Читать книгу Fettnäpfchenführer Island - Marc Herbrechter - Страница 15
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HYGIENE IN SCHWIMMBÄDERN
MAX DER DUSCH-BARBAR
Nach einem langen und harten Arbeitstag fragen die Kollegen Max, ob er mit ins Schwimmbad kommen möchte. »Sport? Nach dem Pensum von heute? Nein, takk!«, entgegnet Max mit zusammengezogenen Augenbrauen und gerümpfter Nase. Er konnte sich nicht für einen von beiden Gesichtsausdrücken entscheiden, und so kommt es zu diesem Troll-Look.
Ásgeir lacht, weil Max ein Gesicht wie ein Autounfall macht. Aus der Werkstatt streckt Siobhan ihren Kopf herein. Siobhan ist die Leiterin der Tauchabteilung und kümmert sich neben der Planung der Touren auch um die Logistik und das Equipment. Max hat großen Respekt vor ihr, denn diese Aufgabe ist sehr komplex und erfordert oft Nerven wie Drahtseile. Doch die Kollegin hat ihren Job nicht nur locker im Griff, sondern wartet auch mit einem enormen Erfahrungsschatz in Bezug auf das Tauchen auf. Niemand im Shop weiß mehr über den Sport als die junge Frau aus Belgien, die in England aufgewachsen und nun seit einigen Jahren in Island zu Hause ist.
Zeitgleich sagen sie und Ásgeir: »Im Schwimmbad gibt es auch Hot Pots, da kann man wunderbar entspannen.« In der Aussage der Kollegen verbergen sich gleich mehrere dreiste Lügen, doch Max wird von der Vorstellung warmen Wassers eingelullt und willigt ein. Gemeinsam entladen sie die kleinen Busse, mit denen sie die Touristen und das Tauchequipment jeden Tag in den nahe gelegenen Nationalpark fahren. Der heutige Tag war nicht nur besonders lang, sondern auch besonders schwer: Auf dem Hinweg gerieten sie in einen Schneesturm und kamen kurz von der Straße ab, dann musste Max nach seiner Schicht an Land später noch eine im Wasser machen, weil es einem Kollegen nicht gut ging. Max ist zwölfstündige Arbeitstage gewohnt, allerdings in seinem körperlich anspruchslosen Bürojob.
Als alle Schwimmflossen an die Wand gehängt, alle Luftflaschen aufgefüllt und die Taucherbrillen samt Schnorcheln desinfiziert und verstaut sind, stellt Max sich bereits vor, wie er genauso schlapp wie einer dieser Taucheranzüge, die von der Decke baumeln, im Wasser liegen wird und die Hitze in sich aufsaugt. Er geht nach Hause, um zu duschen und seine Badehose zu holen. Als es klingelt, kann er gerade noch eine frisch aus dem Toaster gesprungene Scheibe Brot in sich hineinstopfen, rasch die Tasche über die Schulter werfen, und dann geht es los. »Wir fahren zum Strand!«, kündigt Siobhan an, und Max denkt sich: Strand!?
Vor Ort muss Max feststellen, dass seine Kollegin nicht gelogen hat: Sie parken nur wenige Hundert Meter vom Meer entfernt. Hinter einem Gebäude sieht man Dampf aufsteigen. Immerhin!
Als sie einmal um das Gebäude herumlaufen, stehen sie vor einem großen, langen Becken aus Beton, in dem sich offenbar sehr heißes Wasser befindet. Das Becken ist nur etwa vierzig Zentimeter tief, sodass man sich schon hineinlegen muss, um auch oberhalb der Knie warm zu werden. Kein Problem für Max, liegen bekommt er heute gut hin. Gegenüber vom Becken liegt tatsächlich der Strand, und zu seinem Erstaunen plantschen sogar einige Menschen im Meer. Dabei kann das Wasser nicht viel wärmer als fünf bis zehn Grad sein, und der Sand ist unter dem Schnee bestenfalls zu erahnen. Max schaut sich mit großen Augen um und sieht rings um sich herum viele breit grinsende Gesichter.
Voller Erwartung geht Max also in die Umkleidekabine, wo er sich rasend schnell auszieht. Die Badehose hatte er bereits zu Hause angezogen und ist deshalb als Erster fertig. Da die Kabinen offen und somit der eiskalten Luft ausgesetzt sind, läuft Max sofort in Richtung Hot Pot. Er bemerkt nicht, dass ihm misstrauische und kritische Blicke folgen.
Einmal am Becken angekommen, verlangsamt Max seinen Lauf und steigt langsam und behutsam in das Becken mit dem heißen Wasser. Als er sich gerade hinsetzen will und bereits das warme Nass an seinem Hinterteil spüren kann, greifen ihn zwei Hände unter den Achseln und ziehen ihn langsam, aber kräftig nach oben. »Entschuldigung, er ist nicht von hier …«, sagt Ásgeir, und in diesem Moment erst fallen Max die schockierten Gesichter der bereits im Pool sitzenden Isländer auf. »Ihr Festland-Europäer seid echt Barbaren!«, sagt Ásgeir augenrollend und führt Max zurück in Richtung Umkleidekabine.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Max hat sich offensichtlich nicht mit dem Hot-Pot-Knigge in Island vertraut gemacht. Eine der Regeln darin: Wir duschen uns, bevor wir baden gehen – nackt und mit Seife!
Auch wenn er kurz zuvor zu Hause geduscht hatte, sich in keinster Weise schmutzig fühlte und es vermutlich auch gar nicht war, nahmen die Isländer den Umstand, dass er komplett trocken und ohne einen Tropfen Wasser an Körper oder Haaren in den Hot Pot steigen wollte, als Signal: Der hat sich nicht gewaschen!
Gerade in Deutschland ist es vielerorts gang und gäbe, vor dem Baden nicht oder nur mit klarem Wasser und in Badesachen zu duschen. Das Wasser in den meisten Schwimmbädern ist ohnehin so stark mit Chlor versetzt, dass Keime und Bakterien keinerlei Überlebenschance haben. Nicht so in Island: Hier wird in Schwimmbädern sehr wenig oder gar kein Chlor eingesetzt. Dafür wird das Wasser regelmäßiger ausgetauscht, denn Wasser gibt es ja in Massen. Vor allem aber ist die Chlorbelastung niedriger, weil man sich kulturell vor vielen Jahren darauf verständigt hat, vor dem Baden zu duschen. Das hat vor allem mit den natürlichen heißen Quellen zu tun. Diese sind überhaupt nicht behandelt, weder mit Chlor noch sonstigen Chemikalien, und in vielen kann das Wasser gar nicht oder nur sehr langfristig ausgetauscht werden. Man wollte also sicherstellen, dass mit der steigenden Anzahl von Menschen das Risiko der Verschmutzung nicht ebenso zunahm.
In den letzten Jahren mussten leider ein paar natürliche heiße Quellen geschlossen werden, weil diese dem Besucheransturm nicht standhielten. Zum einen, weil viele sich eben nicht an diesen Knigge hielten, zum anderen, weil sich schlicht und einfach zu viele Menschen im heißen Wasser dieser kleinen Quellen rekeln wollten.
Was können Sie besser machen?
Vor dem Hintergrund, dass die Isländer bereits einige ihrer geliebten heißen Quellen aufgeben mussten, ist es besonders wichtig, als Besucher des Landes zu zeigen, dass man sich mit den Gepflogenheiten hier vertraut gemacht hat und diese respektiert. In Bädern ist es üblich, vor dem Baden zu duschen: ohne jegliche Kleidung, mit Seife und besonders gründlich.
Wer sich nicht gern vor anderen auszieht, findet in den meisten Duschen abgetrennte Kabinen. Sollten diese nicht vorhanden sein, ist das leider keine Entschuldigung, nicht zu duschen. Eventuell kann das Servicepersonal weiterhelfen, oder man sucht sich schlicht ein anderes Schwimmbad aus.
Besonders heikel wird es bei den natürlichen heißen Quellen. Viele haben keine Duschen vor Ort, und entsprechend kann man auch nicht erwarten, dass direkt vor dem Baden geduscht wird. Einige sind auch nur durch kleine Wanderungen zu erreichen, und wer wandert, der schwitzt. Auch das weiß man in Island und kann damit leben. Diese Quellen werden teilweise überwacht, und die Wasserqualität wird geprüft. Teilweise auch nicht.
Was kann man nun tun? Mit gesundem Menschenverstand baden gehen und die heißen Quellen nicht als Badewanne missbrauchen! Wer sich zur Entspannung in einen Hot Pot setzt, wird erst mal keinen Schaden anrichten. Wer statt der Dusche am Campingplatz, die im Normalfall ein paar Euro kostet, den Hot Pot zum Baden missbraucht, sollte sich jedoch überlegen, ob er oder sie in Island richtig ist.
WELLNESS IM WASSER
Die heißen Quellen in Island haben eine lange Tradition: Schon die ersten Siedler im 10. Jahrhundert nutzten das geothermisch aufgeheizte Wasser, um sich darin aufzuwärmen. Doch auch in gesellschaftlicher Hinsicht nehmen die Hot Pots einen besonderen Stellenwert ein, denn hier trifft man sich, um über das Tagesgeschehen zu sprechen. Was dem Deutschen der Stammtisch ist dem Isländer das Bad in der heißen Quelle, könnte man sagen.
Man kann in Island zwischen natürlichen heißen Quellen und Schwimmbädern unterscheiden. Während natürliche heiße Quellen oft von Privatleuten oder Gemeinden für eine kleine Zahl von Besuchern erbaut wurden, verkraften Schwimmbäder meist auch größere Mengen an Menschen. Der Besuch einer heißen Quelle sollte also etwas Besonderes sein und mit besonderer Umsicht erfolgen.
Die meisten Schwimmbäder im Land sind Freiluftbäder, doch das Wasser wird durchgängig erhitzt. Dazu nutzt man das heiße Wasser aus dem Boden. Auf diese Weise schwimmt man in frischem Wasser, das kostenfrei erwärmt wird.
Bei den meisten heißen Quellen handelt es sich um kleine, stehende Gewässer, in die das heiße Wasser aus einer nahe gelegenen heißen Quelle, also direkt aus dem Boden zugeleitet wird. Das Wasser riecht daher oft mehr oder weniger stark nach Schwefel.
Eine besondere Stellung nimmt die Blaue Lagune ein. Ursprünglich eine kleine Pfütze in einem Lavafeld, ist hier mittlerweile ein erstklassiges Spa und die wohl meistbesuchte Sehenswürdigkeit des Landes entstanden. Die Blue Lagoon liegt direkt am Flughafen und kann sogar bei kurzen Stopover-Flügen besucht werden. Sie speist sich aus einer Mischung aus Meerwasser, das über unterirdische Tunnel im Lavafeld landet, und Wasser aus dem nahe gelegenen Geothermiekraftwerk, also Abwasser. Aber keine Sorge, das Wasser wird im Kraftwerk ebenfalls ausschließlich zur Erwärmung genutzt und danach, wenn es an Hitze verloren hat, in die Blaue Lagune gepumpt. Dadurch erneuert sich das Wasser hier alle 24 Stunden. In der Zwischenzeit mischt es sich mit dem Wasser aus dem Atlantik, das reich an Algen ist. In Kombination mit den Silikaten entsteht hier eine gesunde Mischung, auf die vor allem jene schwören, die unter Hautkrankheiten wie Schuppenflechte leiden. Diese heilsame Wirkung hatte ein Isländer entdeckt, der regelmäßig durch das spitze Lavagestein zu diesem speziellen Ort kam, noch lange bevor er zum Besuchermagneten wurde.