Читать книгу PERSEUS Kristallmagie - Manfred Rehor - Страница 9

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Kapitel 5

Der Rücksturz der Jool aus dem Hyperraum war so berechnet, dass sich Chenderra auf der anderen Seite der Sonne befand. Das sorgte für den höchstmöglichen Ortungsschutz. Anschließend nutzte die Raumyacht nur ihre Schwerkraftantriebe, um sich in einem weiten Bogen um die Sonne herum dem Planeten zu nähern.

Es dauerte sieben Tage, bis das Schiff Chenderra erreichte. Koumeran entdeckte einen alten Kommunikationssatelliten im geostationären Orbit und bugsierte die Jool in dessen Nähe. Zusammen mit der neuen Tarnbeschichtung bot das genügend Sicherheit gegen Ortung von der Oberfläche aus.

Dann war es soweit: Brendan folgte seinem Freund durch eine schmale Schleuse in das Beiboot, das an der Jool verankert war. Sie hatten gerade genug Platz, um hintereinander darin zu sitzen. Koumeran übernahm die Kontrolle und löste die Verbindung mit dem Raumschiff. Langsam drifteten sie von ihm weg. In einigen Kilometern Entfernung zündete Koumeran für wenige Sekunden das chemische Triebwerk.

Stunden später drang das Beiboot in die oberen Schichten der Atmosphäre ein. Wie ein gewöhnlicher Meteorit stürzte es hinab zur Oberfläche. Sollte jemand mit Messgeräten den Himmel absuchen, so würde er nicht feststellen können, dass es sich um ein künstlich geschaffenes Objekt handelte.

„Unser Eintrittswinkel ist nicht optimal“, sagte Koumeran. „Ich werde ihn aber nicht korrigieren. Die chemischen Triebwerke sind nur für den Notfall gedacht. Außerdem gibt es heftige Winde in den oberen Schichten. Bleib angeschnallt und halte dich fest.“

Ruckende Kursänderungen rissen Brendan in den Gurten hin und her. Das war so nicht geplant gewesen. Womöglich erreichten sie das vorgesehene Ziel nicht und landeten mitten in einem Ozean. Oder noch schlimmer, in dicht besiedeltem Gebiet.

Als die Geschwindigkeit weit genug abgesunken war, zwang Koumeran das Beiboot in den Gleitflug. Wie ein Segelflugzeug glitt es antriebslos dem Boden entgegen. Unter ihnen breitete sich in allen Richtungen eine grüne Ebene aus. Was sie im ersten Moment für normales Gras gehalten hatten, waren die Blätter einer viel größeren Pflanze.

„Kein geeigneter Landeplatz in Sicht“, brummte Koumeran. „Ich gehe in einer Spirale nach unten, sonst kommen wir zu weit nach Westen.“

Da das Beiboot sich sowieso selbst zerstören würde, war es egal, ob es bei der Landung beschädigt wurde. Es pflügte eine Schneise in das, was Brendan nun als zwei Meter hohe Grashalme erkannte. Das Gras bremste das Boot so schnell ab, dass er beinahe das Bewusstsein verlor. Dann folgte ein harter Aufschlag und alles war still.

Da sie keine modernen Geräte in Betrieb nehmen wollten, mussten Brendan und Koumeran eine Stunde warten, bis die Automatik den Ausstieg freigab. Während dieser Zeit kühlte die Hülle ab.

Über die Außenkameras beobachtete Brendan die Umgebung. Die riesigen Grashalme wiegten sich im Wind. Das Beiboot überragte sie um einen Meter, deshalb konnte er auch weiter entfernte Gebiete heranzoomen. Nirgends gab es Anzeichen menschlicher Aktivitäten. Nicht einmal Tiere sah er. Die einzige Unterbrechung in dieser monotonen Landschaft bildete ein einzelner Baum. In einiger Entfernung ragte er in die Höhe, knorrig und mit wenigen Blättern. Er sah aus, als würde ihm das Gras die notwendige Nahrung nicht zukommen lassen, die er zum Wachsen brauchte.

Schließlich ertönte ein Pfeifton: Es fand ein Druckausgleich statt. Das rote Licht über der Ausstiegsschleuse wechselte auf Grün.

Brendan stieg als erster aus. Es war warm draußen. Außer dem sachten Rascheln der Grashalme war nichts zu hören. Aber es stank unangenehm nach Rauch. Da die Außenhülle des Beibootes bei der Landung glühend heiß gewesen war, hatte es das Gras in einem kreisförmigen Bereich verbrannt.

Koumeran kam aus der Schleuse. „Die Selbstvernichtungsschaltung ist aktiviert. Wir haben nur noch ein paar Minuten Zeit.“

Brendan nickte. „Komme gleich.“ Er sah sich das Gras genauer an. Es waren kräftige Pflanzen mit lanzenförmigen, schmalen Blättern. Es hätte Schilf sein können, doch der Boden unter seinen Füßen war fest. Einige braune Käfer krabbelten herum. Größere Tiere waren keine zu sehen, nicht einmal Vögel am Himmel.

Brendan fühlte sich nicht wohl in dieser eintönigen Umgebung. Und doch irgendwie geborgen.

Koumeran deutete auf die Käfer: „Vermutlich einheimisch, ebenso wie dieses seltsame Gras. Laut Commander Vendaar wurde Chenderra nur teilweise terraformt. Die Siedler haben Nutztiere und Saatgut für die Landwirtschaft mitgebracht. Außerdem die übliche Mischung anderer Pflanzen und Tiere, die erforderlich ist, um ein dem Menschen zuträgliches ökologisches Gleichgewicht zu schaffen. Aber sie haben nicht den ganzen Planeten in eine zweite Erde verwandelt.“

„Wir müssen also mit einheimischen Raubtieren rechnen?“

„Ja. Aber vermutlich haben die Siedler inzwischen die meisten Arten ausgerottet, die Menschen gefährlich werden können. Bringen wir jetzt unsere Vorräte heraus und dann nichts wie weg hier.“

Sie trugen bereits einfache Kleidung, die vermutlich auf diesem Planeten nicht auffallen würde. Gewebte Stoffe, mehrfach geflickt und nicht ganz sauber. In den Umhängebeuteln, die sie aus der Schleuse holten, befanden sich einige Nahrungsmittel und je eine Wasserflasche mit einem Verschlusspfropfen aus elastischem, natürlichem Material. Kork nannte Koumeran das.

Die Sonne stand schräg am Himmel. Da der Tag auf Chenderra ungefähr so lang war wie ein Standardtag nach Erdmaß, hatten sie noch zwei oder drei Stunden Zeit bis zum Einbruch der Dunkelheit. Bis dahin mussten sie ein Dorf oder einen Lagerplatz für die Nacht finden.

„Los jetzt, wir brauchen zweihundert Meter Abstand vom Beiboot, um in Sicherheit zu sein“, drängelte Koumeran. „Der Selbstvernichtungsbefehl ist nicht mehr zu stoppen.“

Brendan bahnte sich vorsichtig einen Weg durch die übermannshohen Grashalme. Koumeran und er waren nur mit Dolchen bewaffnet. Die sahen billig und alt aus, bestanden aber aus bestem Stahl. Sollten doch wilde Tiere hier leben, so war das ihre einzige Möglichkeit, sich zu verteidigen.

Als das Beiboot durch die Halme kaum noch zu sehen war, blieb Koumeran stehen. „Still“, flüsterte er und hielt den Zeigefinger vor die Lippen.

Brendan wusste zunächst nicht, was seinem Freund aufgefallen war. Doch dann hörte er ein Geräusch. Etwas bewegte sich hinter ihnen raschelnd durch das Gras. Koumeran winkte Brendan, ihm zu folgen. Ganz langsam, um die Halme nicht verräterisch wippen zu lassen, schlichen sich die beiden wieder näher an das Beiboot heran.

Das Rascheln hörte auf. Jemand sagte etwas, das Brendan nicht verstand. Dann sah er drei Gestalten neben dem Beiboot stehen. Es waren Soldaten in Uniform. Einer der Männer hielt ein Gerät in den Händen, dessen Oberseite er konzentriert anstarrte. Er schwenkte es hin und her und richtete es dann auf das Beiboot.

Die anderen beiden fuchtelten mit veralteten Plasmagewehren herum. Sie waren den Umgang damit nicht gewohnt und schienen sich vor den eigenen Waffen zu fürchten.

Der Mann mit dem Gerät bellte einen Befehl. Seine beiden Begleiter öffneten die Schleuse und betraten das Beiboot. Das war der Moment, in dem der Selbstzerstörungsmechanismus seine Arbeit begann. Zu erkennen war das zunächst nur an einem lauten Zischen.

Brendan wollte den Männern eine Warnung zurufen, doch Koumeran war schneller. Er umklammerte ihn, hielt ihm den Mund zu und trug ihn davon. Dabei zählte er keuchend die Sekunden. Als er bei zehn war, warf er sich zwischen den Pflanzen auf den Boden. Brendan zog er mit sich.

Einige Sekunden lang herrschte Stille. Dann knackte etwas, immer lauter. Eine Hitzewelle kam aus der Richtung des Beibootes. Die Grashalme neigten sich wie unter einem heftigen Sturm, richteten sich aber wieder auf und schwankten nur noch ein wenig.

Es war keine Sprengladung, die das Boot vernichtete, sondern ein chemischer Vorgang. Da seine Hülle fast vollständig aus präparierten Kunststoffen bestand, genügte ein spezifisches Reagenz, um die ganze Struktur aufzulösen. Die dabei entstehende Reaktionswärme zerstörte die elektronischen Geräte zumindest so weit, dass nicht einmal ein Fachmann mehr erkennen konnte, um was es sich gehandelt hatte.

Als die Hitze nachließ, gingen Brendan und Koumeran zurück. Sie fanden eine seltsam aussehende Struktur aus geschmolzenem Material. Daneben lag einer der drei Männer. Es war derjenige mit dem Messgerät. Die Hitze hatte ihn getötet.

Während Koumeran den Toten untersuchte, hob Brendan das Gerät auf. Es war so heiß, dass er es kaum halten konnte. Dem Augenschein nach war es bereits seit Jahrzehnten in Gebrauch. Die Tasten waren abgenutzt und das Display so zerkratzt, dass die Anzeigen darauf fast unleserlich waren. Aber zweifellos diente es der Energieortung. So rückständig war die Bevölkerung dieses Planeten also gar nicht.

„Das Messgerät und die Plasmagewehre sind offenbar die einzigen modernen Dinge, die sie besaßen“, sagte Koumeran.

„Wo sind die Waffen?“

„Haben die beiden anderen mit ins Beiboot genommen. Aber nach dem, was ich erkennen konnte, handelte es sich um Modelle, die seit Jahrhunderten nicht mehr gebaut werden.“

Unruhig sah sich Brendan um. „Ob noch mehr Soldaten in der Nähe sind?“

„Kann sein“, meinte Koumeran gleichmütig. „Wir müssen ein sicheres Versteck für die Nacht finden. Versuchen wir es dort.“ Er zeigte nach Westen, wo der einzelne Baum in die Höhe ragte.

Noch einmal sah sich Brendan die Leiche an. Etwas bewegte sich an ihr. Nach einer Schrecksekunde erkannte er, dass es Käfer waren, die über den toten Körper krabbelten. Aasfresser, vermutlich. Die Natur folgte auch auf diesem Planeten ihren ewig gültigen Gesetzen von Leben und Tod.

Als sie den Baum erreichten, war es fast dunkel. Sein Stamm war an verschiedenen Stellen von oben nach unten geborsten. Dank dieser Einkerbungen fiel es ihnen leicht, an ihm hochzuklettern bis zu der ersten kräftigen Astgabel.

Dort setzte sich Brendan mit dem Rücken zum Stamm rittlings auf den Ast.

Koumeran, unter dessen Gewicht der Stamm beängstigend ächzte und knarrte, kletterte noch etwas höher und sah sich um.

„Im Nordwesten sehe ich Lichter, die sich nicht bewegen“, sagte er. „Wahrscheinlich ein Dorf. Morgen früh sehen wir uns das näher an. Aber heute Nacht bleiben wir hier oben. Mach es dir bequem, Brendan, aber schlaf nicht ein. Wenn du herunterfällst und dir ein Bein brichst, muss ich dich den ganzen Weg zum Dorf tragen.“

Brendan antwortete nicht, sondern prüfte, ob sich sein Dolch leicht aus der Scheide ziehen ließ. Sollten im Laufe der Nacht wilde Tiere auftauchen, wollte er bereit sein. Obwohl er sich vornahm, wach zu bleiben, versank er bald in einen leichten Dämmerschlaf.

Ein Donnerschlag weckte ihn. Beinahe wäre er vom Baum gefallen. Augenblicke später trafen ihn erste Regentropfen. Es musste Morgen sein, doch es war nicht richtig hell. Dunkle Wolken hingen über der Grasebene, Blitze zuckten herab.

„Runter von dem Ding, so schnell du kannst!“, brüllte Koumeran von oben. „Und dann weg von dem Baum!“

Ohne nach dem Grund zu fragen, gehorchte Brendan. Er kletterte nach unten. Koumeran folgte ihm. Sie waren kaum hundert Schritte von dem Baum weg, als Blitz und Donner sie fast umwarfen. Brendan wusste nun, warum der Baum so kahl und ausgezehrt wirkte: Er war weit und breit das beste Ziel für Blitzeinschläge.

Der Regen entwickelte sich zu einem Wolkenbruch. Doch der Boden sog seltsamerweise das Regenwasser vollständig auf. Es bildeten sich keine Pfützen.

Koumeran ging in die Hocke und sah sich das Erdreich genauer an. „Das ist kein normaler Untergrund“, sagte er. „Wenn man den Dreck an der Oberfläche beiseite wischt, sieht man ein Geflecht aus feinen Wurzeln, fast wie ein gewirkter Teppich.“

Brendan wippte ein paarmal auf den Zehenspitzen. Der Boden war nicht elastisch, sondern fühlte sich fest und stabil an.

Gegen Mittag hörte der Regen auf und die Sonne kam heraus. Sie brannte so erbarmungslos heiß, als müsse sie den Regenschauer ausgleichen. Zu dieser Zeit bemerkten sie auch, dass das Gras niedriger wurde. Bald konnten sie über dessen Spitzen hinweg in der Ferne Häuser erkennen: Es war das Dorf, dessen Lichter Koumeran in der Nacht gesehen hatte.

Etwa zwanzig Häuser zählte Brendan. Gebaut hatte man sie aus roten Ziegeln. Die Fenster waren verglast und die Dächer mit Holzschindeln gedeckt. Das waren Rohstoffe, die von weither kommen mussten. Jenseits des Dorfes wurde das Gras wieder höher, die endlose grüne Fläche setzte sich fort.

Koumeran ging auf das nächstgelegene Haus zu. „Keine Angst zeigen“, riet er Brendan. „Wir sind vorsichtig, aber wir haben das reinste Gewissen von der Welt.“

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