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1. Verwirklichung des materiellen Strafrechts

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Schon aus dem eingangs genannten Wesen jedes Prozesses als rechtlich geordnetem Vorgang zur Gewinnung einer Entscheidung über ein materielles Rechtsverhältnis ergibt sich, dass es im Ausgangspunkt (vielleicht nicht abschließend, aber doch jedenfalls) nicht falsch sein kann, wenn als ein Zweck des Strafprozesses die Verwirklichung des materiellen Strafrechts genannt wird.[10] Dem kann nicht etwa entgegengehalten werden, dass es in manchen Fällen zu Freisprüchen (bzw. zur Nichtanwendung des Strafrechts[11]) kommt. Eine Verwirklichung des materiellen Rechts liegt – von der durch den Prozess noch verstärkten Präventivfunktion einmal ganz abgesehen – ja auch dann vor, „wenn es seine Garantiefunktion zugunsten des Angeklagten entfaltet und ihm bei nicht nachgewiesener Schuld zum Freispruch verhilft“.[12] Ebenso spricht die Möglichkeit von Fehlurteilen nicht gegen den Verwirklichungsgedanken,[13] da eine Zieldefinition nicht dadurch falsifiziert wird, dass ihr Ziel in „pathologischen Ausnahmefällen“, die unstreitig an sich vermieden werden sollen, nicht erfüllt wird.[14] Vielmehr spricht bereits die Bewertung als Fehlurteil bei Nichtübereinstimmung des Urteils mit den Vorgaben des materiellen Rechts dafür, dass dessen Verwirklichung „eigentlich“ angestrebt wird und damit (ein) Prozessziel ist. Dabei ist unter „Verwirklichung des materiellen Strafrechts“ weder eine völlige Verschmelzung i.S. einer Schaffung bzw. Realisierung des materiellen Rechts erst im Prozess[15] noch eine fast vollständige Trennung zwischen materiellem Recht und Prozess im Goldschmidt’schen Sinne des „Prozesses als Rechtslage“[16] bzw. eine reine Legitimation durch Verfahren im Luhmann’schen Sinne[17] zu verstehen.

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Vielmehr handelt es sich um ein Zusammenwirken von materiellem und prozessualem Recht. Dabei kommt Letzterem eine unterstützende Funktion zu: Das Strafprozessrecht ist gegenüber dem materiellen Strafrecht zwar eigenständig, hat aber gleichwohl instrumentalen Charakter.[18] Dabei lassen sich allerdings bestimmte prozessuale Regeln und Gegebenheiten nur verstehen, wenn das zu verwirklichende materielle Strafrecht gleichsam „prozessual aufgeladen“ gedacht wird: Während nämlich z.B. durch den Freispruch des Unschuldigen das materielle Strafrecht noch in gleicher Weise „verwirklicht“ wird, wie durch die Verurteilung des Schuldigen (vgl. o.), stellt der Freispruch desjenigen, der nur nicht zur Überzeugung des Gerichts (§ 261 StPO) der Tat überführt werden konnte[19] (diese aber in Wahrheit begangen hat), isoliert betrachtet gerade keine Verwirklichung des materiellen Strafrechts dar. Vielmehr ist er nur dann auch Ausfluss seiner Garantiefunktion, wenn man das materielle Recht um prozessuale Garantien und um das Erfordernis gerade eines prozessordnungsgemäßen Schuldnachweises ergänzt denkt.

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