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1. Bedeutung des Verfassungsrechts

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Nicht erst[43] unter der Geltung des Grundgesetzes wurde schon früh betont, dass das Strafprozessrecht „angewandtes Verfassungsrecht“[44] oder aber ein „Seismograph der Staatsverfassung“[45] sei. In eine ähnliche Richtung – allerdings mit eher kritischer Konnotation – geht es, wenn Arzt vom Strafprozessrecht als „Kolonie“ des Verfassungsrechts spricht.[46] All diese Metaphern belegen die besondere Bedeutung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen – und zwar in verschiedenen Ausprägungen – für das Strafprozessrecht als einem Prototyp des staatlichen Eingriffsrechts mit besonders sicht- und greifbaren Grundrechtseingriffen.[47]

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Die Intensität dieser Diskussion und die starke verfassungsrechtliche Verankerung des Strafprozessrechts stärken vielfach die Beschuldigtenrechte, derer sich das BVerfG in zahlreichen Entscheidungen angenommen hat.[48] Die Wirkung ist aber durchaus ambivalent, da als ein mit verfassungsrechtlichen Weihen ausgestatteter Argumentationstopos umgekehrt auch die „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“ (vgl. näher unten Rn. 42) herangezogen wird, um Beschuldigtenrechte einzuschränken (bzw. zumindest um ihrer Erweiterung Grenzen zu ziehen). Auch erschweren die Auflösung der verfassungsrechtlichen Schranken in einfachgesetzliche Tatbestandsvoraussetzungen auf der einen und die vom Verfassungsrecht her in das Strafprozessrecht diffundierende Abwägungshypertrophie zum anderen die Rechtsanwendung.[49]

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Anknüpfungspunkte für verfassungsrechtliche Überlegungen können sich im Einzelnen ergeben mit Blick auf

die Grundrechte (und zwar sowohl auf die „materiellen“ Grundrechte der Art. 1 ff. GG, insb. im Ermittlungsverfahren bei eingriffsintensiven Ermittlungsbefugnissen, als auch auf die sog. Verfahrensgrundrechte),
verfassungsrechtlich fundierte strafverfahrensrechtliche Prozessmaximen (welche auch in der Rechtsprechung nicht nur als Kondensat des Prozessrechts, sondern gleichsam als Zwischenebene zwischen Verfassungsrecht und einfachem Gesetzesrecht behandelt werden[50]),
das Rechtsstaatsprinzip (dessen Ausprägungen den Grundrechtsschutz teils ergänzen, teils aber in Gestalt der „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“ auch Gegengewichte dazu bilden werden),
den Gesetzesvorbehalt (als weniger materiell als vielmehr formell ausgestaltete Grenze, nach h.M. freilich nicht in Gestalt des speziellen strafrechtlichen Gesetzesvorbehalts nach Art. 103 Abs. 2 GG, sondern „nur“ des allgemeinen Gesetzesvorbehalts für staatliche Grundrechtseingriffe) sowie auf
Verfahren zur Wahrung der Verfassung (die über die schon mit Blick auf Art. 1 Abs. 3 GG auch von den Fachgerichten im Prinzip vollumfängliche Pflicht zur Berücksichtigung der Grundrechte hinausgehen).
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