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5. Rechtsfrieden als Ziel des Strafverfahrens

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Einen Versuch, diese (und andere) Zielkonflikte mit Hilfe eines Meta-Prozessziels aufzulösen, hat namentlich Schmidhäuser mit seinem vielfach (allerdings wohl nicht immer inhaltsgleich[33]) rezipierten[34] Begriff des Rechtsfriedens unternommen. In diesem sieht er ein „letztlich (…) übergeordnetes Ziel“, indem ein Zustand geschaffen werden soll, „bei dem sich die Gemeinschaft über den Rechtsbruch beruhigen kann“,[35] d.h. mit dem Prozessausgang „zu-frieden sein kann“. Dieses Ergebnis wird in der Literatur vielfach zumindest insoweit übernommen, als der Rechtsfrieden als ein Ziel des Strafprozesses genannt wird.[36] Jedoch werden daneben noch andere Prozessziele genannt, und nicht zuletzt aus diesem Grund entsteht bei vielen Autoren der Eindruck, dass unter dem Begriff des Rechtsfriedens „nur“ die (von Schmidhäuser ja gerade nicht damit gleichgesetzte, vgl. o.) Rechtssicherheit gemeint wird.[37] Damit aber weichen – selbst bei Übernahme des Schmidhäuser’schen Begriffs – diese Autoren augenscheinlich vom offensichtlich wichtigen Grundgedanken ab, dass der Rechtsfrieden gerade andere Prozessziele mehr oder weniger aus- (bzw. ein-) schließt, da es eben nur ein letztes und eigentliches bzw. in den Worten Schmidhäusers: „letztlich (. . .) übergeordnetes Ziel“ geben könne.

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Ein wirklich operabler Ansatz ist damit freilich nicht geschaffen. Denn weil der „Rechtsfrieden“ in diesem Sinne kaum als empirisch-gesellschaftlicher Zustand, sondern als normative Größe verstanden werden muss, ist er letztlich von einer Abwägung abhängig, in die gerade die widerstreitenden Begriffe bzw. Interessen einbezogen werden müssen. Die Bezeichnung eines so gefundenen Ergebnisses als „Rechtsfrieden“ ist zwar plakativ, bringt aber keinen wirklich neuen Erkenntniswert. Vielmehr ist sie sogar geeignet, unbestreitbare Zielkonflikte innerhalb des Verfahrens zu camouflieren. Darüber hinaus ist aber die Bestimmung eines einzelnen, allen anderen übergeordneten Prozesszieles auch nicht erforderlich, da in vielen juristischen Bereichen allgemein anerkannt ist, dass es Zielkonflikte geben kann und dass zwischen verschiedenen Rechtsgütern eine Abwägung stattfinden und letztlich eine praktische Konkordanz hergestellt werden muss. Hierbei sieht man nicht das Ergebnis der praktischen Konkordanz (oder abstrakt diese selbst) als höheres Gut oder als Synthese der antinomischen Werte auf höherer Stufe; sondern die wechselseitigen Begrenzungen werden als bereits immanent angelegte Schranken der jeweiligen Rechtsgüter selbst betrachtet. Auch lassen sich aus einem Verfahrensziel „Rechtsfrieden“ keine verbindlichen Anhaltspunkte dafür gewinnen, wie im Einzelfall die Abwägung zwischen „Gerechtigkeit“ und „Rechtssicherheit“, zwischen „Wahrheit“ und „Persönlichkeitsschutz“ etc. ausfällt.[38] Die Abwägung muss vielmehr ausgehend von den widerstreitenden Begriffen in einem methodisch korrekten Vorgehen erfolgen. Bezeichnet man dann das so gefundene Ergebnis als „Rechtsfrieden“, mag das den Vorteil eines schlagkräftigen Namens für den Vorgang haben, bringt aber keinen neuen Erkenntniswert. Entscheidend sind vielmehr die konkreten Forderungen, die aus der Interessenabwägung abgeleitet werden.

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