Читать книгу PERSEUS Kristallmagie - Manfred Rehor - Страница 8

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Kapitel 4

Über Gaia kreisten die größten Raumstationen der Perseuskolonie. Gewaltige Strukturen und doch filigran, montiert aus Elementen verschiedenster Formen und Größen. Die Schwerelosigkeit erlaubte es, im Orbit rein funktionale Gebilde zusammenzusetzen.

Brendan starrte hinaus auf diese wirren, dreidimensionalen Spinnennetze. Die Knotenpunkte waren Wohneinheiten, Fusionsreaktoren, Waffenkuppeln und anderes. Diese Module waren hochgradig redundant. Egal, welcher Teil ausfiel, der Rest war kaum betroffen.

Die Militärs hatten ihre Lektion aus den ersten Kämpfen mit den H’Ruun gelernt. Die damals üblichen massiven Orbitalstationen wirkten fast unzerstörbar. Aber nur, weil die Psyche des Menschen dies so einschätzte. Wurde eine solche Station von einem einzigen nuklearen Torpedo getroffen, so bedeutete das ihre völlige Vernichtung. Die offenen Strukturen der modernen Raumstationen dagegen verloren in so einem Fall nur einige wenige Elemente. Der Rest blieb unbeschädigt.

Gleiches galt natürlich auch, wenn ein Unglück geschah, etwa ein anfliegendes Raumfahrzeug außer Kontrolle geriet und in die Station raste.

Doch es gab Ausnahmen von dieser Bauweise. Das Shuttle, mit dem man Brendan und Koumeran nach oben brachte, glitt langsam auf ein dunkles, massives Gebilde zu: Es war eine Werft. Hier baute und reparierte die Raumflotte ihre Kriegsschiffe. Werften verfügten über eigene Triebwerke, mit denen sie im Krisenfall den Orbit verlassen und zu einem sicheren Ort am Rande des Systems fliegen konnten.

Das Shuttle dockte nicht an, sondern flog in einen offenstehenden Hangar ein. Den Grund dafür erkannte Brendan einen Moment später, als gleißendes Licht den Hangar erhellte. Dort lag die Jool, der einzige Besitz, der ihm geblieben war. Aber ohne finanzielle Hilfe konnte er die Jool nicht mehr nutzen: Der Betrieb einer Raumyacht dieser Größe mit interstellarem Antrieb kostete Monat für Monat ein Vermögen - über das Brendan nicht mehr verfügte.

Einiges war an der Jool verändert worden. Die Triebwerke am Ende der drei Ausleger, die im Winkel von 120° zueinander aus der Mitte des Rumpfes ragten, zeigten größere Austrittsöffnungen. Der Rumpf war neu lackiert und schillerte bläulich, was aber ein falscher Eindruck durch die Innenbeleuchtung des Hangars sein konnte.

„Eine Beschichtung aus Tarnmaterial“, sagte Koumeran, der die Raumyacht genauso lange kannte wie Brendan. „Sie leitet Strahlung um das Schiff herum. Die haben sich den Umbau einiges kosten lassen.“

„Was ist mit den Triebwerken?“

„Der Größe nach sind es militärische Modelle. Leistungsfähiger und robuster als das, was man als Privatperson kaufen kann. Außerdem hat man Waffen in die Triebwerksausleger eingebaut.“

„Wo?“ Brendan starrte sein Raumschiff an, konnte aber keine Bewaffnung erkennen.

„Die Mündungen siehst du einen halben Meter unterhalb der Triebwerksöffnungen. Zusätzlich ist zwischen den zwei unteren Auslegern eine Andockeinrichtung montiert worden. Die könnte zur Befestigung von Raumtorpedos dienen.“

Der Hangar war luftleer, aber dank der künstlichen Schwerkraft würde sich Brendan normal bewegen können. Durch einen schlauchförmigen Gang gelangte er direkt aus der Schleuse des Shuttles ins Innere der Raumwerft.

Dort erwartete ihn eine schlanke junge Frau in Uniform. Sie stellte sich als leitende Ingenieurin Lieutenant Schaller vor. Militärisch korrekt meldete sie, die Raumyacht Jool sei einsatzbereit.

Die Frau war attraktiv. Etwa dreißig Jahre alt, intelligent und selbstbewusst.

Auf Koumerans Gesicht erschien ein strahlendes Lächeln und Brendan wusste, was nun folgen würde. Bis auf weiteres spielte er selbst keine Rolle mehr und war nur Zuschauer.

„Sie haben sich persönlich um unsere Jool gekümmert?“, fragte Koumeran. „Das rechne ich Ihnen hoch an. Wie heißen Sie?“

„Ich sagte es bereits: Lieutenant Schaller.“

Koumeran lachte laut. „Lieutenant ist kein Vorname für eine Frau. Also jetzt mal im Ernst.“

Die Frau machte eine Miene, die besagte, ,Oh, Gott! Nicht schon wieder so einer!‘, doch laut sagte sie nur: „Folgen Sie mir zu Ihrem Schiff.“

Schnell trat Koumeran vor sie und breitete die Arme aus. „Moment, Frau ohne Vornamen!“, sagte er. „Dieses Raumschiff ist sozusagen unser Zuhause. Wenn Sie da Hand angelegt haben, dann gibt uns das doch wohl das Recht, alles über Sie zu wissen.“

„Das Schiff gehört der Raumflotte“, entgegnete Lieutenant Schaller schroff. „Es wurde konfisziert, weil der Besitzer die laufenden Gebühren und Steuern nicht bezahlt hat und wohl auch künftig nicht mehr bezahlen kann.“

Brendan schnappte überrascht nach Luft, sagte dann aber doch nichts.

„Die Raumflotte überlässt es Ihnen beiden, weil Sie einen Auftrag ausführen sollen“, ergänzte Schaller.

„Und man hat Ihnen nicht gesagt, dass Sie die Jool mit besonderer Hingabe auf den Einsatz vorbereiten sollen?“ Koumeran klang, als wäre das die schlimmste Enttäuschung seines Lebens. Er schlug die Hände vors Gesicht und stöhnte: „Bürokratie! Wo bleibt denn da das Menschliche?“

Brendan schämte sich für ihn. Aber dann sah er, dass die Ingenieurin für einen kurzen Augenblick lächelte. Als sie wieder ihr dienstliches Gesicht zeigte, war es nicht mehr so neutral wie bisher.

„Sie werden sich nicht zu beklagen haben“, sagte sie. „Erlauben Sie mir jetzt bitte, Sie zum Schiff zu führen?“

Koumeran gab mit einer eleganten Bewegung den Weg frei. Aber er ging neben der Frau her, statt hinter ihr zu bleiben.

„Wie kommt denn eine junge Schönheit wie Sie zur Raumflotte?“, fragte er. „Noch dazu in diese schmutzige, riesige Orbitalwerft?“

„Es ist ein interessanter Arbeitsplatz und man trifft bemerkenswerte, intelligente Männer“, sagte Lieutenant Schaller. Nach einem abschätzigen Blick auf Koumeran fügte sie hinzu: „Manchmal.“

„Erzählen Sie mehr davon“, forderte Koumeran sie auf. „Ich bin immer bereit, an mir zu arbeiten. Was zeichnet einen bemerkenswerten Mann in Ihren Augen aus?“

Brendan war das alles peinlich, aber kannte seinen Freund zu gut, um sich einzumischen.

Lieutenant Schaller musste nun doch lachen. „Ich werde Ihnen eine Liste zusammenstellen“, versprach sie. „Aber jetzt müssen wir uns beeilen. Der Start Ihres Schiffes ist noch für heute vorgesehen.“

Während sie weitergingen, zählte sie die Umbauten an der Jool auf. Außer den Triebwerken und der Bewaffnung hatte man auch die Ortungsanlage und das Funkgerät auf militärische Standards aufgerüstet.

„Werden an der Andockeinheit Torpedos installiert?“

Brendan überlegte, ob er sich weigern könnte, mit so gefährlichen Waffen an Bord loszufliegen. Einmal ganz davon abgesehen, dass er es nie über sich bringen würde, sie einzusetzen.

Lieutenant Schalter sah einen Moment irritiert aus, bevor sie sagte: „Nein. Dort wird ein besonderes Beiboot für den geplanten Einsatz befestigt. Es besteht aus einem neuen, widerstandsfähigen Kunststoff, der sich jedoch binnen Minuten selbst zerstören kann. Die gesamte Elektronik und die Triebwerkseinheit sind absichtlich besonders schwach ausgelegt. Die Hitze der Selbstzerstörung wird sie bis zur Unkenntlichkeit zerschmelzen.“

„Welchen Sinn hat das?“

„Nachdem Sie auf dem Zielplaneten gelandet sind, leiten Sie die Selbstzerstörung des Beibootes ein. Es zerschmilzt zu einem großen Klumpen Kunststoff, dem niemand mehr seine Funktion ansehen kann. Dabei verläuft der Vorgang ohne Flammen oder Rauch. Aus einiger Entfernung wird nicht mehr zu sehen sein, als das Wabern aufsteigender Hitze.“

„Wieso sollten wir das Beiboot zerstören? Wir müssen doch zurück zur Jool fliegen können.“

„Eine Rückkehr zu Ihrem Schiff ist erst nach erfolgreichem Abschluss Ihrer Mission vorgesehen. Man hat Ihnen bereits die Geräte implantiert, mit denen Sie Kontakt mit ihm aufnehmen können. Da die Jool auf Planeten landen kann, wird sie Sie abholen. Sie bekommen dieses besondere Beiboot nur, weil zunächst niemand auf dem Zielplaneten einen Hinweis darauf haben darf, dass neugierige Besucher gelandet sind.“

„Sie meinen, ein großer Klumpen zerschmolzenen Kunststoffs sei kein Hinweis?“

„Richtig. Außerdem liegt ihr Zielgebiet in einer kaum besiedelten Gegend. Über Details bin ich leider nicht informiert.“

Durch einen weiteren Schleusentunnel gelangten sie an Bord der Jool.

Brendan folgte Lieutenant Schaller durch die Räume der drei Decks - Zentrale, Kabinen, Versorgungstrakt - und sah sich nach Veränderungen um. Doch hier schienen die Militärs alles so belassen zu haben, wie sie es vorgefunden hatten.

Brendans Kabine war mit zwanzig Quadratmeter Fläche etwas größer als die von Koumeran und vollgestellt mit Regalen, in denen gedruckte Bücher standen. Natürlich steckten die Bände einzeln in Halterungen. Falls einmal die künstliche Schwerkraft an Bord ausfiel, sollten ja nicht alle Gegenstände durch die Kabine fliegen. An den Wänden waren Bilder befestigt, und zwar echte von alten und modernen Künstlern. Eine Zeichnung stammte sogar noch von der Erde und war viele Jahrhunderte alt.

Neben dem Bett standen ein Schreibtisch und ein bequemer Lesesessel, der mit einer eigenen akustischen Anlage versehen war. Es war die Kabine eines Menschen, der sich gerne mit Kultur und Wissen beschäftigte. Meine Höhle, nannte Brendan sie manchmal Koumeran gegenüber.

Die Ingenieurin warf Brendan seltsame Blicke zu, während er seine Besitztümer auf Vollständigkeit kontrollierte. „Ich habe angenommen, diese Kabine würde einem älteren Mann gehören“, sagte sie.

Brendan spürte, wie er errötete. Er suchte nach einer passenden Entgegnung, doch Koumeran kam ihm mit einer flapsigen Bemerkung zuvor.

„Haben Sie etwas übrig für erfahrene Männer in einem gewissen Alter, Lieutenant ohne Vornamen? Dann sollten Sie sich meine Kabine genau ansehen.“

Schaller reagierte mit Humor, indem sie sich an die Stirn tippte, bevor sie in den nächsten Raum ging.

Koumerans Kabine enthielt eine Vielzahl von Fitnessgeräten. Außerdem jede Menge technischer Spielereien und eine Waffensammlung. Von einem alten Säbel bis zu Plasmawaffen neuester Bauart war alles vorhanden. Selbstverständlich lagen für alle modernen Waffen Berechtigungsscheine vor. Dafür hatte schon Brendans Vater einst gesorgt. Für Koumeran selbst blieb in seiner Kabine kaum mehr Platz, als das Bett beanspruchte.

Wie es Brendan erwartet hatte, versuchte Koumeran vor der Frau anzugeben. Er hob eine besonders schwere, alte Laserwaffe an. Sie war einmal für Soldaten in Exoskeletten entwickelt worden. Koumeran stemmte sie wie ein Gewicht mit beiden Armen mehrmals in die Höhe, bevor er sie zurück in ihre Halterung legte.

Lieutenant Schaller lächelte spöttisch. „Immerhin, auch ein Mann wie Sie hat seine Qualitäten. Welche Funktion haben Sie hier an Bord - die Fracht verstauen?“

Koumeran war für einen Moment sprachlos.

Brendan sprang ein: „Eigentlich ist er der Pilot.“

„Ach ja?“, sagte Schaller und verließ die Kabine.

In der Zentrale, durch deren Panoramafenster man das Innere des Hangars sehen konnte, schien auf den ersten Blick alles unverändert. Zwei Pilotensitze vor der doppelt ausgelegten Hauptsteuerung, zwei Reservesitze und die Schränke für die Notfallausrüstung - Raumanzüge, Löschmittel, Notsender.

Schaller räusperte sich und sagte: „Wir haben die erforderlichen Änderungen installiert, die für die Kontrolle der neuen Bauteile notwendig sind. Insbesondere für die Triebwerke, die Waffen und den leistungsfähigeren Fusionsreaktor. Außerdem haben wir das Hypersprungaggregat auf vier Kristalle aufgerüstet. Das gibt ihnen genügend Kapazität, um auch längere Strecken interstellar zurückzulegen. Die Yacht ist jetzt auf einem Standard, der den von ähnlich großen militärischen Schiffen übertrifft, meine Herren.“

Es blieb nur noch eines, das Brendan auf Veränderungen hin überprüfen wollte. Er sagte laut: „Jool, wie ist dein Betriebszustand?“

Die künstliche Intelligenz des Schiffes antwortete mit einer rauen, weiblichen Stimme: „Einsatzbereit auf allen Gebieten, Brendan. Willkommen an Bord!“

Es war Brendans Vater gewesen, der diese Stimme gewählt hatte. Sie klang nach einer alten Lehrerin, die Brendan während seiner Schulzeit verehrte hatte. Sie hatte ihm, dem jungen Träumer, oft beigestanden, ihm manchmal aber auch ordentlich die Leviten gelesen. Die Programmierung dieser Stimme war ein Scherz seines Vaters gewesen. Aber weil der bald darauf gestorben war, hatte es Brendan nie übers Herz gebracht, eine angenehmere Stimme auszuwählen.

„Wurden Veränderungen an dir vorgenommen, Jool?“ Wenn Brendan das Schiff wie eine Person ansprach, meinte er die KI, nicht das Objekt als solches.

„Der Kern meiner Intelligenz und meine Persönlichkeitsstruktur wurden nicht angetastet. Allerdings erfolgten eine Aufrüstung der Rechnerkerne und eine deutliche Erweiterung der Datenbanksysteme. Ich fühle mich jünger, schneller und intelligenter als vorher.“

„Danke, Jool. Wann ist das Schiff startbereit?“

„Sofort, Brendan. Die Zielkoordinaten und die gesamte Planung sind mir bereits bekannt. Sobald Lieutenant Schaller von Bord gegangen ist, können wir losfliegen.“

Eine halbe Stunde später schwebte die Jool aus dem Hangar und beschleunigte.

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