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1 Begriffe des Rechnungswesens 1.1 Begriffe des Rechnungswesens

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Zentrale Bestandteile des Informationssystems eines Unternehmens sind das Rechnungswesen und – als dessen wichtigster Zweig – die Buchführung, beide mit der Aufgabe, systematisch Daten zur Information zu erfassen und planmässig zu ordnen.

Der schweizerische Gesetzgeber verwendet den Ausdruck der kaufmännischen Buchführung (z. B. 32. Titel OR 957-964, KAG 87, MWSTG 70) als auch jenen des Rechnungswesens (OR 716a I, Ziff. 3) oder in besonderen Erlassen, wie z. B. im Personenbeförderungsgesetz 2009 (PVG 35), der entsprechenden Verordnung des UVEK 2011 über das Rechnungswesen der konzessionierten Unternehmen (RKV) sowie in der Verordnung über das Rechnungswesen des ETH-Bereiches.

Das Rechnungswesen eines Unternehmens umfasst die Ermittlung, Aufbereitung und Darstellung von in Geldeinheiten gemessenen wirtschaftlichen Zuständen zu einem Zeitpunkt und von Vorgängen eines Zeitraumes.1

Der Begriff der Rechnungslegung wurde erstmals im Aktienrecht 1991 (aOR 662a) erwähnt, in OR 960 im Anhang des Rechnungslegungsrechts definiert und in verschiedenen Spezialgesetzen (Bankengesetz, Versicherungsaufsichtsgesetz) eingeführt. Er bezieht sich nicht mehr nur auf die Aktiengesellschaft und die GmbH, sondern neu auf alle buchführungspflichtigen Unternehmen.

Im Bundessteuerrecht (DBG 18 III) und der Mehrwertsteuerverordnung 2014 (MWSTV 21) hingegen wird die in der Praxis übliche Bezeichnung Buchhaltung (Finanzbuchhaltung, Betriebsbuchhaltung) gebraucht. Es stellt sich deshalb die Frage, ob diese Ausdrücke unterschiedliche Inhalte bezeichnen oder synonym zu verwenden sind. Theorie und Praxis betrachten das Rechnungswesen als Oberbegriff.

Der Begriff des Unternehmens ist ein Sammelbegriff für alle nach Rechnungslegungsgesetz buchführungs- und rechnungslegungspflichtigen Einheiten, ungeachtet ihrer Rechtsform.2 Eine unternehmerische Tätigkeit im eigentlichen Sinne muss damit nicht verbunden sein.3

Der Begriff des Unternehmens ist vor allem für Einzelunternehmen und Personengesellschaften von Bedeutung, insbesondere wegen der im Steuerrecht relevanten Trennung von Geschäftsvermögen (= Unternehmensvermögen) und Privatvermögen (DBG 18 II). Angesichts der Vielzahl von Unternehmen mit unterschiedlicher Grösse und Komplexität stellt das Rechnungslegungsrecht, ungeachtet der gesetzlichen rechtsformneutralen Regelung, differenzierte Anforderungen, indem einerseits kleineren Unternehmen (vor allem Mikrounternehmen)4 Erleichterungen ewährt werden, andererseits grössere Unternehmen strengere Vorschriften zu beachten haben (OR 961-961a).

Hierbei ist zwischen betriebswirtschaftlichem und öffentlichem Rechnungswesen zu unterscheiden. Innerhalb des betriebswirtschaftlichen Rechnungswesens lassen sich die Gebiete nach unterschiedlichen Kriterien gliedern:

• nach der Blickrichtung: Vergangenheits- oder Zukunftsrechnungen,

• nach dem Gegenstand: Zeitraum-/Perioden- oder Zeitpunktrechnungen,

• nach der Organisation der Durchführung: Regelmässige oder fallweise Rechnungen,

• nach den Informationsadressaten: Internes oder externes Rechnungswesen.

Das externe Rechnungswesen richtet sich an die Adressaten des Rechnungswesens ausserhalb des Unternehmens. Es wird durch rechtliche Normen und Empfehlungen (Standards) von Fachorganisationen beeinflusst und ist vergangenheitsorientiert ausgerichtet. Es umfasst:

• die Buchführung (OR 957a): Sie ist eine Vergangenheitsrechnung über Geld, Güter und Leistungen einer Wirtschaftseinheit. Die Buchführung ist eine Zeitpunkt- und Periodenrechnung und stellt die Grundlage der Rechnungslegung dar.

• die Rechnungslegung (OR 958): Sie zeigt das Ergebnis der in der Buchführung erfassten Geschäftsfälle und stellt die wirtschaftliche Lage, insbesondere die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage einer Unternehmung, anhand des Jahresabschlusses, dar. Die Rechnungslegung erfolgt im Geschäftsbericht, welcher die Jahresrechnung (Einzelabschluss), zusammengesetzt aus Bilanz, Erfolgsrechnung und Anhang, umfasst (OR 958 II). Für Konzerne und grössere Unternehmen sind zusätzlich eine Geldflussrechnung sowie ein Lagebericht zu erstellen und ergänzende Informationen im Anhang zu geben.

Verschiedene Autoren machen einen Unterschied zwischen «Buchhaltung» und «Buchführung». Die Bezeichnung «Buchführung» wird oft für die Tätigkeit, jene der «Buchhaltung» gegenständlich als die Gesamtheit der Bücher oder als organisatorische Einheit (Buchhaltungsabteilung) verwendet. Der schweizerische Gesetzgeber spricht fast ausschliesslich von Buchführung. Gemäss schweizerischem Recht bezeichnen die Wörter Buchhaltung und Buchführung nach Inhalt und Umfang den gleichen Begriff. In der Rechtsprechung werden die beiden Bezeichnungen als gleichwertig nebeneinander verwendet. In der englischen Terminologie werden Buchhaltung und Rechnungslegung als «Financial Accounting» bezeichnet.

Die externe Rechnungslegung informiert über die Entwicklung der Ertragslage in der Vergangenheit und über die Art und Weise, wie die Unternehmungsleitung ihren Aufgaben zur Erhaltung und Verbesserung der Ertragskraft nachgekommen ist. Weil vergangene Ereignisse zu Mittelzu- und -abflüssen führen, welche in der Rechnungslegung berücksichtigt werden, sind die Zahlen des Jahresabschlusses den Adressaten auch für Prognosen hilfreich.5

Das interne Rechnungswesen richtet sich an Adressaten innerhalb des Unternehmens. Es wird durch Informationsbedürfnisse der Unternehmensleitung beeinflusst und ist zukunftsorientiert ausgerichtet. Sie ist ein wichtiges Instrument der finanziellen Planung. Es umfasst:

• die Kostenrechnung (Betriebsrechnung, Leistungsrechnung) Sie erfasst die mit der betrieblichen Leistungserstellung verbundenen Kosten und Erlöse, und zwar von einzelnen Leistungen, Leistungsgruppen und Betriebsteilen sowie die Preiskalkulationen.

• die Planungsrechnung Sie ermittelt Informationen zur Steuerung und Kontrolle der wirtschaftlichen Entwicklung und des erzielbaren Erfolges in einer zukünftigen Periode. Die verschiedenen Verfahren der Kosten- und Planungsrechnung sind die wichtigsten Teile des internen Rechnungswesens (Management Accounting).

• die Betriebs- und Unternehmungsanalyse Sie wertet die Informationen der Buchhaltung und der Kosten- und Planungsrechnungen aus als Grundlage für Planung, Entscheidung und Kontrolle.

Vom betriebswirtschaftlichen ist das öffentliche Rechnungswesen abzugrenzen. In den öffentlichen Gemeinwesen erfolgt seit den 1980er Jahren die Rechnungslegung nach dem harmonisierten Rechnungsmodell (HRM). Dieses wurde in den letzten Jahren weiterentwickelt durch eine verstärkte Anlehnung an die privatwirtschaftliche Rechnungslegung. Das HRM 2 wird seit 2015 etappenweise, gestützt auf neue gesetzliche Grundlagen, in den Kantonen und Gemeinden eingeführt. Das öffentlich-rechtliche Rechnungswesen stützt sich auf eigene gesetzliche Grundlagen, im Bund auf das Finanzhaushaltsrecht (FHG 2005 und FHV 2012). Das Rechnungswesen öffentlicher Gemeinwesen wird in diesem Lehrbuch nicht behandelt.

Jahresabschluss nach dem Schweizer Rechnungslegungsrecht

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