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a) Grenzbereiche
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In den meisten Fällen ist die Abgrenzung, ob es sich bei einer Vorschrift um eine Regel des materiellen Strafrechts oder des Strafverfahrensrechts handelt, relativ klar und deckt sich im Wesentlichen mit der Aufteilung in Vorschriften des StGB und solche der StPO. Es gibt aber einige Regelungen, die an der Schnittstelle zwischen formellem und materiellem Recht liegen bzw. für beide Felder Bedeutung haben. Dies sind zum einen die strafprozessualen Befugnisnormen für Zwangsmaßnahmen, welche materiell-rechtlich zugleich Rechtfertigungsgründe für bestimmte Eingriffe darstellen. Dies liegt am Wesen der materiell-strafrechtlichen Rechtfertigungslehre, welche mit Blick auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung und den für das materielle Strafrecht geltenden ultima ratio-Grundsatz davon ausgeht, dass Erlaubnisnormen aus anderen Rechtsbereichen immer auch rechtfertigend wirken: Was zivilrechtlich, polizeirechtlich oder aber eben auch strafprozessrechtlich erlaubt ist, kann materiell-rechtlich nicht zu einer Strafbarkeit führen. Eine Sonderrolle nimmt insoweit § 127 Abs. 1 StPO ein, da dieser nicht nur eine Befugnisnorm für die Strafverfolgungsbehörden, sondern eine Jedermannsbefugnis in Gestalt eines Festnahmerechts beim Ertappen auf frischer Tat enthält. Damit handelt es sich ausnahmsweise um einen strafprozessualen Rechtfertigungsgrund, auf den sich auch jeder Bürger berufen kann.
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Zum anderen sind im StGB Rechtsinstitute geregelt, die nicht mehr die Frage nach der Strafbarkeit und damit nach der Bewertung eines Verhaltens als tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft betreffen, sondern schon mehr mit der Verfolgbarkeit zu tun haben. Besonders deutlich ist dies bei den Regelungen über die Verjährung (§§ 78 ff. StGB) und über die Strafantragserfordernisse (allgemein geregelt in §§ 77 ff. StGB, als Strafantragserfordernis im Besonderen Teil etwa in § 123 Abs. 2, 230, 248a, 247, 303c StGB festgeschrieben). Der Eintritt der Verfolgungsverjährung bzw. das Fehlen eines Strafantrags führt dann im Strafverfahren auch nicht (wie das Fehlen der Tatbestandsmäßigkeit oder das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes) zu einem Freispruch, sondern stellt ein Verfahrenshindernis (bzw. eine fehlende Prozessvoraussetzung) dar. Dieses ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen und führt grundsätzlich zu einer Einstellung des Verfahrens.[131]