Читать книгу Spiegelbild der Gesellschaft - Marc Lindner - Страница 9
Dorfeinfahrten
ОглавлениеOft scheiden sich die Geister dabei, wie die Verkehrsregeln eingehalten werden sollen. Grob kann man unter aktiven und passiven Systemen unterscheiden. Wobei aktiv jene Maßnahmen sind, die Individuen einzeln kontrollieren und bestrafen können, das heißt mobile oder fixe Radarkontrollen.
Passive Systeme meinen jene Maßnahmen, die ohne Mensch oder Technik auskommen. Sie werden einmal errichtet und beeinflussen sodann den Verkehr. Das können Hindernisse, wie etwa Rampen sein, Verengungen oder eine Umlenkung der Fahrspur mittels Verkehrsinseln. Sie messen und kontrollieren nichts und sie bremsen auch nicht zwangsläufig den Verkehr, aber sie verleiten den Fahrer dazu sein Tempo zu reduzieren.
Diese drei passiven Systeme werden zunehmend in Dorfeingängen vorgesehen, weil sie dort helfen sollen Raser auszubremsen, sodass diese in einem angemessenen Tempo in das Dorf hineinfahren. Natürlich verhindert es nicht, dass die Autofahrer hinter der Vorrichtung erneut beschleunigen und andere Verkehrsteilnehmer und Anwohner gefährden.
Es geht dabei aber nicht um eine 100 %-ige Sicherheit. Mutwillige Raser wird es nicht vom zu schnell in den Dörfern fahren abhalten. Aber jene Bleifüße, die aus Gewohnheit oder aus Unaufmerksamkeit zu schnell fahren, werden ausgebremst und sie werden verleitet, bewusster durch das Dorf zu fahren. Es verringert die Chance, dass sich mit 90 km/h ins Dorf „ausrollen“ gelassen wird.
Hierbei sollen zwei Systeme behandelt und aufzeigen werden, wie schnell Ziele aus den Augen verloren werden, wenn sich auf ein Aspekt konzentriert wird.
Im Bild unten aufgezeigt sind zwei Alternativen zur unbehinderten Dorfeinfahrt. Nämlich eine aufgezwungene Biegung mit einer Begrünung in der Mitte und eine Fahrbahnverengung. Beide Systeme werden als „sicherheitssteigernd“ propagiert, weil sie entschleunigend auf den Verkehr wirken. Als kleine Randnotiz, weil es nicht im Fokus dieses Textes ist, Biegungen wirken immer auf jeden Verkehrsteilnehmer, während Verengungen nur dann Wirkung zeigen, wenn Gegenverkehr da ist. Ist bei der Verengung zu erkennen, dass Gegenverkehr anrollt, besteht gar der Anreiz zu beschleunigen, um der Wartezeit beim Stehenbleiben zu entgehen.
Betrachten wir beides aber nun einmal energetisch. Ziel ist es, dass im Dorf die Verkehrsteilnehmer nicht schneller als circa 50 km/h sind. Biegungen können das systematisch erreichen – Verengungen nicht. Hier muss – und sei es auch nur vorsichtshalber – ein Teilnehmer stehen bleiben und deshalb auf 0 km/h abbremsen, warten und erneut beschleunigen, wenn Gegenverkehr vorherrscht. Dieses Abbremsen und Beschleunigen stellt den Mehrverbrauch dar, der der Verengung angelastet werden muss. Die Biegung hat dem gegenüber ein Mehrverbrauch von näherungsweise 0 aufzuweisen, da der Umweg vernachlässigbar klein ist und kein Abbremsen auf unter 50 km/h notwendig macht.
Nehmen wir jetzt an, dass am Tag 2 000 Autos durch dieses Dorf fahren und jedes 4. Auto stehen bleiben muss. Dies wiederholt sich 250 Tage im Jahr.
Dann geht beim Bremsen pro Tag 18,8 kWh an Bewegungsenergie verloren. Im Jahr sind das 4 687 kWh. Diese Energie muss beim Beschleunigen wieder aufgebaut werden, allerdings hat ein Auto einen Wirkungsgrad von circa 30 %. Also werden 15 625 kWh an Treibstoff benötigt, also 1 736 Liter Benzin pro Jahr. Das entspricht dem Benzinverbrauch eines Autos das 28 935 km fährt und das schlicht wegen eines Planungsfehlers.
In dieser Energieverschwendung ist aber noch vieles nicht berücksichtigt. (siehe Bremsvorgang, Seite 81)
Wenn sie also sehen, dass so ein Unfug gebaut wird/wurde, dann wissen sie, dass dort einer am Planen war, der von unserem Ziel als Gesellschaft keine Ahnung hat und stur einen Parameter verbessern wollte und dabei kein Interesse für etwas vergeudet, das nicht auf seinem Schreibtisch liegt oder seiner Verantwortung unterliegt. Es stellt sich die Frage, warum so etwas erlaubt ist, denn es gibt keinen Grund, der dafür spricht, Verengungen einer Verkehrsinsel vorzuziehen.