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c) Strafrechtsgestaltende Kraft des Prozessrechts
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Der Zusammenhang zwischen materiellem Recht und Strafverfahren dahingehend, dass Ersteres der Gegenstand des Zweiteren ist, liegt auf der Hand. Abhängigkeiten bestehen aber auch in der umgekehrten Richtung dahingehend, dass das Strafprozessrecht den Inhalt bzw. die Auslegung des materiellen Strafrechts maßgeblich beeinflusst. Dies ist leicht einsehbar, wo die materiell-rechtlichen Straftatbestände hinsichtlich ihrer Merkmale unmittelbar auf prozessuale Positionen bzw. Gegebenheiten abstellen, wie dies etwa bei den Aussagedelikten der Fall ist: Wer Zeuge ist, wann ein Gericht zur Abnahme eines Eides zuständig ist oder wohl auch, dass der Angeklagte keine Partei i.S. des § 154 StGB ist, ergibt sich aus dem Strafverfahrensrecht. Auch ob bzw. in welchen Verfahrenssituationen nicht nur der Strafrichter, sondern auch ein Staatsanwalt tauglicher Täter der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) sein kann, wird durch das Strafprozessrecht vorgeprägt, weil sich aus diesem ergibt, wann er überhaupt die Leitung bzw. Entscheidung einer Rechtssache im Sinne dieser Vorschrift innehaben kann.[132] Die Situationen schließlich, in denen eine unbefugte Mitteilung über Gerichtsverhandlungen nach § 353d StGB unter Strafe gestellt ist, werden durch das (nicht nur, aber auch Straf-) Verfahrensrecht und seine Institutionen bestimmt und an den (freilich wohl nur selten streitigen) Rändern näher konkretisiert.
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Ein besonders anschauliches Beispiel der strafrechtsgestaltenden Kraft des Strafprozessrechts bildet schließlich die Strafvereitelung nach § 258 Abs. 1 StGB: Die Abgrenzung, wann zulässige oder gar gebotene Strafverteidigung und wann unzulässige Strafvereitelung vorliegt, muss letztlich danach getroffen werden, welche Befugnisse ein Strafverteidiger prozessual hat. Insoweit ist § 258 StGB gleichsam strafprozessrechtsakzessorisch auszulegen und es spricht überdies viel dafür, dass (zumindest bei bloß fehlerhaften Prozesshandlungen, die aber noch innerhalb der strafprozessualen „Phänotypik“ liegen) auch das prozessrechtliche Reaktionsarsenal (Zurückweisung eines Antrags als unzulässig bzw. unbegründet; gegebenenfalls Einschränkung von strafprozessualen Befugnissen für die Zukunft) vorrangig ist und nicht sofort mit der Strafnorm des § 258 StGB reagiert werden sollte.