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6. Verfahren zur Wahrung der Verfassung
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Um praktische Wirksamkeit zu erlangen, bedürfen die verfassungsrechtlichen Bindungen einer prozessualen Absicherung bzw. Durchsetzbarkeit. Teilweise wird eine solche schon durch die Rechtsanwendung der Fachgerichte selbst gewährt. Daneben wird die Einhaltung des Verfassungsrechts aber auch durch das BVerfG gewährleistet,[112] insb. durch die Individualverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG (sowie daneben auch durch die Möglichkeit von hier nicht näher dargestellten und auch in der Praxis sehr seltenen konkreten Normenkontrollanträgen nach Art. 100 GG). Dabei ist die Individualverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG eine (auch im internationalen Vergleich bemerkenswerte) individuelle Möglichkeit des Bürgers, Rechtschutz gegen Grundrechtsverletzungen durch eine spezielle Instanz (und dabei auch gegen Akte der Legislative und der Judikative) zu suchen. Mit ihr kann nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG jedermann rügen, „durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein“. Im strafrechtlichen Instanzenzug ist die Verfassungsbeschwerde (obgleich die Rechtssache im Ergebnis im Falle ihrer Erhebung oft abschließend) kein zusätzliches Rechtsmittel[113] und insb. keine „Superrevisionsinstanz“[114], sondern nur eine zusätzliche verfassungsrechtsspezifische Rechtschutzmöglichkeit,[115] welche in ihrem Prüfungsumfang auf die „Verletzung spezifischen Verfassungsrechts“ beschränkt ist.[116] Statistisch sind die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde gering,[117] und in Relation zu diesen begrenzten Erfolgsaussichten ist ihre ordnungsgemäße Erhebung (und auch ansprechende Begründung) mit erheblichem Aufwand verbunden.[118]
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Unter den hier nicht im Einzelnen zu behandelnden Zulässigkeitsvoraussetzungen ist im Zusammenhang mit dem Strafverfahren insbesondere die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde von Interesse. In mittlerweile ständiger Rechtsprechung hat das BVerfG aus § 90 Abs. 1 BVerfGG diesen Grundsatz über die formelle Erschöpfung des Rechtswegs hinaus entwickelt. Danach ist erforderlich, dass im fachgerichtlichen Verfahren alle Bemühungen, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern oder auszuräumen, erfolglos geblieben sind.[119] Der Blick auf eine mögliche Verfassungsbeschwerde mit entsprechenden Argumenten schon bei der fachgerichtlichen Verteidigung steht zwar in einem gewissen Kontrast zu etwaigen Bemühungen um konsensuale Verteidigungsformen,[120] ist aber im Einzelfall unvermeidlich, um den Subsidiaritätsanforderungen zu genügen, und sollte an sich auch „emotional“ jedenfalls bei einer späteren Rechtssatzverfassungsbeschwerde nicht genuin die Strafverfolgungsbehörden treffen. Beispiele für Subsidiaritätsanforderungen[121] aus der Rechtsprechung des BVerfG sind etwa[122] die Ablehnung eines Richters,[123] die Erhebung eines Widerspruchs gegen die Beweisverwertung nach der „Widerspruchslösung“,[124] ein Antrag analog § 98 Abs. 2 S. 2 StPO gegen Maßnahmen nach § 81a StPO[125] oder die Erhebung einer Verfahrensrüge nach Maßgabe von § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bei überlanger Verfahrensdauer.[126] Bei einer Rüge der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG ist die Anhörungsrüge nach § 33a StPO besonders bedeutsam.