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Das Knie spüren
ОглавлениеViele Menschen leiden unter »Rücken« und fast jeder hat ihn, oft sogar bereits in ganz jungen Jahren, schon einmal zu spüren bekommen. Häufig im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule. Viele kennen auch die lästigen Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich nach einem langen Tag am Computer. Die allermeisten wissen zudem um die Funktion der Wirbelsäule und der Bandscheiben, die mit zunehmendem Alter einer Degeneration unterworfen sind, sich buchstäblich dünne machen und dann Schmerzen bereiten. Das Knie dagegen ist für Menschen, die dort bisher keine Probleme hatten, eher dieser wenig beachtete »komische Knubbel« in der Mitte des Beines. Meist als nicht sonderlich attraktiv empfunden und selten befühlt – Frauen sehen in ihm oft sogar einen optischen Makel, der das Bein irgendwie »hässlich« macht. Und am liebsten ist es uns, wenn dieser Knubbel beim Laufen und Gehen, Stehen und Sitzen brav vor sich hin arbeitet und möglichst wenig muckt. Bevor wir das Knie irgendwann mal unangenehm spüren, sollten wir es einfach mal kurz in seiner Gänze er-spüren. Um zu erfahren, welch kleines Wunderwerk dieses größte Gelenk unseres Körpers eigentlich ist.
Setzen Sie sich dafür ganz bequem auf einen Stuhl und stellen Sie Ihr linkes Bein im Neunziggradwinkel auf. Legen Sie dann Ihre linke Hand vorn auf das linke Knie. Was man da vorn als harten »Teller« spürt, ist die Kniescheibe. Sie ist bei jedem Menschen unterschiedlich groß und rund zwei bis zweieinhalb Zentimeter dick. Sie liegt vorn auf dem Knie auf, umfahren Sie sie einfach mal mit dem Finger. Fahren Sie dann mit zwei Fingern am unteren Rand der Kniescheibe nach unten, dort spüren Sie die sogenannte Patellasehne, das ist eine bandförmige Verbindung zwischen der Kniescheibe und dem Unterschenkel. Weiter unten sitzt die Schienbeinbeule, im Fachjargon Tuberositas tibiae genannt, die man als kleines rundes Höckerchen gut tasten kann. Sie mündet in das obere Schienbein.
Geht man mit den Fingern wieder nach oben über die Kniescheibe hinaus, kommt man auf die Oberschenkelsehne. Umfahren Sie die Kniescheibe nach rechts in Richtung der Körpermitte nach innen. Für Ihren nächsten Arztbesuch noch eine kleine Hilfestellung, mit der Sie ein bisschen den »Insider« rauskehren können: Im Medizinerjargon bedeutet »medial« innen und »lateral« heißt seitlich-außen. Auf der Mitte der Kniescheibe stoppen Sie und gehen mit den Fingern den Oberschenkel entlang in Richtung Kniekehle. Auf halbem Weg zur Kniekehle, zwischen dem Oberschenkel und dem Unterschenkel, spüren Sie eine Vertiefung. Das ist der innere, mediale Gelenkspalt. Wenn Sie diese Linie jetzt weiterverfolgen, befindet sich an der Stelle, wo der Oberschenkel in seiner Rundung schon wieder Richtung Kniekehle geht, den Innenmeniskus. Tasten kann man den Meniskus eigentlich nicht direkt, da er in der Tiefe sitzt. Aber an der Stelle treten bei einer Fehlfunktion des Meniskus Schmerzen auf. Das Gleiche kann man natürlich auch lateral machen, also an der äußeren Seite der Kniescheibe. Dort sitzt auf gleicher Höhe wie sein Kollege innen der äußere Gelenkspalt und beim weiteren Entlangfahren in der Tiefe der Außenmeniskus. Und wenn Sie dann auf der Außenseite mit den Fingern nach unten Richtung Fuß gehen, kommen sie zum sogenannten Wadenbeinköpfchen. Klingt putzig – man kann es übrigens an der Außenseite des Beines unterhalb des Kniegelenks sehr gut tasten. Zu guter Letzt langen Sie noch mal beherzt in die Kniekehle. Wenn Sie über sechzig sind und an abnutzungsbedingten Knieproblemen wie einer Kniegelenkarthrose leiden, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass Sie dort eine Beule tasten. Manchmal sogar hühnereigroß. Am besten fühlt man sie bei gestrecktem Bein. Keine Sorge, das ist kein bösartiger Tumor, sondern eine sogenannte Baker-Zyste, ein harmloser, mit Flüssigkeit gefüllter Hohlraum. Rund 20 Prozent aller Menschen mit altersbedingten Knieproblemen entwickeln so einen Kniekehlenerguss. Er entsteht, wenn die Gelenkschleimhaut als Reaktion auf die abgeschilferten Knorpelteilchen vermehrt Gelenkflüssigkeit produziert – eine Art von lokaler Entzündung also (siehe auch Seite 118).
Das Gelenk funkt quasi SOS und signalisiert uns damit: »Achtung, mir geht es gerade nicht gut.« Kurioserweise kommt die Baker-Zyste aber auch bei völlig gesunden Kindern vor, Jungen leiden doppelt so häufig wie Mädchen darunter. Die Gründe hierfür liegen bisher weitgehend im Dunkeln, wachstumsbedingte temporäre Beinachsenfehlstellungen könnten eine mögliche Ursache sein.