Читать книгу Der Weg des Goldes - Manfred Rehor - Страница 7

Оглавление

4

Der dunkle Qualm, der in der Ferne in den Himmel stieg, musste aus Schornsteinen stammen. Ein leichter Wind beugte die Säulen zwar, aber es handelte sich eindeutig nicht um ein großflächiges Feuer, das sie hervorrief.

„Die Goldschmelze von Gandacker“, sagte Haram. „Dort wird das Erz aus dem Gebirge eingeschmolzen zu Barren. Dazu verwendet man Kohle, die man nicht weit von hier in den Senken der Mittelgebirge abbaut. Sie ist besonders rein. Deshalb hat man die Schmelze hier errichtet, am Rande der Weinbaugebiete. Die Winzer sind nicht glücklich über diese Nachbarschaft. Weht der Wind in eine ungünstige Richtung, landet der Schmutz auf ihren Reben.“

„Wie wird die Anlage geschützt?“, wollte Serron wissen.

„Es gibt befestigte Stützpunkte in der Nähe, in denen zweihundert Soldaten des Fürsten Malbraan stationiert sind. Man darf diese Stützpunkte nicht Festungen nennen, denn alle Festungen in den Ringlanden unterstehen dem Fürsten Borran. Aber genau genommen sind sie das. Die Straßen zu der Schmelze werden kontrolliert, alle Transporte werden von Wachsoldaten begleitet. Die Wagen sind Sonderanfertigungen, die für schwere Lasten ausgelegt sind. Meist werden sie von vier Pferden gezogen. Man züchtet hier eine Rasse, die kleiner und kräftiger ist, als man es aus anderen Regionen der Ringlande kennt.“

Die beiden Wagen des Händlers hielten auf der Kuppe eines Hügels. Wir waren zu ihm geritten, um uns mit ihm zu beraten. Die Landschaft zeigte sich, von den aufsteigenden Qualmwolken abgesehen, idyllisch und friedlich. Durch bewaldete Hügel wand sich die Straße, in der Ferne glitzerte der Fluss Sall. Gerade noch erkennbar zogen sich waagerechte Linien entlang der Südseiten der Hänge. Das mussten Weinberge sein.

„Hast du etwas vergessen in deiner Aufzählung der Sicherheitsvorkehrungen?“, fragte ich Haram.

„Was sollte ich vergessen haben?“

„Kurrether. Gibt es hier keine?“

Er nickte heftig. „Natürlich sind sie auch hier. Der Direktor der Schmelze ist zwar ein Ringländer, aber seine zwei Vertreter sind Kurrether. Außerdem haben sie die Aufsicht über den technischen Teil der Anlage, die Anlieferung des Erzes und den Abtransport der Barren.“

„Woher weißt du das so genau?“, wollte Gendra wissen.

„Jeder hier in der Region spricht darüber. Geh in eine Taverne und frag, wie in der Schmelze gearbeitet wird, und man wird dir berichten, dass alle wichtigen Funktionen von Kurrethern überwacht werden.“

„Beaufsichtigen sie auch die Transporte und deren Bewachung?“, hakte ich nach.

„Darüber weiß ich nichts“, gab er zu. „Aber die Erfahrung lehrt, dass sie überall sind, also werden sie auch die eine oder andere Funktion in den befestigten Stützpunkten haben. Ratgeber des Kommandanten, oder was auch immer. Kurrether schmücken sich gerne mit dem Titel Rat.“

„Ich weiß. Auch in Vinheim werden welche sein, und ganz sicher in Andalach.“ Ich dachte einen Moment nach. „Gibt es eine Möglichkeit, die Schmelze zu besichtigen?“

„Nein, wo denkst du hin! Niemand darf hinein, der nicht dort arbeitet. Selbst von den Wachsoldaten dürfen nur einige ausgewählte die Eingangstore durchschreiten, alle übrigen müssen draußen bleiben.“

„Also haben wir keine Möglichkeit, herauszufinden, wie viel Gold hier geschmolzen wird und ob man einen Teil davon heimlich abtransportiert?“

„Darüber habe ich bisher noch gar nicht nachgedacht. Doch, es müssten sich Beweise finden lassen, wenn etwas Ungewöhnliches vor sich geht. Die Wagen und die Pferde für illegale Transporte müssen irgendwo untergebracht sein.“

„Wo befinden sich denn diejenigen für die normalen Lieferungen, mit denen die Goldbarren nach Dongarth gebracht werden?“, fragte ich.

„In den befestigten Stützpunkten. Aber die Pferdekoppeln sind außerhalb.“ Haram überlegte. „Eigentlich müssen eine ganze Menge Leute Bescheid wissen, wenn es geheimen Transporte gibt. Jemand muss die Wagen beladen, jemand sitzt auf dem Kutschbock. Wenn sie viele Tage lang unterwegs sind, werden sie manchmal in Herbergen übernachten. Und so weiter.“

„Die Wagen müssen irgendwo umgebaut werden, um ein Versteck für die Goldbarren zu haben“, warf Serron ein. „Am Zielort, vielleicht in Kethal oder anderswo an der Küste, muss jemand die Barren abladen und auf Schiffe bringen. Wie kann man so eine große Organisation geheimhalten?“

„Ob das alles die Kurrether selbst machen?“, überlegte Martie.

„Unwahrscheinlich!“, behauptete ich. „Sie sind sich zu fein für normale Arbeit. Man hat noch nie einen Kurrether gesehen, der sich die Hände schmutzig macht und sein Geld als Arbeiter oder Handwerker verdient. Also werden sie auch keine schweren Lasten transportieren oder ähnlich niedrige Tätigkeiten verrichten.“

Unsere Wagen fuhren wieder an und rollten den Hügel hinunter auf die Schmelze zu. Es dauerte vier Stunden, bis wir sie erreichten. Zu meiner Überraschung war der Ort Gandacker eines der saubersten Städtchen, die ich je in den Ringlanden gesehen hatte. Jedes Haus war aus Stein gebaut, verputzt und verfügte über ein Schindeldach. Die Hauswände waren frisch geweißt, es gab keine schiefen Holzhütten oder andere Anzeichen für arme Bewohner. Die Straßen waren gepflastert, auch die Nebenstraßen und die schmalen Gassen.

Am Hang eines nahegelegenen Hügels standen weitere Gebäude, größer und noch hochwertiger gebaut. Sie waren von Gärten umgeben, ihre großen Glasfenster spiegelten die untergehende Sonne.

Ich überschlug die Zahl der Häuser und kam auf mindestens zweitausend Bewohner in diesem Ort.

Die Straße, der wir folgten, führte am Ortsrand entlang zu einer Taverne, neben der sich ein Abstellplatz für Wagen und eine Pferdekoppel befanden. Dort hielten wir an.

„Alles ist teuer in Gandacker“, warnte uns Haram, bevor wir eintraten.

Unter normalen Umständen hätte ich die Taverne wieder verlassen, sobald ich die Preise für Mahlzeiten, Getränke und vor allem Zimmer hörte. Aber die Beutel voller Geld des Fürsten Borran wogen schwerer und ich entschied, zu bleiben. Wobei Haram natürlich nichts von dem Vermögen wusste, das ich bei mir trug.

Dabei waren die übrigen Gäste auf den ersten Blick nichts Besonderes. Sie sahen aus wie in jeder anderen Taverne an einer der Verbindungsstraßen zwischen großen Städten. Reisende, Händler, Fuhrwerkslenker, Helfer und ...

Ich stutzte, denn die unvermeidlichen Söldner, die als Begleitschutz gerne von Händlern angeheuert wurden, fehlten hier. Mir fiel wieder ein, dass Haram etwas darüber erwähnt hatte. Die Söldner kämpften weiter im Norden gegen die Banden der Kaltländer und verdienten damit mehr Geld, als mit der langweiligen Sicherung von Transporten. Das bedeutete aber auch, dass ich und meine Begleiter auffielen, weil wir offenkundig keine Händler waren und Waffen trugen.

Die Gäste im Schankraum warfen uns fragende Blicke zu und tuschelten untereinander. Der Wirt, ein kleiner, ziemlich dicker Mann, kam auf uns zu. Er wandte sich an Haram und fragte nach unserem Begehr. Als er hörte, dass wir hier übernachten wollten, nannte er die Preise, die mich so überraschten. Der Wirt schien zu erwarten, dass wir einen Rückzieher machten. Vielleicht wollte er keine bewaffneten Gäste unter seinem Dach beherbergen. Als Haram nach einem kurzen Blickwechsel mit mir zustimmte, wusste der Wirt für einen Moment nicht, was er sagen sollte. Dann versprach er, die Zimmer herrichten zu lassen, und führte uns an einen freien Tisch.

Wir waren beim Essen, als neue Gäste die Taverne betraten. Es waren ein Kurrether, zwei andere Männer in guter Kleidung und vier Wachsoldaten. Sie sahen sich kurz um und kamen zu uns. Doch sie sagten nichts, sondern starrten uns nur an, als hätten sie welche wie uns noch nie gesehen.

Schließlich zog ich fragend die Augenbrauen hoch.

„Mein Name ist Berthon“, sagte der Kurrether ohne weitere Begrüßung. Wie alle seines Volkes schien er keinen Vornamen zu haben. Oder keinen Nachnamen, niemand wusste das genau.

„Rat Berthon?“, fragte ich.

„Ich fungiere als Berater des Direktors der Gandacker Goldschmelze“, antwortete er, ohne das Gesicht zu verziehen. „Eine besondere Funktionsbezeichnung ist damit nicht verbunden. Würden Sie mir Ihren Namen nennen, und die der anderen Personen?“

Wir stellten uns der Reihe nach vor, ohne zu sagen, warum wir hier waren oder woher wir kamen. Berthon nickte, als habe er jeden unserer Namen bereits früher gehört und wollte sich nur versichern, dass wir es wirklich waren.

„Sie haben uns Ihre Begleiter noch nicht vorgestellt“, sagte ich abschließend.

„Ron Kunjak und Seltran Pollk“, antwortete er und deutete auf die beiden Männer. Die Wachsoldaten, die einen Schritt hinter ihm Posten bezogen hatte, erwähnte er nicht.

„Gibt es einen Grund, warum Sie uns beim Essen stören, oder tun Sie das bei allen Gästen dieser Taverne?“ Ich hatte ein Stück Braten im Mund und sprach betont undeutlich, um ihm zu zeigen, dass ich mich von seiner Anwesenheit und seiner Funktion nicht beeindrucken ließ.

„Die Goldschmelze und die Transporte auf den Straßen in ihrer Umgebung sind immer wieder das Ziel von bewaffneten Banden, die sich schnellen Reichtum versprechen“, entgegnete er. „Sie alle sind fremd hier und tragen Waffen. Als ich von Ihrer Ankunft hörte, beschloss ich, mir selbst ein Bild von Ihrer Reisegruppe zu machen.“

Haram mischte sich nun ein. „Ich bin Händler und bringe Waren nach Vinheim. Dass wir hier Rast machen, ist Zufall. In dem Unwetter neulich sind wir vom Weg abgekommen und waren nun froh, es hinunter ins Tal des Sall geschafft zu haben. Wir fahren morgen früh weiter.“

Wieder nickte Berthon, als habe er sich das schon gedacht. „Dem mag so sein“, sagte er. „Gandacker liegt zwar abseits der wichtigen Straßen, aber wir haben aufgrund unserer Arbeit Verbindungen in alle Teile der Ringlande. Der Namen Aron von Reichenstein ist auch uns zu Ohren gekommen. Herr von Reichenstein, Sie arbeiten für den Fürsten Borran. Es liegt nahe, anzunehmen, dass ein Auftrag des Fürsten Sie zu uns geführt hat. Falls ja, so wünsche ich zu wissen, um was es geht. Gandacker gehört zum Fürstentum Malbraan. Kein anderer Fürst hat hier Befugnisse, von der Festung an der Küste einmal abgesehen.“

„Gandacker ist nicht das Ziel meiner Reise“, sagte ich und nahm einen großen Schluck aus dem Bierhumpen. „Es spielt also für Sie keine Rolle, warum ich in dieser Provinz bin. Sollte ich einen Auftrag haben, der den Fürsten Malbraan betrifft, so werde ich zur gegebenen Zeit bei ihm vorsprechen.“

„Das glaube ich Ihnen nicht!“, polterte nun der Mann los, den Berthon als Ron Kunjak vorgestellt hatte.

Ich zuckte nur mit den Schultern.

Haram wollte etwas sagen, aber ich gab ihm durch einen kurzen Wink zu verstehen, dass er sich heraushalten solle. Hier stimmte etwas nicht. Der einfachste Weg, um herauszufinden, was dahinter steckte, war die Missachtung dieser Männer. Sie hielten sich für wichtig und würden reden, um sich das selbst zu beweisen.

„Wir werden Sie hier festsetzen und einen Kurier nach Dongarth schicken!“, drohte Kunjak nun. „Fürst Borran wird sich erklären müssen. Besser, Sie sagen uns jetzt, was er vorhat. Das erspart Ihnen einige Wochen im Kerker, bis der Kurier zurück ist.“

Ich nahm einen letzten Schluck Bier und schob meinen Stuhl so weit zurück, dass ich falls nötig sofort aufstehen konnte. Wie unabsichtlich wurde dabei der Griff meines Degens sichtbar. Meine Freunde verstanden dieses Signal und setzten sich auch so hin, als seien sie bereit, aufzuspringen und ihre Waffen zu ziehen.

Prompt kam Bewegung in die Wachsoldaten. Sie traten etwas weiter auseinander, um genügend Raum für einen Kampf zu haben.

Der Mann mit Namen Seltran Pollk mischte sich ein. „Lassen wir diese Drohgebärden. Ich bin der Vertreter des Fürsten Malbraan bei der Schmelze. Wir arbeiten hier mit wertvollem Erz, aus dem wir reines Gold gewinnen. Es dürfte klar sein, dass wir Fremden gegenüber misstrauisch sind. Erst recht, wenn sie behaupten, im Auftrag eines anderen Fürsten oder der Königin-Witwe unterwegs zu sein. Aber ich bin sicher, Fürst Malbraan möchte keinen Streit mit Fürst Borran. Sie, Herr von Reichenstein, werden auf schnellstem Weg nach Andalach reisen und sich im Palast des Fürsten melden. Ich schicke einen berittenen Kurier voraus, um ihre Ankunft anzukündigen. Sie können dort alles besprechen, was wichtig ist. Es mögen ja Themen sein, die uns hier gar nichts angehen oder unsere Arbeit hier nicht betreffen. Sind Sie damit einverstanden?“

„Wir sind auf dem Weg nach Vinheim“, entgegnete ich. „Aber danach wird uns unsere Reise voraussichtlich in die Hauptstadt dieser Provinz führen. Sobald wir dort sind, werde ich gerne Fürst Malbraan einen Besuch abstatten. Ich werde ihn von Ihnen grüßen.“

Damit wandte ich mich wieder meinem Essen zu.

„Auch wenn die Gandacker Goldschmelze dem Fürsten Malbraan untersteht, ist es doch der Direktor, der hier das Sagen hat“, fing nun der Kurrether Berthon an. „Als Vertreter des Direktors kann ich nicht ...“

„Warum sagt uns nicht der Direktor selbst, was er möchte oder nicht möchte?“, fragte ich, ohne hochzusehen. „Wenn er uns für so unwichtig hält, dass er ein Gespräch mit uns nicht seiner Zeit wert findet, sollten auch Sie sich nicht mit uns abgeben. Lassen Sie uns endlich alleine!“

Ich hatte die Machtverhältnisse richtig eingeschätzt: Seltran Pollk, der Vertreter des Fürsten, hatte das Sagen. Selbst Berthon wagte nicht, zu widersprechen, als der nun verkündete, man werde gehen.

Eine Minute später waren die drei Männer und die Wachsoldaten wieder draußen.

„Das war seltsam“, sagte Serron.

„Dass ein Kurrether sich jemandem unterordnet?“, fragte Gendra.

„Nein, der Vertreter des Fürsten hat etwas gesagt, das über das ich mir Gedanken mache.“

Ich nickte. „Das ist mir auch aufgefallen. Der Fürst, und folglich auch sein Vertreter hier, sind misstrauisch gegenüber Fremden, die im Auftrag eines anderen Fürsten oder der Königin-Witwe unterwegs sind. Man würde eigentlich das Gegenteil erwarten, nicht wahr?“

„Man könnte daraus folgern, dass der Fürst etwas zu verbergen hat“, bestätigte Serron.

Haram sah aufmerksam von einem zum anderen und meinte dann: „Aber der Vertreter des Fürsten hat das doch vor allen geäußert. Das würde bedeuteten, der Kurrether und der Mann, der Ron Kunjak heißt, sind eingeweiht in das, was der Fürst zu verbergen hat.“

„Es kann sich also nicht um ein besonders großes Geheimnis handeln“, folgerte ich. „Auch die Wachsoldaten haben zugehört. Wer dieser Kunjak ist, weiß ich nicht. Fragen wir den Wirt.“

Der kleine, dicke Mann hatte uns die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Aber er blieb dabei weit genug von unserem Tisch weg, um unser Gespräch nicht mithören zu können. Was die hohen Besucher gesagt hatte, war jedoch zum Teil so laut gewesen, dass er - und andere im Gastraum - es gehört haben mussten. Auf einen Wink von mir kam er zu uns.

„Sie haben gesehen, wer uns beehrt hat“, begann ich. „Leider hat einer der Herren vergessen, sich uns vorzustellen. Er hört auf den Namen Kunjak. Wissen Sie, welche Position er innehat?“

„Er ist der Leiter des Fuhrparks“, lautete die Antwort.

Wie der Wirt das aussprach, war bemerkenswert. Es klang Furcht durch, und er verließ uns gleich wieder unter dem Vorwand, ein anderer Gast verlange nach ihm.

„Der Leiter des Fuhrparks kommt mit zwei Männern, die in der Hierarchie deutlich über ihm stehen?“ Nicht nur ich fand das seltsam.

„Seine Position muss hier bedeutender sein, als es sonst der Fall ist“, sagte Serron.

Ich wandte mich an Haram. „Wo befindet sich der Fuhrpark?“

„Die Fahrzeuge und die Pferde stehen in einem Taleinschnitt zwischen zwei Hügeln nordwestlich von hier. So habe ich es jedenfalls gehört. Wie alles in Gandacker wird er bewacht.“

„Kann man von den Hügeln aus das Gelände einsehen?“, wollte ich wissen. „Womöglich befinden sich dort die geheimnisvollen Kutschen und die Zugpferde.“

„Ich weiß es nicht“, gab Haram zu. „Fragen wir den Wirt.“

„Nein, besser nicht. Ich schlage vor, morgen stehen wir früher auf als geplant und machen einen Spaziergang. Die Landschaft im Nordwesten sieht jetzt im Herbst besonders verführerisch aus.“ Ich zwinkerte den anderen zu und sie grinsten zurück.

Nur Kar Andar und seine Frau Inda sahen unbehaglich drein.

Es lag Nebel über dem Tal des Sall, als wir uns bei Sonnenaufgang auf den Weg machten. Wir waren nur zu dritt - Serron, Haram und ich - um möglichst wenig Aufsehen zu erregen. In der Taverne hatten wir beiläufig erwähnt, wir würden uns nach einem neuen Zugpferd umsehen, weil eines von Haram Probleme mit den Gelenken hatte. Das wurde akzeptiert, niemand schien misstrauisch zu werden.

Wir gingen zu Fuß in den Ort Gandacker, durchquerten ihn und gelangten dann über eine Brücke auf die andere Seite des Flusses. Der Nebel schützte uns vor neugierigen Blicken. Nachdem wir aus dem Dorf heraus waren, begegneten wir niemandem mehr. Wir folgten einer gewundenen Straße, die gepflastert war und trotzdem Rillen als Zeichen starker Abnutzung aufwies.

„Wenn in dieser Richtung die Wagen und die Pferde stehen, die in der Goldschmelze beladen werden“, sagte Serron, „müssten sie eigentlich leer und folglich leicht sein, wenn sie hier entlang fahren.“

„Gut bemerkt“, bestätigte ich. „Die Rillen sehen aus, als würde diese Strecke häufig für schwere Transporte genutzt. Besser, wir verlassen jetzt die Straße.“

Wir gingen die Hänge der bewaldeten Hügel hoch und bewegten uns dort in gut fünfzig Schritt Abstand von der Straße weiter voran. Nach einer halben Stunde bemerkten wir erstmals ein Wagen, der uns entgegenkam. Es war ein normales Fuhrwerk, gezogen von vier kräftigen Pferden. Ein Mann saß auf dem Kutschbock, die Ladefläche war leer.

„Weiter“, sagte ich, nachdem der Wagen hinter der nächsten Biegung verschwunden war.

Wenig später verbreiterte sich die Straße zu einem Platz, der groß genug war, um Gespanne darauf zu wenden. Am Nordrand des Platzes standen Schuppen und Ställe. Wie viele es waren, konnte ich nicht erkennen, ebenso wenig, ob sich dahinter andere Gebäude befanden oder die Koppeln für die Zugtiere.

Auf dem Platz wurden gerade Pferde vor zwei Wagen gespannt. Auch dabei handelte es sich um normale Fahrzeuge. Eine Gruppe von Wachleuten in Lederrüstungen mit dem Wappen des Fürsten von Malbraan sah gelangweilt zu.

Wir beschlossen, noch höher zu gehen und den Platz im Schutz des Waldes zu umrunden. Wobei die Gefahr bestand, dass man auch hier oben Wachposten aufgestellt hatte, um genau das zu verhindern. Wir bewegten uns daher langsam und vorsichtig voran, um nicht bemerkt zu werden.

Aber anscheinend hielt man es nicht für notwendig, hier im Wald Wachen zu postieren. Das Gelände unten war eingezäunt, das schien man als ausreichenden Schutz zu erachten.

Zunächst fiel uns nichts Besonderes auf. Es war früh am Morgen, nur wenige Menschen waren bereits beschäftigt. Unter einem Überdach arbeiteten zwei Männer daran, ein neues Rad an einem Fuhrwerk zu montieren. Andere führten Pferde aus einem Stall heraus Richtung Vorplatz.

Alles schien normal, bis uns ein besonderes Gebäude auffiel. Es glich auf den ersten Blick den übrigen Schuppen und Ställen: Es war aus Holz gebaut, hatte ein Dach aus geteerten Brettern und keine Fenster. Aber es war direkt an den Hang herangebaut. Vielleicht sogar in den Hügel hinein. Das erinnerte mich an die Residenz des Fürsten Borran in Dongarth. Auch sie war auf den ersten Blick ein normales, wenn auch großes Haus, das sich jedoch in den massiven Fels hinein fortsetzte.

„Was könnte dort drinnen sein?“, fragte ich leise.

Serron, der neben mir stand, deutete auf den Boden vor dem Schuppen. „Die Rillen von schweren Wagen kommen aus diesem Tor. Hier werden nicht nur leere Fuhrwerke vorbereitet, hier werden auch Lasten bewegt. Und zwar häufig.“

„Das könnte der Ort sein, von dem die nächtlichen Transporte zur Küste beginnen“, bestätigte ich. „Falls dort drinnen Wagen beladen werden, will ich wissen, mit was.“

„Das herauszufinden, wird schwierig sein. Jetzt, bei Tageslicht, dürfen wir uns unten auf dem Gelände nicht blicken lassen.“

Haram war weitergegangen und zeigte nun auf etwas, das jenseits des Bauwerks stand. „Soldaten“, sagte er leise. „Und da hinten, im Eingang des anderen Schuppens, stehen noch mehr davon. Sie können von dort aus das Tor dieses Gebäudes beobachten. Ich glaube nicht, dass es möglich sein wird, ungesehen hineinzugelangen.“

„Schade. Sehen wir uns weiter um.“ Ich ging voran.

Wir gelangten schließlich zu den Pferdekoppeln und zu einem Abstellplatz für Fuhrwerke. Hier sahen wir zum ersten Mal Beweise für unseren Verdacht. Es gab Wagen, die sich ein wenig von den übrigen unterschieden. Sie waren ebenfalls für schwere Transporte gebaut, aber der Wagenboden schien etwas tiefer zu liegen als bei den anderen, dafür war die Ladefläche etwas höher.

„Genug Platz für einen Zwischenraum, in dem man Dutzende von Goldbarren transportieren kann, während oben unverdächtiges Material liegt“, stellte Serron fest.

„Wenn wir jetzt noch herausfinden, wer die schwarz gekleideten Reiter sind, die die nächtlichen Transporte begleiten, sind wir nahe daran, das Rätsel zu lösen“, sagte ich.

Serron sah sich um, als erwarte er, diese Gestalten direkt hinter uns zu sehen. Aber niemand schien bisher unsere Annäherung bemerkt zu haben.

„Wenn es einen unterirdischen Teil dieses Gebäudes gibt, dann befindet er sich unter unseren Füßen“, sagte ich. Ich drehte mich um und deutete nach hinten. „Falls es ein Stollen oder ein Gang ist, können wir das andere Ende suchen. Übersteigen wir die Kuppe des Hügels und sehen nach, wie es weitergeht.“

Wir bewegten uns weiterhin vorsichtig, um nicht von unten entdeckt zu werden. Auf der anderen Seite der Hügelkuppe wurde deutlich, dass diese Erhebung zu einem Höhenzug gehörte, der sich weit geschwungen nach Südosten hinzog. Wir folgten ihm etwa eine halbe Meile weit. Dann sahen wir seitlich unter uns einen mehrfach gestaffelten Zaun, der bis an den Rand des Waldes heranreichte.

„Dort beginnt das Gelände der Goldschmelze“, sagte Haram aufgeregt. „Dieser Zaun besteht aus mehreren Reihen von Holzlatten, einige davon verstärkt durch ein Geflecht aus Eisendraht. Dazwischen patrouillieren Wachsoldaten. Wir müssen uns tiefer in den Wald zurückziehen!“

Wir schlichen eine Zeitlang im Schutz der Bäume nach Norden. Hinter dem Zaun war die Schmelze: viele Lagerhallen und wuchtige Bauwerke mit hohen Schornsteinen. Aus denen stiegen die Qualmfahnen auf, die wir bei unserer Ankunft in Gandacker schon aus der Ferne sahen. Alle Gebäude waren aus Ziegeln errichtet. Es schien nicht einen einzigen normalen Holzschuppen zu geben.

Die Zahl der Wachen, die unterwegs waren, überraschte mich. Selbst Arbeiter, die Handkarren schoben, wurden von einem Wachsoldaten begleitet. Dabei hatte Haram gesagt, nur wenige Soldaten seien berechtigt, das Gelände der Schmelze zu betreten. Ich folgerte daraus, dass es hier sogar eine fest stationierte Einheit gab, die zum Betrieb gehörte.

Schließlich entdeckten wir, wonach wir gesucht hatten: Ein niedriges Bauwerk, das direkt an die Flanke des Hügels angebaut schien - das also vermutlich der Eingang des Stollens war, der bis zum Fuhrpark reichte. Dieses langgezogene Gebäude war durch einen ebenerdigen, holzverkleideten Gang verbunden mit einem großen Haus. Man man konnte also nicht sehen, ob etwas hinein oder heraus gebracht wurde.

„Hier gibt es nichts Neues zu entdecken“, sagte ich schließlich. „Kehren wir zurück zur Taverne, man wird uns schon vermissen.“

Es ging auf Mittag zu, weshalb wir doppelt vorsichtig waren. Es würden mehr Menschen unterwegs sein, und die letzten Spuren des morgendlichen Nebels hatten sich ebenfalls verflüchtigt.

Dieser Vorsicht war es zu verdanken, dass wir unsere Verfolger rechtzeitig bemerkten. Hinter uns im Wald kam es immer wieder zu auffälligen Geräuschen. Äste knackten und Blätter raschelten. Das hörte vorübergehend auf, wenn wir uns umdrehten, fing aber nach einer Weile wieder an.

Haram sah mich und Serron ängstlich an. Ich nickte ihm aufmunternd zu und verständigte mich mit ein paar Zeichen mit meinem Freund. Unsere Vorgehensweise war klar, wenn auch nicht ungefährlich.

Ich ging mit Haram weiter, als wäre nichts geschehen. Serron versteckte sich hinter einem dicken Baum an unserem Weg. Die Verfolger waren nicht nahe genug, um sofort zu erkennen, dass wir nur noch zu zweit waren. Dazu war der Wald zu dicht. Sie würden hoffentlich an Serrons Versteck vorbeigehen, wodurch er in ihren Rücken gelangte.

Mit einem Pfeifzeichen, das dem Ruf eines Vogels glich, sollte er mich dann informieren, dass die List funktioniert hatte.

Der Plan klappte. Nach einer Weile hörte ich Serrons Pfiff. Haram hatte ich inzwischen flüsternd informiert. Ich zog meinen Degen und er seinen Dolch, und wir wandten uns gleichzeitig um in die Richtung unserer Verfolger.

Zunächst sahen wir niemanden.

„Kommt heraus!“, rief ich. „Wenn ihr anständige Leute seid, werden wir euch nichts zuleide tun.“

Ich rechnete zwar nicht damit, aber es war nicht unmöglich, dass sich ein paar Dorfburschen aus Neugierde auf unserer Spur befanden. Denen wollte ich nicht gleich die Klinge zwischen die Rippen jagen.

Als sich daraufhin niemand rührte, ging ich Schritt für Schritt auf unserer Spur zurück, immer bereit, sofort zuzustoßen. Haram blieb zwei Armlängen entfernt neben mir, sodass sich die Gegner teilen mussten, um uns beide gleichzeitig anzugreifen.

Hätten sich die Dummköpfe weiter versteckt gehalten, wir wären in ihre Falle gelaufen - allerdings war Serron ja bereits hinter ihnen. Aber weil wir uns ihnen offen näherten, hielten sie die Spannung nicht länger aus. Sie sprangen mit gezogenen Säbeln hinter den Bäumen hervor. Es waren vier, und ihnen war bis zu dem Moment völlig entgangen, dass bei uns einer fehlte. Nun merkten sie es. Anstatt uns sofort anzugreifen, sahen sie sich suchend um. Serron blieb in Deckung, also wandten sie sich wieder uns zu.

„Es ist verboten, hier zu spionieren“, rief einer von ihnen.

Bevor ich etwas entgegnen konnte, sagte sein Nebenmann: „Halt den Mund. Wir müssen sie umbringen.“

Nun machten sie ohne weitere Warnung ernst. Zwei drangen auf mich ein, zwei auf Haram. Der wich ziemlich geschickt zurück, während ich einen Schlag parierte, und gleich darauf einen Kerl mit der Klinge am Arm traf.

Serron griff mit seinen Wurfmessern in den Kampf ein. Kurz hintereinander fielen zwei der Männer zu Boden. Einer rührte sich nicht mehr, der andere wand sich in Todesqualen. Haram und ich standen nur noch jeweils einem Gegner gegenüber. Die beiden waren ziemlich überrascht vom Verlauf ihres Angriffs. Nun war es für mich einfach, einen Stoß anzubringen, der den Säbelschwinger entwaffnete. Ein zweiter Stoß fügte ihm eine so starke Wunde zu, dass er seine Waffe auch mit der linken Hand nicht mehr aufheben konnte. Er wollte weglaufen, aber die Spitze meines Degens an seiner Kehle überzeugte ihn davon, dass es besser war, stehenzubleiben.

Neben uns fiel der dritte Mann zu Boden. Vorne steckte Harams Dolch in seinem Bauch, hinten Serrons Wurfmesser im Rücken. Der verwundete Kerl vor mir zitterte vor Angst.

Serron blieb in Deckung, für den Fall, dass weitere Gegner auftauchten. Wenn wir dann zu dritt beisammen standen, boten wir denen ein leichtes Ziel. Diese Blöße wollten wir uns nicht geben.

„Wer bist du und warum wolltest du uns töten?“, fragte ich unseren Gefangenen.

„Hier darf niemand sein“, presste er stöhnend vor Schmerzen heraus.

„Wer sagt das?“, fragte ich.

Er antwortete nicht.

Ich drückte die Spitze des Degens fester gegen seinen Hals. „Du wirst langsam sterben, wenn du nicht redest“, drohte ich. „Ich werde dir ...“

Weiter kam ich nicht, weil er in einem Anfall selbstmörderischer Verzweiflung versuchte, seitlich an meinem Degen vorbei nach mir zu greifen. Im nächsten Moment war er tot.

„Was sollte das?“, fragte ich Haram.

„Er hatte weniger Angst vor dem Sterben als davor, zuzugeben, wer sein Auftraggeber ist“, antwortete der Händler.

„Was waren das nur für Kerle?“, überlegte ich und sah mir die vier Toten genauer an. Sie waren kräftig, wirkten aber nicht trainiert. Also vermutlich keine Söldner und auch keine Räuber, die zu einer Bande gehörten. Eher Leute, die jemand für diese Aufgabe angeworben hatte. Auch ihre Waffen waren nicht sonderlich professionell. Einfache Säbel, Billigware, wie man sie auf Dorfmärkten erwerben konnte.

Serron kam zu uns. „Wenn man hier so sehr darauf achtet, dass niemand den Zaun zur Schmelze ausspioniert, könnten noch mehr von der Sorte unterwegs sein. Wir sollten schnell verschwinden.“

„Begraben wir sie?“, wollte Haram wissen.

„Unnötig“, befand ich. „Man wird sie suchen. Entdeckt man hier Gräber, wird man sie wieder ausgraben, um festzustellen, wer darin liegt. Also können wir uns diese Mühe sparen.“

Wir kamen überein, nicht nur diesen Wald schnellstmöglich zu verlassen, sondern auch Gandacker. Wenn man die Toten fand, konnte der Verdacht auf uns fallen.

Es war entschieden besser, dann schon viele Meilen von hier weg zu sein.

Der Weg des Goldes

Подняться наверх