Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Manuel Ladiges - Страница 34
1. Das Verhältnis von materiellem Strafrecht und Strafverfahrensrecht
Оглавление49
Der Strafprozess stellt zwar für die meisten Bürger den intensivsten und den eigentlich „erfahrbaren“ Kontakt mit der Strafrechtspflege dar; innerhalb dieser Beziehung steht er allerdings nicht alleine, sondern ist stets im Zusammenhang mit dem materiellen Strafrecht zu sehen. Zur Frage, wie dieses Verhältnis beschaffen ist, findet sich in der allgemeinen Prozessrechtslehre ein breites Spektrum von denkbaren Antworten: Dabei verdient im Ausgangspunkt durchaus der Gedanke einer „integrierenden Behandlung“ Beifall, der angesichts der Unschärfe des Rechts[127] und der Fortentwicklung der Rechtsprechung davon ausgeht, dass der Prozess nicht dazu dient, nur ein „von vornherein feststehendes, materielles (sc. Recht) (. . .) zu verwirklichen“, sondern dass im Prozess erst „das Recht – das subjektive und das objektive Recht bestimmt wird: Das Recht, das ohne den Prozess und das Urteil unbestimmt und nur subjektiv (in verschiedener Weise) bewusst und damit objektiv (allgemein) unbewusst bleiben würde.“[128]
50
Freilich muss dieser Ansatz eingeschränkt werden: Denn bei aller Bedeutung der Dynamik des Verfahrens etwa für die Entscheidung von – im Prozess aufgeworfenen – Bedeutungskonflikten bleibt die methodengeleitete Arbeit am Gesetzestext als Überprüfungskriterium, weswegen auch ein Urteil, das die methodischen Vorgaben nicht einhält, durchaus als falsch bzw. „nicht Recht“ beurteilt werden kann. Wie Volk zutreffend formuliert, ist der „konkrete Rechtssatz, dessen der Richter zu Entscheidung bedarf, (. . .) nicht schon dadurch legitimiert, daß er konkret ist. Die Konkretisierung muß ‚richtig‘ sein“.[129] Dass das Verfahren gleichwohl legitimatorische Wirkung haben kann,[130] steht ebenso außer Frage, wie der Umstand, dass ein Prozessausgang auch unabhängig vom materiellen Recht im Detail eine befriedende Wirkung haben kann. Insoweit haben auch andere prozesstheoretische Modelle durchaus ihre Berechtigung. Normative Zielvorgaben für den Strafprozess erlauben also weder ein System der vollständigen Verschmelzung noch der rigorosen Trennung zwischen Prozess und materiellem Recht. Strafprozessrecht und materielles Recht sind vielmehr als zwar eigenständige, aber zusammenwirkende Rechtsmaterien zu betrachten, wobei das Prozessrecht insbesondere den Geltungsanspruch des materiellen Rechts unterstützen muss, was das oben stark gemacht Prozessziel der Durchsetzung des materiellen Strafrechts noch einmal bestätigt.