Читать книгу Todbringende Entscheidung - Mara Dissen - Страница 8
3. Kapitel
ОглавлениеMüde und abgekämpft stand Tanja am frühen Morgen vor ihrer Haustür und suchte hektisch in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. Zum wiederholten Mal durchwühlte sie die Seitentaschen, konnte sich nicht erinnern, in welchen Ecken des vollgestopften, überdimensionalen Beutels ihre Suchergebnisse bereits erfolglos verlaufen waren. Sie zwang sich, ihre fahrigen Bewegungen unter Kontrolle zu bringen, die Gedanken an das nächtliche Treffen mit Petra zu verdrängen. Es gelang ihr nicht. Sie war sich bewusst, dass die Ereignisse der letzten Nacht, sie weiter verfolgen würden, mit Verdrängung nicht ungeschehen zu machen waren. Wütend umklammerte sie den Boden des Beutels, drehte ihn schwungvoll und schüttelte den Inhalt auf den Fußabstreifer. Sekundenlang betrachtete sie regungslos das Sammelsurium, das sich vor ihren Füßen ausbreitete. Widerwillig ging sie in die Hocke, schob mit beiden Händen Unmengen von Schminkutensilien, Kugelschreiber, beschriebene und unbeschriebene Notizzettel, Geldbeutel, benutzte Taschentücher, ein halbes, angebissenes, hartes Brötchen, eine Kleinbildkamera ziellos zu immer neuen Häufchen zusammen.
„Scheiße, wo ist das Mistding nur?“; entfuhr es ihr leise. Erneut begann sie hektisch mit ihrer chaotischen Suche, betrachtete nachdenklich das Handy, das sie zusammen mit einem Päckchen Erfrischungsbonbons von einem Häufchen hob. Achtlos schmiss sie die Packung in das angrenzende Blumenbeet, reinigte das Display ihres Handys mit dem Jackenärmel, spreizte den Zeigefinger, um die Tastatur zu bedienen und hielt in der Bewegung inne. Es beunruhigte sie, dass sie Petra in der Nacht telefonisch nicht mehr erreicht hatte. Sie brauchte Gewissheit, in welchem Zustand Petra sich befand und würde im Wohnzimmer einen erneuten Versuch starten. Hastig steckte sie das Handy in ihre Jackentasche.
„Was machst du hier?“
Tanjas Kopf schnellte in die Höhe. Erschrocken starrte sie mit leicht geöffnetem Mund, was ihr ein dümmliches Aussehen verlieh, auf ihren Mann, der breitbeinig in der geöffneten Haustür stand.
„Ich suche meinen Hausschlüssel und kann ihn nicht finden“, nuschelte sie vor sich hin, während ihre Hände erneut den ausgebreiteten Inhalt ihrer Handtasche durchsuchten.
„Warum hast du denn nicht geklingelt? Ich mache dir doch die Tür auf. Da musst du doch nicht deinen ganzen Krempel hier auskippen. Komm, ich helfe dir hoch. Liebes, ich bin so froh, dass du wieder hier bist.“
Tanja richtete sich auf, betrachtete nachdenklich ihren Mann, schien ihn erst jetzt bewusst wahrzunehmen. Bruchstückhaft rief sie sich ihren Streit ins Gedächtnis, der durch Petras unsäglichen Auftritt in den Hintergrund gedrängt worden war. Verärgert trat sie gegen ihre Tasche, versuchte mit einem Ausfallschritt über deren Inhalt ins Hausinnere zu gelangen, nahm emotionslos in Kauf, dass ihr Absatz sich mit einem knirschenden Geräusch in den Schminkspiegel bohrte.
„Habe ganz vergessen, dass du zu Hause bist, dass Sonntag ist“, stammelte sie verwirrt, setzte ein gezwungenes Lächeln auf und versuchte, in dem Gesicht ihres Mannes zu lesen. Seine bohrenden Fragen und ihre ausweichenden Antworten vom Vortag standen wieder zwischen ihnen, ein Zustand, den sie unbedingt beenden wollte, nicht wusste, ob sie für aufwändige Verschleierungstaktiken nach der kräftezehrenden Nacht noch fähig war. Sie hoffte auf das immerwährende Harmoniebedürfnis ihres Mannes und wurde in ihrem Wunsch bestätigt.
„Komm schon her. Alles ist wieder gut. Du siehst ja grauenvoll aus. Lass das alles liegen. Ich sammle das gleich auf.“ Liebevoll nahm Claas seine Ehefrau in die Arme, hielt sie schweigend fest umschlungen, löste sich von ihr, umschloss mit beiden Händen ihr Gesicht und küsste sie zärtlich auf den Mund. Erleichtert ließ Tanja ihren Kopf auf seine Schulter sinken, spürte ihre Erschöpfung, die sich bleischwer in ihren Gliedern ausbreitete, wollte nur noch alle Gedanken ausschalten, schlafen, bis sie wieder zu klarem Agieren fähig sein würde.
„Ich bin so müde. Kannst du mich ins Bett bringen und ganz, ganz warm zudecken“, flüsterte sie ihrem Mann ins Ohr, fuhr mit einer Hand tastend über ihre Jacke, erhielt Gewissheit, dass sich das Handy noch in ihrer Tasche befand.
„Genauso machen wir das. Ich muss dir nur vorher noch etwas mitteilen“, weckte Claas erneut ihre Aufmerksamkeit.
„Na los“, stöhnte sie gequält auf und löste sich von seinem Körper. „Was ist denn so...“, endete der Rest ihres Satzes in einem Schrei, der an Hysterie nicht zu überbieten war.
Der Stoß, den sie ihrem Mann verpasste, war heftig, verriet ihr Entsetzen, brachte ihn aus dem Gleichgewicht, ließ ihn gegen die Garderobe stolpern. Wie von Furien gehetzt raste Tanja durch den Flur und blieb in der weit geöffneten Wohnzimmertür wie angewurzelt stehen.
„Was ist hier los?“, brachte sie mit gepresster Stimme hervor. Jedes einzelne Wort gefährlich leise, überdeutlich akzentuiert ausgestoßen, versetzte sie Claas in allerhöchste Alarmstellung.
„Du bist heute früher gekommen als sonst nach der Nachtschicht. Du hattest doch Nachtschicht, oder? Ich wollte gerade alles wieder in Ordnung bringen, na ja, wegräumen eben. Ich hab es einfach nicht mehr geschafft“, bemühte sich Claas um eine Antwort, die seine Unsicherheit überspielen sollte. Mit hängenden Schultern näherte er sich seiner Frau, knetete nervös seine Hände, widerstand es, Tanja zu berühren. Es entstand eine unheilvolle Stille, die mit jeder Sekunde stärker an Class Nerven zerrte.
„Ich warte auf eine Erklärung.“ brachte Tanja mit Eiseskälte hervor. Im Zeitlupentempo streckte sie ihren rechten Arm aus, ließ ihn von der rechten Wohnzimmerseite zur linken wandern, um ihn dann kraftlos wieder sinken zu lassen. „Warum sind hier alle Schränke durchwühlt, ist der Teppich aufgerollt, Schubfächer, Regale geleert? Was macht das alles auf unserem Parkett?“, schrie sie ihre Worte laut und unerwartet kräftig heraus.
„Nun beruhige dich doch. Ich erkläre dir das alles. Lass uns doch vernünftig darüber reden. Sei bitte nicht so böse, so schrecklich wütend, das verkrafte ich einfach nicht, nach allem was..., ach, vergiss es. Ich habe etwas gesucht, war gerade fertig. Du bist einfach zu früh, hättest davon sonst gar nichts mitbekommen. Lass mich das...“
„Ich bin also zu früh, wieder mal zu früh“, schnitt Tanja ihm seine Worte ab, sog geräuschvoll Luft durch die aufeinander gepressten Zähne ein, hatte genug Sauerstoff aufgenommen, um ihrem Mann mit Brachialgewalt zerstörerische Sätze entgegen zu schleudern. „Was hast du denn gesucht? Hat sie sich hier versteckt, deine Geliebte? Jammerst du deshalb wie damals? Du bist zu früh, du bist zu früh? Keine Angst, so doof bin ich nicht, dass ich glaube, dass sie unter dem Teppich liegt. Dann war sie wohl schon eher auf dem Teppich mit dir.“ Sichtlich erschöpft ließ sich Tanja auf das Sofa fallen. Claas machte ein paar Schritte auf sie zu.
„Bleib wo du bist“, wurde er durch ihren messerscharf herausgepressten Satz zurückgehalten.
„Lass das doch bitte ruhen. Kannst du denn diese alte Geschichte nicht endlich vergessen. Wir versuchen doch beide, an unserer Ehe festzuhalten. Wir können doch nicht immer wieder mit dem gleichen Mist von vorne anfangen. Hilft es dir, wenn ich dir sage, wer es war, mit wem ich dich damals betrogen habe, wessen Sachen du morgens nach der Arbeit vorgefunden hast. Du wolltest es doch immer nicht wissen. Überleg doch noch einmal. Vielleicht hilft es dir doch. Und wenn nicht? Du hast doch auch Geheimnisse.“ Claas ließ sich vor seiner Frau auf die Knie sinken, widerstand dem Drang, ihre Beine zu umfassen, nahm das Bild eines jämmerlich flehenden, verzweifelten Mannes in Kauf.
„Was hast du nun hier im Wohnzimmer gesucht?“ Tanjas Stimme klang schwach. Es war nur schwer auszumachen, ob sie von Gleichgültigkeit oder Müdigkeit beherrscht wurde. Endlos erscheinende Minuten verstrichen. Claas richtete sich wieder auf, kaute an seiner Unterlippe, kratzte sich am Hinterkopf und drehte seiner Frau den Rücken zu.
„Kämpfst du damit, mir die Wahrheit zu sagen, oder fällt dir keine passende Ausrede ein? Dreh dich bitte um und schau mir ins Gesicht“, beendete Tanja das nicht enden wollende Schweigen, mit einer Stimme, die an Festigkeit gewonnen hatte. Schlaff herunterhängende Mundwinkel, halb geschlossene Augenlider und eine erstorbene Gestik ließen jedoch erahnen, dass sie echtes Interesse an einer ehrlichen Antwort verloren hatte. Unvermittelt spannte sich ihr zusammengefallener Körper. Sie sprang auf, stand mit wenigen Schritten vor ihrem Mann, packte ihn bei den Schultern, ließ ihre Hände sodann an seinen Kopf schnellen, zwang ihren Mann, in ihr angstverzerrtes Gesicht zu sehen.
„Warst du auch im Keller? Los, sag es mir. Hast du auch im Keller, was auch immer, gesucht?“, schrie sie ihn mit einer sich überschlagenden Stimme an.
Panik hatte von Tanja Besitz ergriffen. Claas betrachtete seine Frau ungewohnt distanziert, umfasste ihre Handgelenke und befreite seinen Kopf aus der Umklammerung. Tanja vollführte eine halbe Drehung, wobei sich ihr Schuhabsatz in dem aufgerollten Teppich verfing, ruderte mit den Armen, fand ihr Gleichgewicht und hastete keuchend auf den Flur. Mit beiden Händen riss sie die Kellertür auf, die laut knallend an der Flurgarderobe anschlug. Ohne den Lichtschalter zu betätigen, eilte Tanja, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter.
„Mach dir doch wenigstens Licht. Dann findest du vielleicht eher, was du so dringend suchst. Wirst es aber trotzdem nicht finden“, murmelte Claas leise vor sich hin, ohne sich bewusst zu werden, wie unlogisch sein Monolog auf Fremde klingen musste. Mit einem tiefen Seufzer lehnte er sich an den Rahmen der Kellertür. Müde fuhr er über sein Gesicht, konnte jedoch die Spuren der maßlosen Enttäuschung nicht verwischen. Seine Körperhaltung signalisierte Unsicherheit, gepaart mit Wachsamkeit, die die erforderliche Stärke in ihm wachhielt.
„Okay, du hast gesiegt. Ich werde es für mich behalten.“ Sein Selbstgespräch klang wie das Ergebnis eines langen inneren Kampfes, der mit Resignation beendet wurde. Schneller als erwartet stürmte Tanja wieder die Kellertreppe hoch.
„Warum hast du dir denn kein Licht gemacht? Du konntest doch gar nichts sehen, und wieso bist du schon wieder oben? Hast du was gesucht? Dafür hast du dir doch gar keine Zeit genommen“, empfing Claas seine Frau lauernd.
„Brauche auch keine Zeit. Hab gesehen, dass du da unten nicht so ein heilloses Durcheinander wie hier oben angestellt hast“, schubste sie ihn ungehalten zur Seite.
„Das hätte ich dir auch sagen können, hättest dir den Weg ersparen können. Ich habe eine Akte gesucht, die ich aus der Bank mit nach Hause genommen habe. Die habe ich ja schließlich nicht in den Keller geschleppt. Ich war also gar nicht im Keller.“ Tanja war bereits einige Schritte an ihm vorbeigeeilt und konnte die verräterischen roten Flecken in seinem Gesicht, die ihn stets der Lüge überführten, nicht mehr sehen.
„Ne Akte? So, so. Unter unserem Wohnzimmerteppich? Eine Akte“, äffte Tanja ihren Mann nach und schien das Interesse an einer Aufklärung endgültig verloren zu haben. Sie glaubte, sich davon überzeugt zu haben, dass von ihrem Mann keine Gefahr ausging.
„Natürlich nicht. Da, da habe ich Wasser ausgeschüttet, als ich das Regal putzen wollte, wo, wo es doch schon einmal ausgeräumt war“, stotterte Claas und mied den Blickkontakt mit seiner Frau.
„Lass gut sein. Streng deinen Kopf nicht unnötig an. Ich glaube dir sowieso nicht. Ich gehe jetzt ins Bett. Sieh zu, dass du hier Ordnung schaffst. Nein, ich will auch heute nicht wissen, wer damals deine Auserwählte war. Bringt doch nichts. Versuchen wir es also weiter. Du bist schon ein komischer Vogel“. Mit leicht nach oben gezogenen Mundwinkeln, was ein Lächeln erahnen ließ, schaute sie sich kopfschüttelnd ein letztes Mal im Wohnzimmer um, näherte sich der Schlafzimmertür, blieb unschlüssig stehen und verschwand im Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen.
>Sie hat wirklich keine Ahnung. Nur dieses kurze Aufflackern mit dem Keller. Reduziert alles auf meine verdammte, stinklangweilige, längst verjährte Affäre<, sinnierte Claas, und begann mit den Aufräumarbeiten, bevor Zweifel über seine Entscheidung Besitz von ihm ergreifen konnten.
Tanja ließ sich auf das Ehebett fallen, schleuderte ihre Schuhe von den Füßen und fischte das Handy aus ihrer Jackentasche. Ihre Hände zitterten, als sie Petras Nummer wählte. Gebannt starrte sie auf die Zimmertür. Den Gedanken, die Tür abzuschließen, hatte sie verworfen. Es schien ihr gefährlich, noch weiteres Misstrauen bei ihrem Mann zu schüren. Ihre Anspannung wuchs ins Unerträgliche, als das Rufzeichen ertönte. Sie zuckte zusammen, als sich Petra bereits mit dem zweiten Rufton meldete.
„Du bist aber schnell. Läufst du mit deinem Handy in der Hand durch deine Wohnung? Heute Nacht konntest du dich doch kaum bewegen. Warum bist du in der Nacht nicht dran gegangen?“, atmete Tanja erleichtert auf.
„Weil ich geschlafen habe, meine Liebe. Das machen anständige Leute mitunter, aber zu denen zählst du ja nicht“, kicherte Petra drauf los.
„Sag mal, geht’s noch? Da machst du mich verrückt, willst mich unbedingt persönlich sprechen, ohne Wenn und Aber. Bringst mir nur unangenehme Fragen auf der Arbeit ein, und jetzt hupfst du vor Übermut aus der Kiepe. Ist wieder alles okay mit dir? Jetzt sag endlich, bevor mein Mann hier ins Zimmer kommt.“ Tanja war versucht, den Anruf wutentbrannt wegzudrücken, wusste jedoch, dass sie sich das nicht erlauben durfte.
„Ja, es geht mir viel besser. Hab noch mal ’ne extra Dosis von diesen glücksbringenden, schmerzauflösenden Pilleken genommen. Solltest du auch mal probieren, aber dir gelingen Verwandlungen ja auch ohne Hilfsmittel. Also pass auf. Er kommt morgen wieder. Vielleicht ja auch schon heute, am Sonntag. Ich glaube nämlich, der kann mich ab. Nur deshalb taucht er immer wieder bei mir auf. Ist doch wirklich Blödsinn, dass ich mich so verrückt mache. Ich rede mir jetzt einfach ein, dass der mit mir nur, na, du weißt schon.“ Petra unterbrach ihre Rede mit einem aufreizenden, ordinären Lachen. „Du musst dir überhaupt keine Gedanken machen. Ich habe mir vorhin, du weißt schon, mit meinen Glückspillchen, überlegt, dass er mir gar nichts anhaben kann. Außerdem hast du mir die Nacht gut getan, also der Blick in deine Augen“, untermauerte sie ihre Aussage mit einem aufreizenden Lachen. „Sei dir aber nicht zu sicher, ich weiß, wozu du fähig bist. Du wirst mich nicht los“, fuhr sie ernst mit leicht drohendem Unterton fort. „So, das war’s. Muss mich wieder ein bisschen hinlegen, fahre nämlich nachher zum Kegeln.“ Wieder wurde das Gespräch, dieses Mal von einem kehligen, kurzen Lachen, unterbrochen. „Nein, nein, ich spiele natürlich nicht selber. Wie denn? Kriechend auf allen Vieren? Muss nur die Männertruppe bei Laune halten. Sozusagen als Maskottchen. Die lieben das genauso wie ich. Also, mach dir auch einen schönen Tag. Wenn ich so einen gut aussehenden Mann hätte wie du, würde mir schon was einfallen.“
„Halt, hör mir zu“, rief Tanja entsetzt, lauter als beabsichtigt. Du kannst jetzt nicht auflegen. Du bist ja total angetörnt. Da passieren Fehler. Du reißt mich da mit rein. Das ist für keine gut.“
„Freu dich doch, dass ich wieder die Alte bin, das wolltest du doch und mach dir keine Sorgen, den wickele ich um den Finger, spüre ich im Urin.“
Sekundenlang starrte Tanja auf das Handy in ihrer Hand, bis sie endgültig registrierte, dass die Verbindung tot war. Langsam zog sie ihre Jacke aus, faltete sie in Zeitlupentempo zusammen und legte sie auf einem Stuhl ab. Sie verzichtete darauf, mit ihrem Rock genauso zu verfahren und kroch mit den Kleidungsstücken unter die Bettdecke. Am ganzen Körper vor Aufregung zitternd tastete sie mit den Augen die Zimmerdecke ab, fand das Spinnennetz, das sie gesucht hatte und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Zählen der dort gefangenen Kleintiere. Von den Tränen, die ihr haltlos über die Wangen liefen und ihr Kopfkissen benässten, nahm sie keine Notiz.
Claas öffnete lautlos die Schlafzimmertür und näherte sich vorsichtig dem Bett. Tanja lag auf dem Rücken, die Bettdecke zurückgeschlagen, der Rock auf den Oberschenkeln verrutscht und gab leise Schnarchgeräusche von sich.
Lächelnd beugte sich Claas über seine Frau und küsste sie zart auf die Wange. Tanja schreckte sofort auf und schoss in die Höhe. Claas konnte seinen Kopf noch rechtzeitig in Sicherheit bringen, was beide zu einem spontanen, seit längerem mal wieder ungezwungenen Lächeln veranlasste.
„Habe ich lange geschlafen?“
„Das kann man wohl sagen. Es ist fünfzehn Uhr. Ich dachte, ich wecke dich jetzt mal. Bernd hat vorhin angerufen. Corinna und er möchten gegen siebzehn Uhr gerne vorbei kommen. Sie wollen sich doch beruflich verändern und so. Ich habe gesagt, dass ich erst mit dir reden muss, ob dir das heute passt.“
„Ja, ist schon gut. Ich glaube, ein bisschen Ablenkung tut uns beiden heute auch gut. Ich stehe auf, muss mich ja auch mal duschen.“
„Dann habe ich ja alles richtig gemacht. Im Wohnzimmer steht Kuchen. Habe ich selbst gebacken, Versöhnungsgeschenk“, lächelte er seine Frau zusehends selbstsicherer an und registrierte wohlwollend, dass sie sein Lächeln erwiderte.