Читать книгу 11 Top Thriller März 2022: Krimi Paket - Manfred Weinland - Страница 72

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WIR ERREICHTEN PATERSON am späten Nachmittag. Mir fiel gleich auf, dass der Porsche nicht mehr in der Einfahrt stand. Wir klingelten an der Tür des luxuriösen Bungalows am Rande der Kleinstadt in New Jersey, aber es öffnete niemand. Über die Sprechanlage bekamen wir auch keinen Kontakt.

„Wir scheinen diese Miss Grath verpasst zu haben“, meinte Milo. Ich drückte gegen die Tür und stellte fest, dass sie sich überraschenderweise öffnen ließ.

Wir traten ein.

Dabei zogen wir die Dienstwaffen.

„Miss Grath!“, rief ich. „Hier ist das FBI!“

Wieder keine Antwort.

Milo nahm sich das Wohnzimmer vor, ich sah in Küche und Bad nach. Anschließend überprüfte ich einen Salonartigen Raum. Aber auch dort war keine Spur von Tasha zu sehen.

Ich öffnete die Kleiderschränke des Schlafzimmers. Mir viel auf, dass dort ziemlich viel Platz war. Und vor allem gab es keinerlei Frauensachen. Dasselbe galt für das Bad. Auch dort waren sämtliche Spuren, die darauf hingedeutet hätten, dass hier zumindest zeitweilig eine Frau gewohnt hatte, verschwunden.

Vielleicht hatte Tasha Grath geahnt, dass wir ihr auf der Spur waren. Und jetzt war schlicht und ergreifend die langsam anwachsende Panik übermächtig geworden.

Ein Geräusch ließ mich zusammen zucken. Es kam aus dem ausgebauten Dach des Bungalows.

Eine Treppe führte hinauf. Ich stieg Stufe für Stufe empor, die Pistole vom Typ Sig Sauer P 226 immer im Anschlag.

Oben angekommen stand ein Mann mitten im Raum und starrte mich an.

„Hände hoch, FBI...“

„Nicht schießen!“

Jetzt trat der Mann in den Schein des Tageslichts, das gerade durch eines dieser Fenster herein fiel.

„Mister Resnick!“, stieß ich erstaunt hervor. Ich senkte die Waffe. Seine Körperhaltung entspannte leicht.

„Hallo, Agent Trevellian.“

„Was machen Sie hier?“, fragte ich.

Hinter mir hörte ich Schritte. Milo kam die Treppenstufen hoch und trat neben mich.

„Ich hatte noch ein paar geschäftliche Dinge zu regeln...“

„Ich glaube ein Staatsanwalt spricht in solchen Fällen von einem Einbruch!“, stellte ich fest.

„Moment!“ Resnick hob abwehrend die Hände und griff dann etwas zu abrupt in die Innentasche. Aber Resnick zog glücklicherweise nur ein Kuvert heraus und hielt es mir hin. „Lesen Sie das!“, forderte er mich auf.

Ich nahm das Kuvert, zog das darin dreifach zusammengefaltete Papier heraus und überflog es.

„Wie Sie sich überzeugen können, hat Brandon mir eine Vollmacht für den Fall seines Todes, seines Verschwindens oder seiner Handlungsunfähigkeit gegeben. Damit sollte sichergestellt werden, dass brisante Stories, an denen er arbeitete, in jedem Fall veröffentlicht werden, auch wenn jemand versuchen sollte, dies durch einen Anschlag, eine Entführung oder was man sich in dieser Hinsicht sonst noch ausdenken kann, zu verhindern. Verstehen Sie? Darum verfüge ich auch über einen Haustürschlüssel.“

„Dann waren Sie darüber informiert, dass Brandon Carter sich mit Jack Fabiano treffen wollte?“

„Ja, ich wusste davon. Brandon war schon eine ganze Weile an der Story dran. Oder vielleicht sollte man besser sagen, dieser Fabiano war an ihm dran, denn er wollte unbedingt ein Treffen arrangieren. Ich habe Brandon gewarnt. Auf so etwas sollte er sich nur dann einlassen, wenn er im Vorfeld schon mehr Informationen erhalten hätte. Aber die Aussicht, dass ein Mafia-Killer ihm exklusiv seine Lebensgeschichte überlassen wollte, hat ihn richtig heiß gemacht. Da müssen bei ihm sämtliche Sicherungen durchgebrannt sein. Ich habe ihm ganz klar abgeraten, so faszinierend die Story auf den ersten Blick auch klingen mochte.“

„Warum haben Sie uns das alles nicht schon erzählt, als wir uns zum ersten Mal unterhalten haben?“, fragte ich kühl. „Da haben Sie doch den Ahnungslosen gespielt.“

„Tasha hatte mich darum gebeten.“

„Ach, wirklich?“

„Sie wollte die Chance haben, erst bei Freunden oder Bekannten unterzutauchen. Die Sache mit Fabiano hat ihr auch Angst gemacht. Das war schließlich ein skrupelloser Auftragskiller und was er zu erzählen hatte, dürfte die gesamte Unterwelt an der Ostküste schlecht schlafen lassen. Wenn da ein paar entscheidende Leute auch nur den Verdacht haben, dass Tasha oder ich etwas mitbekommen haben könnten, was nicht für unsere Ohren bestimmt war, dann machen die kurzen Prozess. Das brauche ich jemandem wie Ihnen doch wohl nicht noch genauer zu erläutern, Agent Trevellian.“

Er streckte die Hand aus, um die Vollmacht zurückzubekommen.

Ich schüttelte den Kopf. „Dieses Stück Papier werde ich erstmal kriminaltechnisch von den Kollegen im Labor untersuchen lassen. Vielleicht finden wir ja Anhaltspunkte, die für seine Echtheit sprechen, dann wären Sie zumindest, was Ihren Einbruch in das Haus angeht, aus dem Schneider!“

Resnick verzog das Gesicht.

„Wie fürsorglich, Agent Trevellian!“, spottete er.

Sein Tonfall missfiel mir. Die Tatsache, dass er uns angelogen und Tasha Grath dabei geholfen hatte unterzutauchen auch. Aber vielleicht würde er uns ja jetzt ein Stück weiterhelfen.

„Haben Sie eine Ahnung, wo sich Tasha jetzt befindet?“, fragte Milo.

„Nein.“

„Und wenn, dann würden Sie es uns auch wohl nicht sagen, oder?“, schloss ich.

Resnick hob die Schultern und fuhr sich anschließend mit einer fahrigen Bewegung durch das Gesicht. „Hören Sie, die Frau hat eine Höllenangst!“

„Es geht darum, ein Verbrechen aufzuklären“, gab Milo zu bedenken.

Resnick lachte heiser auf. „Ja, Ihnen geht es vielleicht darum! Aber was hat Tasha davon, wenn Sie ein paar Mörder fangen und sie dafür am Ende bezahlen muss?“

„Ich glaube, Sie haben ein falsches Bild von Tasha“, sagte ich.

Er runzelte die Stirn. „Wovon sprechen Sie bitte?“

„Die Killer, die Brandon Carter auf dem Gewissen haben, wussten, dass er sich mit Jack Fabiano treffen wollte. Außer Fabiano und Carter waren noch Tasha Grath und Sie darüber in Kenntnis gesetzt worden.“

„Das ist korrekt.“

„Unsere Laborkollegen von der Scientific Research Division in der Bronx konnten E-Mail-Dateien rekonstruieren, die von Tasha abgeschickt und anschließend gelöscht worden waren.“

„Wie bitte?“

Eine tiefe Furche erschien jetzt auf Resnicks Stirn.

„Tasha Grath hat Brandon Carter an seine Mörder verraten. Das steht fest. Leider haben wir nur eine Wegwerfadresse auf einem russischen Server, von dem wir bislang nicht herausfinden konnten, wem sie zuzuordnen ist.“

Er fixierte erst mich, dann Milo mit einem Blick, der mir sagte, dass sich in seinem Hirn im Augenblick ein ziemlicher Aufruhr abspielte. Resnick schien seine Gedanken neu zu ordnen. Ich hoffte nur, dass wir davon auch etwas hatten und er sich entschloss, endlich im vollen Umfang zu kooperieren. Vielleicht hatten wir dann eine Chance, Tasha Grath schnell genug auf die Spur zu kommen.

Schnell genug, bevor sie entweder vollkommen untergetaucht war - oder diejenigen, denen sie zugearbeitet hatte, sie als potentiell gefährliche Mitwisserin ebenfalls ausgeschaltet hatten.

„Brandon hat Tasha erst vor ein paar Monaten kennen gelernt“, berichtete Resnick. „Ich verstehe das ehrlich gesagt auch nicht! Jahrelang hat Brandon nichts anbrennen lassen. Bei einem Workaholic wie ihm auch kein Wunder. Für mehr als ein flüchtiges Abenteuer ab und zu hatte der doch auch gar keine Zeit.“

„Aber Tasha Grath scheint ihn ja stark beeindruckt zu haben.“

„Er hat sie in einem Club in Alphabet City kennen gelernt. Ich war dabei. Sie hat sich richtig an ihn heran geschmissen und ich habe ihn noch gewarnt.“

„Gewarnt? Weshalb?“, hakte ich nach.

Resnick zuckte die Schultern. „Sie wirkte auf mich wie eine gierige Prominenten-Maus, die es nur darauf abgesehen hat, sich an einen reichen, berühmten Mann heranzuhängen, um von dessen Glanz zu profitieren. Die hoffen dann alle darauf, dass ihre Fotos in den Medien zu sehen sind und ein Hollywood-Produzent bei ihnen anruft. Oder wenigstens eine Model-Agentur. Tasha ist dann schon ziemlich bald bei Brandon eingezogen und meine anfänglichen Bedenken konnte sie beinahe zerstreuen. Ich hatte den Eindruck, dass sie Brandon wirklich liebte, was auch nicht ganz einfach ist, denn er hatte seine Launen. Und ich glaube, es macht auch nicht jede Frau mit, wenn der Partner einfach mal ein paar Tage verschwunden ist, um irgendeine Inkognito-Sache durchzuführen. Tasha bestand deswegen darauf, in alles einbezogen zu werden.“

„Wie sich herausstellt, war das ein Fehler“, sagte Milo.

Resnick nickte.

„Schade – was Tasha angeht hätte ich mich gerne geirrt. Schließlich habe ich Brandon sein Glück gegönnt.“

„Haben Sie irgendeine Ahnung, wo Tasha jetzt stecken könnte?“, fragte ich.

„Ich habe sie gefragt, wo ich sie erreichen könnte, falls es irgendetwas zu regeln gäbe. Sie hat nur darauf erwidert, dass es besser wäre, wenn ich es nicht wüsste.“

„Was könnte es denn zu regeln geben?“

„Na, Brandons Nachlass natürlich. Was die Verwertung seiner Buch- und Fernsehrechte angeht, bin ich auch über sein Ableben hinaus zuständig. Aber so nahe standen wir uns nun auch nicht, dass ich hoffen kann, dass er mir auch noch sein Vermögen vermacht hat. Doch Tasha wird mit Sicherheit etwas abbekommen, so verliebt wie er in sie wahr.“

„Hat er mit Ihnen darüber gesprochen?“ hakte Milo nach.

Er schüttelte den Kopf. „Nicht direkt. Aber ich weiß, dass er vor einem Monat erst eine Neufassung seines letzten Willens hinterlegt hat. Brandon hatte einen Sohn aus erster Ehe, der heute in Illinois lebt. Außerdem gibt es da noch eine Schwester in Yonkers. Von weiteren Verwandten weiß ich nichts.“

„Was ist mit Tasha? Wissen Sie etwas über Bekannte, Verwandte – irgendjemanden, den sie besser kannte?“

„Nein. Sie tauchte einfach auf, schlang ihre Arme um Brandon, hielt ihn fest und sorgte dafür, dass er keine Augen für andere Frauen mehr hatte. In ihre eigenen Kreise hat sie Brandon nie eingeführt. Moment mal...“

„Raus damit, Mister Resnick. Jedes Detail kann wichtig sein“, forderte ich ihn auf.

Er schnipste mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. „Da war eine Freundin. Sie hat Tasha hier einmal besucht, dabei habe ich sie flüchtig kennen gelernt.“

„Name?“, hakte ich nach.

„Doreen. Mehr weiß ich nicht.“

„Beschreibung?“

„Nicht größer als 1,65 m, schätze ich. Sie hatte langes, brünettes Haar, war stark geschminkt und trug Sachen, die so eng waren, dass sie nichts verbargen.“

„Ein Callgirl?“

„Ich gebe zu, dass das mein erster Gedanke war“, gestand Resnick. „Und da fällt mir noch etwas ein. Als ich gestern hier eintraf, war Tasha gerade dabei, mit dieser Freundin zu telefonieren.“

„Vielleicht hat Tasha sich vergewissert, ob sie auch wirklich willkommen ist, wenn sie für ein paar Tage bei dieser Freundin untertaucht“, vermutete ich.

„Die Nummer und der dazugehörige Anschluss müssten über die Telefongesellschaft herauszubekommen sein!“, meinte Milo.

„Fragen Sie Ihre Kollegen, die den Rechner mitgenommen haben“, schlug Resnick vor. „Brandon stammt aus kleinen Verhältnissen und war deswegen immer sehr sparsam. Weil er viele Ferngespräche führte, lief die Telefonanlage über das Internet. Die Verbindungsdaten müssten also gespeichert sein!“

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