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Das Corpus Delicti

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Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts beschäftigten die Bauern noch Knechte und Mägde. Und es kam immer wieder vor, dass eine Magd, besonders wenn sie noch jung und hübsch war, schwanger wurde. Der Erzeuger eines solchen Kindes war meist der Bauer oder sein erwachsener Sohn. Die Folge war, dass das Mädel als Hure beschimpft und vom Hof gejagt wurde. Wenn sie Glück hatte, gab ihr der Bauer einen mehr oder weniger kleinen Geldbetrag heimlich zum Trost mit auf den Weg, denn die Bäuerin durfte ja von seiner Sünde nichts erfahren.

So war es auch in dem hier geschilderten Falle. Der sechzehnjährige Sohn war hier der Übeltäter, was dieser jedoch wie üblich rundheraus abstritt. Da so ein armes Mädchen aber für sein Leben damit gebrandmarkt war und kaum noch die Chance hatte, einen anständigen Mann zu finden, war sein weiteres Leben damit kaum noch mit Glück verbunden. Die Eltern des Mädchens waren über dieses Unglück natürlich auch nicht sehr erfreut, denn meistens mussten sie das Kind großziehen.

Deshalb entschloss man sich zu einer Vaterschaftsklage vor Gericht. Man wollte halt noch retten, was zu retten war. An eine Heirat mit dem Bauernsohn war nicht zu denken, aber man sollte wenigstens den Unterhalt für den „Kegel“ erreichen.

Nun kam es zu der Klage vor Gericht, wo der Sünder mit seiner Mutter erschien. Für den Richter war die Angelegenheit nichts Neues, denn derartige Verhandlungen waren nicht ungewöhnlich. Leider war damals eine DNA-Untersuchung noch nicht möglich. Den Prozess gewann, wer die besseren Argumente hatte.

Nachdem also das Mädchen und der junge Mann jeweils die eigene Aussage vorgebracht hatten, befragte der Richter auch die Mutter des Beklagten, die kaum erwarten konnte, ihre Argumente vorzubringen und deshalb schon lange auf ihrem Platz unruhig hin- und herrutschte. Sie hatte sich schon lange ihre Ausrede zurechtgelegt und behauptete, ihr Sohn wäre zur Zeugung eines Kindes noch gar nicht fähig. Und wenn der Herr Rat das nicht glaube, könne sie das leicht beweisen, indem sie dem Jungen die Hose herunter lasse. Dann würde der Herr Rat das ja sehen. Der Vorsitzende verzichtete auf dieses „Corpus Delicti“, sprach aber leider den jungen Herrn von jeder Schuld frei.


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