Читать книгу Dorfgeschichten und mehr ... - Manfred Wiedemann - Страница 10
Der Heele-Babba
ОглавлениеIch weiß nicht, wie der Mann hieß, nennen wir ihn einfach Josef Schmied. Wir Kinder nannten ihn nur den Heele-Babba. Fast jedes Haus in unserem Dorf hatte einen Hausnamen. Und sein Hausname war eben beim „Heele“. Er hauste mit seiner Mutter zusammen mehr schlecht als recht in einem uralten, kleinen Bauernhaus. Aber wir Kinder glaubten, die beiden seien ein Ehepaar, denn man konnte ihn leicht für gleichaltrig mit seiner Mutter halten. Er war wohl damals etwa fünfzig Jahre alt und die Mutter? Nun, man kann sich ausrechnen, wie alt die sein musste.
Ich habe nie ein Wort mit diesem Mann gesprochen, ich glaube, er war ohnehin recht wortkarg. Natürlich grüßten wir ihn mit einem eher schüchternen „Grüß Gott“, aber das war es dann auch. Er war uns Kindern gegenüber nicht unfreundlich, aber auch nicht freundlich, ich würde ihn als gleichgültig den Kindern gegenüber bezeichnen. So weit ich weiß, ging er auch nicht in ein Gasthaus. Sein Einkommen erlaubte dies wahrscheinlich nicht, auch wenn er das gewollt hätte.
Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit der spärlichen Ernte seines Anwesens. Und wie spärlich das war, konnte man daran sehen, dass er sein bischen Getreide mit der Hand drosch. Er tat das aber nicht wie früher üblich mit einem Dreschflegel. Nein, er kniete in seiner Tenne vor dem Ährenbündel nieder und schlug mit einem Knüppel darauf. Hatte er dann das Bündel leer gedroschen, stand er auf, holte eine neue Garbe und das Spiel begann von vorne. Man kann sich also denken, dass der Ertrag mehr als bescheiden war. Doch es reichte offensichtlich gemeinsam mit der Milch von zwei mageren Kühen, die er auch noch vor den Wagen spannte, zum Überleben der beiden.
Aus der Erzählung meiner Mutter weiß ich, dass der Heele-Babba auch schon mal ans Heiraten gedacht hatte. Doch sein Vater, den ich nicht mehr kannte, machte ihm einen Strich durch diese Rechnung. Er war ungefähr vierzig Jahre alt, als er den Wunsch zum Heiraten seinem Vater vorbrachte. Dieser aber meinte, dass es schon richtig wäre, wenn sich ein Mann ein Weib nehme, aber dafür sei der Josef noch zu jung. Seinem Vater aber zu widersprechen kam dem Sohn nicht in den Sinn.
Und so blieb er halt Junggeselle und war für uns Kinder trotzdem Vater. Nicht dass er ein uneheliches Kind hatte. Nein, er war halt der Heele-Babba.