sie versuchte, ruhig zu bleiben. „Hat es sich wenigstens gelohnt?“
„Wie schon gesagt: Die Fremden haben die Jool nicht angegriffen. Außerdem konnte ich einen kurzen Informationsaustausch mit ihnen zustande bringen.“
„Ihre Lasersendungen waren also nicht völlig unverständlich.“
„Richtig. Wir haben sie bisher nicht verstanden, weil sie versucht haben, auf einer viel zu anspruchsvollen Ebene mit uns zu kommunizieren. Ich habe in den Datenbanken uralte Vorschriften über den Erstkontakt mit anderen raumfahrenden Rassen gefunden, die hilfreich waren. Dort steht, man solle so einfach wie möglich anfangen. Also habe ich nur einzelne Impulse gesandt. Erst einen, dann zwei, dann drei und so weiter. Dann die Primzahlen. Sie haben verstanden und entsprechend geantwortet, indem sie meine Zahlenreihe fortgesetzt haben.“
„Alle Wesen, die Raumschiffe bauen können, beherrschen das Zahlensystem“, warf Ari ein. „Was soll daran so besonders sein?“
„Sie haben verstanden, dass Menschen das Zehnersystem bevorzugen. Sie selbst nutzen das Hexadezimalsystem. Außerdem konnten wir gemeinsam herausfinden, dass beide Rassen dreidimensional sehen und die Augen als wichtigstes Organ für die Aufnahme von Sinneseindrücken aus ihrer Umwelt nutzen.“
„Auch das hätte ich dir vorher sagen können. Die Hüllen ihrer Raumschiffe sind mehrfarbig und die Besatzungen reagieren auf Laserimpulse statt auf normale Funkwellen. Also sind sie eher optisch orientiert. Vermutlich sogar mehr als Menschen.“
Ohne auf diese Bemerkung einzugehen, fuhr die KI fort: „Alles Weitere war einfach. Wir haben ein dreidimensionales Koordinatensystem erstellt und angefangen, Punkte darin zu definieren.“
„Das heißt?“
„Sie haben jetzt ein 3D-Bild eines Menschen, und wir haben eines von ihnen.“
Über der Konsole in der Zentrale leuchtete eine Abbildung auf. Sie zeigte eine Art Käfer mit einem ausgeprägten Buckel, fast halbkugelförmig.
„Ach herrje!“, war alles, was Ari dazu einfiel.
„Allerdings gibt es noch Ungereimtheiten. Jetzt blende ich einen Menschen als Größenvergleich ein. Wie du siehst, ist das Wesen riesig. Im Verhältnis zu der Größe der Raumschiffe kann das so nicht stimmen. Für eine Besatzung, die aus solchen Riesenkäfern besteht, wären die Keilschiffe eher zu klein.“
„Vielleicht haben sie sich absichtlich größer dargestellt“, sagte Ari. „Als Imponiergehabe, um uns zu beeindrucken. Solche Verhaltensweisen findet man auch bei Menschen.“
„Das ist nicht ganz auszuschließen. Ich habe den Fremden nicht gesagt, dass ich nur ein Computer bin. Sie waren der Überzeugung, mit einem Menschen zu kommunizieren. Das könnte wichtig sein für künftige Begegnungen.“
„Was hast du noch herausbekommen?“, fragte Ari. Sie konnte die Augen nicht von dem Bild des fremden Intelligenzwesens wenden.
„Nichts. Nachdem wir so weit waren, haben die Fremden die Verbindung unterbrochen. Ihre Schiffe haben beschleunigt und sind in den Hyperraum gesprungen. Ich nehme an, die Einheiten haben von einer höheren Stelle einen Befehl bekommen. Denn die Verbindung wurde ohne Ankündigung mitten in der Übertragung beendet.“
„Sie sind also weg“, stellte Ari fest. „Kommen sie wieder?“
„Vermutlich. Sie wollen Uruvela schaden oder vernichten. Auch deshalb ist es wichtig, dass du Kontakt mit ihr aufnimmst.“
Einen halben Tag lang versuchte es Ari immer wieder. Erfolglos. Dann gab sie schweren Herzens der KI die Anweisung, zurück nach Gaia zu fliegen. Brendan und Koumeran würden für einige Zeit auf Uruvela ausharren müssen.
„Auf der Erde nennt man sie Scarabs“, sagte Lydia Vendaar. Die Vizeadmiralin saß in ihrem Büro und betrachtete die 3D-Abbildung, die Ari von der Jool mitgebracht hatte.
„Man hat also dort ebenfalls herausgefunden, wie man Kontakt mit ihnen aufnimmt“, folgerte Ari.
„Das wissen wir nicht. In den Daten des Kristallschiffes, die wir vor seiner Selbstvernichtung erhalten haben, gab es einen Hinweis auf Probleme mit sogenannten Scarabs. Wir haben das bis heute nicht verstanden. Wir wissen ...“ Vendaar unterbrach sich und setzte neu an. „Wir vermuten, dass die Erde und ihre Kolonien im Orion-Arm ebenfalls von den Keilschiffen angegriffen werden. Diese Wesen sehen Skarabäen ähnlich, daraus lässt sich schließen, dass sie mit dem Begriff Scarabs gemeint sind.“
Das Zögern der Vizeadmiralin fiel Ari auf. Aber ihr war klar, dass diese Frau ihr nicht alles, was sie wusste, sagen durfte. Vermutlich verfügte Vendaar über mehr Informationen bezüglich der Zustände auf der Erde, als der Öffentlichkeit bekannt waren.
„Die KI der Jool hat herausgefunden, dass die Scarabs nur Raumschiffe angreifen, bei denen ein magisch begabter Mensch an Bord ist“, berichtete Ari weiter. „Aber die gibt im Orion-Arm der Milchstraße nicht. Warum sollten sie also einen Krieg gegen die Erde beginnen?“
„Möglicherweise hat sich die KI geirrt. Die Scarabs haben auch die H’Ruun angegriffen und ein ganzes Konglomerat mit hundert Millionen Individuen vernichtet. Es kann sein, dass magisch begabte Wesen ihre bevorzugten Angriffsziele sind, aber wahrscheinlich nicht die einzigen.“
„Die H’Ruun haben alle eine gewisse magische Begabung“, warf Ari ein.
„Auch wieder wahr. Bei Menschen ist das eine Ausnahme, wie bei dir zum Beispiel. Aber da du betäubt warst, konnten die Scarabs nicht feststellen, dass du dich an Bord befindest. Die KI behauptet, sie habe sich gegenüber diesen Fremden erfolgreich als Mensch ausgegeben. Wäre es nicht möglich, dass die Scarabs das durchschaut haben und die Raumyacht nicht angriffen, eben weil sich an Bord nur einen Computer zu befinden schien?“
„Wir müssen es herausfinden. Wenn das so ist, werden sie irgendwann unsere Kolonien angreifen.“
„Das befürchten wir auch. Dann haben wir es hier im Perseus mit zwei tödlichen Gegnern zu tun, den Scarabs und der Praan-Saat.“
„Aber gegen die Praan-Saat haben wir doch jetzt eine Waffe“, widersprach Ari. Sie und Brendan hatten einen Prototyp dieser Waffe bei ihrem ersten Aufenthalt auf Uruvela geschenkt bekommen und sie den Militärs auf Gaia übergeben. Ari hatte in den letzten Wochen mit Hilfe ihrer magischen Fähigkeiten dabei geholfen, zwei Dutzend Kopien davon herzustellen. Denn ein zentraler Bestandteil dieser Waffe waren winzige Mengen von Achat-Seele, einem magischen Material, das konventionell nicht bearbeitet werden konnte.
„Du vergisst, dass sich die Praan-Saat zwar vertreiben lässt“, sagte Vendaar, „zerstören können wir sie aber nicht. Und wir würden tausende solcher Waffen benötigen, um damit ausgerüstete Raumschiffe in der Nähe aller Kolonialplaneten zu stationieren.“
„Also was nun?“, fragte Ari.
„Wir schicken ein Beobachtungsschiff zum äußersten Rand des Sonnensystems von Uruvela. Die Scarabs lassen es hoffentlich in Ruhe, wenn sie wiederkommen. Sobald irgendwelche energetischen Veränderungen in dem Gebiet geortet werden, bekommst du eine Nachricht und fliegst wieder hin. Dann kannst du weiter versuchen, mit Uruvela Kontakt aufzunehmen. Bis dahin bitte ich dich, uns beim Aufbau der Relaiskette zur Erde zu unterstützen.“
„Wie kann ich helfen?“
„Die Jool ist schneller als ein gewöhnliches Raumschiff ihrer Größe und verfügt über einen besseren Sprungantrieb. Du wirst die Skeleton-Schiffe begleiten, wenn sie ihre Positionen anfliegen. Die Seeker ist unterwegs und sucht nach passenden Sonnensystemen, in denen man sie stationieren kann. Übrigens ist Granger Tschad an Bord der Seeker. Er hat eine Menge Erfahrung, was Flüge in den Randgebieten unseres Siedlungsbereichs betrifft.“
„Granger - was macht der dort?“, fragte Ari überrascht.
„Ich hoffe, er unterstützt die Mannschaft.“